Demonstrierende Kinder auf dem Heldenplatz
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Bildung

Weiter Aufregung um Lehrerzuteilung

Das neue Zuteilungssystem für Pflichtschullehrer in Wien sorgt weiter für Aufregung. An einer Demonstration nahmen Hunderte teil. Kritiker befürchten für das nächste Schuljahr gravierende Folgen für Integrations- und Mehrstufenklassen und verschränkte Ganztagsschulen.

Vertreter der Elterninitiative „Bessere Bildung jetzt“ riefen für Dienstagnachmittag zu einer Demo auf, unterstützt werden sie von ÖVP und Grünen. Im Büro von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) verteidigt man die Reform weiter und ortet Fehlinformationen. Kurz vor den Sommerferien hatte Wiederkehr eine Umstellung des bisherigen Systems der Lehrerzuteilung an Pflichtschulen (v.a. Volks-, Mittel-, Sonderschulen) angekündigt.

Zuschlag pro Schüler statt pro Klasse

Das bisherige System sei historisch gewachsen und intransparent gewesen. Dadurch hätten manche Standorte unverhältnismäßig viele Posten erhalten, die an anderen Schulen gefehlt hätten. Das neue System sieht für Schulen ein Basiskontingent vor, für das die Zahl aller Schülerinnen und Schüler durch die (fiktive) Klassenschüleranzahl 25 dividiert wird.

Demonstrierende Kinder auf dem Heldenplatz
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Viele Kinder nahmen an der Demonstration teil

Pro Schüler gibt es einen Zuschlag. Zusatzressourcen erhalten auch definierte pädagogische Projekte (Schulschwimmen, muttersprachlicher Unterricht etc.), Standorte mit besonders vielen Schülern mit Förderbedarf sowie vom Bund finanzierte Maßnahmen wie Deutschförderklassen.

Rund die Hälfte der Schulen verlor Posten

In der Praxis sind durch diese Umverteilung sowohl an Volks- als auch Mittelschulen rund die Hälfte der Standorte mit weniger Posten ausgestiegen als bisher. Als Ausgleich für besonders große Einbußen gab es zusätzliche 2.200 Lehrerstunden – das sind 100 Posten – sowie für 2021/22 einen sogenannten Übergangsbonus.

Letzterer ist auch der Grund dafür, dass die Demoorganisatorinnen und -organisatoren Kürzungen im kommenden Schuljahr befürchten. Im Schuljahr 2022/23 werde es aufgrund starker Einsparungen keine Integrationsklassen, keine reformpädagogischen Konzepte, keine individuelle Förderung und keine verschränkten Ganztagsschulen mehr in Wien geben, warnen sie.

Befürchtungen für Bildungsressort nicht nachvollziehbar

Hunderte Demonstrantinnen und Demonstranten, darunter ein guter Teil Kinder im Volksschulalter, haben sich deshalb um 16.30 Uhr am Heldenplatz unter dem Motto „Wir schreien so lange, bis ihr uns hört“ versammelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – die Polizei sprach von 600, die Organisatoren von rund 1.500 – zogen weiter zur Wiener Bildungsdirektion in der Wipplingerstraße und dann zum Minoritenplatz vor das Bildungsministerium.

Im Wiener Bildungsressort kann man die Befürchtungen nicht nachvollziehen, wird dort gegenüber der APA betont. Auch weitere Kürzungen, wie sie von der Elterninitiative erwartet werden, soll es laut Büro Wiederkehr nicht geben. Eine Abschaffung des Übergangszuschlages für 2022/23 stehe nicht zur Debatte, für die Folgejahre könne man noch keine Aussage treffen.

„Zahl der Mehrstufenklassen sogar gestiegen“

Sowohl für Volks- als auch Mittelschulen gebe es im heurigen Jahr insgesamt mehr Lehrerstunden pro Schüler als im Jahr davor, hieß es weiter. Weniger Ressourcen hätten jene Standorte, die weniger Schüler und Klassen bzw. weniger außerordentliche Schüler hatten. Außerdem betroffen waren Schulen, die in der Vergangenheit besonders viele Ressourcen bekommen haben. Die Planstellen seien zu Standorten und Schülern gewandert, die in den Jahren zuvor benachteiligt gewesen seien.

Aber weder in Mehrstufenklassen, in denen Kinder unterschiedlichen Alters gemeinsam unterrichtet werden, noch Integrationsklassen, in denen Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam unterrichtet werden, gebe es Kürzungen. Die Zahl der Mehrstufenklassen sei im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen, an einigen Schulen seien allerdings lediglich über Projektplanstellen bedeckte Mehrstufenklassen weggefallen.

„Viele unhaltbare Gerüchte“

Um allen Schulen innovative Unterrichtsformen zu ermöglichen, gebe es außerdem keine Dreifachbesetzung mehr in Klassen. Bei integrativen Mehrstufenklassen soll es aber eine durchgehende Doppelbesetzung geben, versicherte man im Büro Wiederkehr. Auch zwei Lehrkräfte pro Integrationsklasse – in der Volksschule ständig, in der Mittelschule überwiegend – werde es weiterhin geben. Dass künftig laut den Demo-Initiatoren 25 Schüler in einer Integrationsklasse sitzen sollen, könne die Bildungsdirektion nicht nachvollziehen.

Auch zur Zukunft der verschränkten Ganztagsschulen, an denen sich Unterrichts-, Lern- und Freizeit abwechseln, würden von der Eltern-Initiative „viele unhaltbare Gerüchte“ verbreitet. Die Behauptung, dass es verschränkte Ganztagsschulen künftig nicht mehr geben solle, sei „absurd“: Immerhin wende die Stadt Wien enorme Mittel dafür auf, jedes Jahr kämen zehn neue Standorte dazu und das Angebot sei gerade kostenlos gemacht worden. Alleine heuer würden 200 zusätzliche Freizeitpädagoginnen und -pädagogen dafür angestellt.

Opposition erneuert Kritik

Die Wiener Oppositionsparteien erneuerten unterdessen im Vorfeld der Demo ihre Kritik an der Reform: Die ÖVP Wien bemängelte via Aussendung, dass trotz so vieler Lehrerplanstellen vom Bund wie nie zuvor viele Wiener Schulen und Klassen aus der Verliererliste der Stadtregierung stünden. Für die Wiener Grünen werden nunmehr die Folgen der „NEOS-Kürzungen“ sichtbar: Viele Schulen hätten langjährige erfolgreiche Projekte beenden müssen.