Hygiene Austria Produktion
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Wirtschaft

Leiharbeiter fühlten sich wie Sklaven

Die Leiharbeitsverhältnisse beim Maskenproduzenten Hygiene Austria, aber teilweise auch im Post-Verteilzentrum Inzersdorf haben zur Ausbeutung der dort beschäftigten Migranten geführt. Das zeigt eine Studie der Universität Wien.

„Die Unternehmenserfolge beruhen nicht unwesentlich auf Leiharbeit“, sagte Studienautorin Johanna Neuhauser bei der Präsentation der Studie, die von der Arbeiterkammer gefördert wurde. Neuhauser interviewte 15 Betroffene, großteils junge Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien, und berichtete von unzähligen Missständen.

Nach Nachtschicht noch für Frühschicht geblieben

So hätten bei der Hygiene Austria Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen nach der Nachtschicht bleiben müssen, wenn nicht genug Kollegen für die Frühschicht gekommen seien. Teilweise seien Schichten kurzfristig via WhatsApp eingeteilt worden. Weder bei der Post noch bei der Hygiene Austria sei Erschöpfung als Grund für eine kurze Pause akzeptiert worden. Bei der Hygiene Austria seien Maschinen schnellergestellt und Sicherheitsmaßnahmen ausgeschaltet worden. Ein Mitarbeiter schnitt sich einen Teil seines Fingers ab, berichtete die Studienautorin. Die Befragten schilderten, dass sie sich wie „Sklaven oder Tiere“ behandelt fühlten.

Krank zur Arbeit

Viele fielen um Überstunden und Teile ihres Geldes um. Neuhauser sagte, auf Basis der von Hygiene Austria an die Leiharbeitsfirmen geleisteten Zahlungen sei eine korrekte Arbeitskräfteüberlassung nicht möglich gewesen. Sie zitierte einen Betroffenen, der sagte, er habe, wenn er die Firma betrat, das Gefühl gehabt, wieder im Irak zu sein und nicht in Österreich. Die prekären Arbeitsverhältnisse hätten Neuhauser zufolge auch den CoV-Cluster bei der Post mitverursacht.

Aus Angst vor einer Kündigung seien die Leiharbeiter krank zur Arbeit gekommen und hätten trotz Krankheitssymptomen weitergearbeitet, die Soziologin sprach von „Präsentismus“. Neuhauser sagte, dass viele der Betroffenen die Jobs nur deshalb gemacht hätten, weil sie keine Alternativen hatten. Einer der Betroffenen musste etwa für die Wiener Einwanderungsbehörde MA 35 drei Lohnzettel vorweisen, ein anderer seiner Familie in der Heimat helfen. Die asylrechtliche Situation und ein eingeschränkter Arbeitsmarktzugang dränge Migranten in solche Jobs, von Unternehmen werde diese Notlage ausgenützt, so der Vorwurf.

Hygiene Austria: 118 Gerichtsverfahren

Der Leiter des AK-Rechtsschutzes, Ludwig Dvorak, sagte, dass der Kollektivvertrag für Leiharbeitskräfte grundsätzlich vernünftig sei, es aber unseriöse Leiharbeitsfirmen gebe, die die Vorgaben missachteten. Wenn diese pleitegehen, würden die schuldig gebliebenen Löhne aus dem Insolvenzentgeltfonds, also von der Allgemeinheit, bezahlt.

Dvorak sagte auch, dass sich die Unternehmen mit Leiharbeit aus ihrer Verantwortung stehlen würden. Er drängt daher auf eine lückenlose Haftung der Auftraggeber. „Es muss der zahlen, der von diesem System profitiert“, so der Arbeitsrechtsexperte.

Die Arbeiterkammer führt mittlerweile 118 Gerichtsverfahren in Sachen Hygiene Austria. Die Maskenfirma war von Palmers und Lenzing zu Beginn der Pandemie gegründet worden, geriet aber im März 2021 infolge einer Hausdurchsuchung im Zuge von Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stark unter Druck. Ermittelt wird wegen des Verdachts der organisierten Schwarzarbeit sowie schweren gewerbsmäßigen Betrugs. Die Firma räumte daraufhin ein, FFP2-Masken zwar als „Made in Austria“ beworben, einen Teil davon aber in China zugekauft zu haben.

Post: Sorgfaltspflicht erfüllt

Die Post erklärte zu der Studie, man erfülle für Zeitarbeitskräfte die gleiche Sorgfaltspflicht wie für das Stammpersonal. „Im operativen Betrieb gibt es keinen Unterschied, weder in der Organisation oder bei Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen“, betonte ein Sprecher. Alle Mitarbeiter seien aufgefordert worden, keinesfalls krank den Dienst anzutreten.