Oswald Wiener
APA/Ingrid Wiener
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Kultur

Sprachexperimentator Oswald Wiener ist tot

Der Sprachtheoretiker, Dichter, Erkenntnistheoretiker und Vordenker der künstlichen Intelligenz, Oswald Wiener, ist tot. Das meldet die Tageszeitung „Der Standard“. Er galt nicht nur als theoretischer Kopf der Wiener Gruppe, sondern neben Friedrich Achleitner und H. C. Artmann auch als prägendes literarisches Mitglied.

Wiener wurde am 5. Oktober 1935 in Wien geboren, studierte Rechts- und Musikwissenschaften, afrikanische Sprachen und Mathematik. Der radikale ästhetische Zugriff der Wiener Gruppe, die mit Collagen und Montagen, Sprachexperimenten und literarischen Kabaretts eine Brücke zwischen Anarchie und Philosophie, Kunst und Literatur schlug, sorgte für Aufsehen. 1959 vernichtete Wiener sein komplettes literarisches Werk und arbeitete in den folgenden Jahren als Computerexperte der Wiener Olivetti-Niederlassung.

Beteiligt an „Uni-Ferkelei“

1968 war er bei der Uniaktion „Kunst und Revolution“ beteiligt, die für einen Skandal sorgte und ihn vor einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe schließlich nach Berlin flüchten ließ. Dort eröffnete er die Gaststätte „Exil“ und belegte im Fernstudium Mathematik und Informatik an der Technischen Universität Wien. Seither wurde es ihm zum Prinzip, naturwissenschaftliche und kybernetische Ansätze auch in Literatur und Philosophie zu übertragen.

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Oswald Wiener
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Oswald Wiener galt nicht nur als theoretischer Kopf der „Wiener Gruppe“ …
Oswald Wiener
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… sondern neben Friedrich Achleitner oder H. C. Artmann auch als prägendes literarisches Mitglied
Oswald Wiener bei einer Veranstaltung 2016
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Sein bekanntestes Werk ist sein Roman „die verbesserung von mitteleuropa“

Die Beschäftigung mit künstlicher Intelligenz und den Grundlagen der Mathematik, das Fasziniertsein von den Arbeitsweisen von Maschinen beherrscht daher auch Wieners literarisches Schaffen, für das er mit dem Großen österreichischen Staatspreis für Literatur 1989 ausgezeichnet wurde. Seinen bekanntesten Roman „die verbesserung von mitteleuropa“ legte der Jung und Jung Verlag vor mehreren Jahren neu auf. Die „FAZ“ bezeichnete das Werk einmal als „eines der beunruhigendsten Dokumente der deutschen Sprache überhaupt“.

In seinem zweiten Roman „Nicht schon wieder…!“, 1990 unter dem Pseudonym Evo Präkogler erschienen, vermischen sich die Grenzen zwischen menschlicher und künstlicher Existenz. Seine Werke, von den „Literarischen Aufsätzen“ bis zu seinen Publikationen zu den Turing-Tests für künstlich intelligente Systeme, trugen zu allen Disziplinen, die sie streifen – Literatur, künstliche Intelligenz, Kybernetik – eigenständige Ansätze bei.

Ehrendoktor und Professor an der Kunstakademie

Der Ehrendoktor der Universität Klagenfurt (1995), der neben dem Literatur-Staatspreis auch mit dem Literaturpreis der Stadt Wien (1987), dem Grillparzer-Preis der Anonymen Aktionisten (1993) und dem „manuskripte“-Preis des Landes Steiermark (2006) ausgezeichnet wurde, war von 1992 bis 2004 Professor für Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Tochter mit der bildenden Künstlerin Lore Heuermann, die Köchin und Autorin Sarah Wiener, wuchs bei der Mutter in Wien auf.

Wiener verstarb laut „Standard“ am Donnerstag im Alter von 86 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.