Klimaaktivisten blockieren die Baustelle und Zufahrtstraße der Stadtautobahn in Hirschstetten
APA/Georg Hochmuth
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Politik

Straßenbau-Debatte: „Gsindel“, „Lärmhölle“

Der Wiener Landtag hat sich heute auf Antrag der FPÖ mit den Projekten Stadtstraße Aspern sowie S1-Ausbau und Lobautunnel beschäftigt. Mitunter mit derben Worten wurden bekannte Positionen einbetoniert.

Die Fronten zu den umstrittenen Straßenbauprojekten sind schon vor der Landtagssitzung bekannt gewesen. In der Sitzung am Dienstag gab es inhaltlich sowohl von Seiten der Befürworter als auch der Gegner keine echten Neuigkeiten als Beitrag zur Debatte. Die FPÖ forderte genauso wie SPÖ und ÖVP eine Realisierung der Bauvorhaben, die Grünen hielten einmal mehr dagegen.

FPÖ: Bau notfalls unter neuer Regierung

FPÖ-Verkehrssprecher Anton Mahdalik zeigte sich sichtlich amüsiert, dass Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) nun mit den jungen Baustellenbesetzern reden möchte. Die Freiheitlichen, so versicherte er, würden sich mit „solchen Leuten“ nicht an einen Tisch setzen. Denn das „Kommunistengsindel von den Baustellen“ würde ein genehmigtes Straßenprojekt behindern.

Mahdalik zeigte sich überzeugt, dass die Ortskerne in der Donaustadt durch die geplanten Verbindungen entlastet würden. Straßen einfach nicht zu bauen, sei „reine Parteipolitik“. Sollte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Entscheidung in Sachen Lobautunnel nicht zurücknehmen, müsse man eben auf die nächste Regierung warten, befand er.

Für NEOS Stadtplanung „nicht optimal“

NEOS-Mandatar Stefan Gara konstatierte: „Ja, wir werden dort schon auch eine Straße brauchen.“ Er betonte, dass dies ja auch die Grünen nicht bestreiten würden. Das Stadtentwicklungsgebiet dort sei schon sehr groß, gab er zu bedenken. Zugleich zeigte er sich verwundert: „Für mich war es immer verblüffend, wie wenig der öffentliche Verkehr dort ausgebaut wurde.“ Es sei stadtplanerisch in der Vergangenheit dort vieles nicht optimal gelaufen.

Es gehe nun um eine bestmögliche Gesamtlösung. „Einzelstreitereien“ würden nicht zum Ziel führen. Das gelte etwa für den geplanten zweispurigen Ausbau der Stadtstraße. Dieser würde temporär Carpoolingspuren oder auch Busspuren ermöglichen. Zugleich ersuchte er um Wertschätzung der Klimaaktivisten. Diese müsse man ernst nehmen. Die NEOS, die seit einem Jahr in Wien mit der SPÖ regieren, haben stets betont, dass sie den Lobautunnel nicht für sinnvoll erachten.

Auch für Grüne Pläne nicht sinnvoll

Die Grünen bezweifeln die Sinnhaftigkeit der Pläne ebenfalls, woran die Landtagsabgeordnete Heidi Sequenz keinen Zweifel ließ. So sei etwa die Spange Aspern, die die S1 mit der Stadtstraße verbinden sollte, nicht mehr nötig. Diese würde am „Acker in Raasdorf“ enden, was ziemlich „crazy“ sei, wie sie befand. Die mit 460 Mio. Euro für drei Kilometer sehr teure Stadtstraße sei ebenfalls fehl am Platz. Kritik übte sie an der Versiegelung von Grünflächen: „Ich kenne jede Wiese und jedes Feld, durch die die Straße betoniert werden soll.“

Sie wohne selbst neben der A22 (Donauuferautobahn, Anm.). Dort sei nur 60 km/h erlaubt, trotzdem würden sich Anrainer über die „Lärmhölle“ beklagen. Eine solche möchte sie den anderen Donaustädterinnen und Donaustädtern ersparen. Dass der Verkehr in Wohngebieten im Gegenzug reduziert werde, sei „billige Propaganda“. Die Stadtstraße würde sich wie eine Barriere durch den Bezirk legen. Gänzlich gegen neue Straßenabschnitte, wenn auch kleiner dimensioniert, wollte sich aber auch Sequenz nicht stellen. „Ja, es wird Erschließungsstraßen brauchen.“

ÖVP für Tunnel, Gewessler falsch beraten

Der neue ÖVP-Chef und nicht amtsführende Stadtrat Karl Mahrer plädierte in seiner ersten Rede im Landtag für den Bau des Lobautunnels und den Lückenschluss in Sachen S1. Die Verbindung sei das bestgeprüfteste Straßenstück in ganz Österreich, gab er zu bedenken. Die Lobauquerung als Tunnel sei 2006 ins Bundesstraßengesetz aufgenommen worden. „Ein Bundesgesetz, das bis heute gültig ist“, hielt Mahrer fest.

Die Entscheidung Gewesslers verstehe er persönlich – „aufgrund ihrer Einstellung“. Sie wolle einfach den Tunnel nicht. Aber die Bundesministerin sei „rechtlich einfach falsch beraten“. Man könne sich nicht über ein im Nationalrat beschlossenes Bundesgesetz hinwegsetzen. Die Absage sei verantwortungslos. Man solle Gewessler jetzt allerdings die Chance geben, Alternativen auf den Tisch zu legen. „Wenn es keine sinnvollen Alternativen gibt, ist der Lobautunnel alternativlos.“ Dann müsse er auch gebaut werden, forderte Mahrer.

SPÖ: Grüne „gaga intellektuell“

Der Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, SPÖ-Mandatar Erich Valentin, ortete bei seiner grünen Vorrednerin Unredlichkeiten. Wie diese die Wahrheit verdrehe, sei eine Zumutung, sagte er: „Das ist einfach gaga intellektuell.“ Von einer Barriere zu sprechen, sei etwa falsch, da die Straße auch unterirdisch verlaufe. „Da geht man über den Tunnel drüber.“ Er verwies darauf, dass die Umweltverfahren unter wissenschaftlicher Beteiligung erstellt worden seien.

Beim Klimacheck des Bundes sei hingegen kein einziges Gutachten vorgelegt worden, es gebe keinen einzigen Wissenschafter, der dafür stehe. Die abgesagte Umfahrungsstraße hätte Wien vom Schwerverkehr entlastet, zeigte er sich überzeugt. Die Verbindung sollte verhindern, dass etwa Lastwägen, die nicht nach Wien wollten, sondern etwa von Nordosteuropa zu italienischen Häfen unterwegs seien, nicht durch die Stadt müssten. Der Frächter aus Warschau mit seinem Lkw könne nicht auf die U-Bahn umsteigen, betonte Valentin.

Tunnelstopp durch Gewessler erhitzt Gemüter

Seit Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) das ASFINAG-Projekt mit dem Lobautunnel gestoppt hat, gibt es hitzige Debatten um das Thema. Die Wiener SPÖ, die die sechste Donauquerung seit Jahrzehnten lanciert, forderte mehrfach ein Umdenken der Ministerin und drohte mit rechtlichen Konsequenzen, sollte der Lobautunnel nicht errichtet werden.

Als ein Argument für den Bau wird die Verpflichtung in der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) angeführt, wonach das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern nicht weiter ausgebaut werden darf. Dieser Ausbau hängt an der Stadtstraße Aspern, quasi einem Zubringer zur S1. Diese kann zwar weiterhin errichtet werden, macht laut SPÖ Wien jedoch keinen Sinn, wenn die dazugehörige S1-Verlängerung nicht kommt.

Baustellen weiter besetzt

Kritik an den Bauplänen kommt von Umweltschützerinnen und -schützern, die seit Monaten einige Baustellen der Stadtstraße Aspern besetzen. Um die Besetzungen – bislang waren einzelne Camps als Versammlung zugelassen – zu beenden, erging ein Anwaltsschreiben an Organisatorinnen und Organisatoren. Jedoch wurden einige Schreiben auch an Kinder und Jugendliche sowie Kritikerinnen und Kritiker geschickt, die nichts mit den Camps zu tun haben.