Petra Gruber vor ihrer Bücherwand in ihrem Büro
Louis Ebner
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Lifestyle

Nachfrage nach Aufräumcoaches wächst

Im Zuge der CoV-Pandemie und damit verbundenen Einschränkungen hat das eigene Zuhause einen höheren Stellenwert bekommen. Eine erhöhte Nachfrage nach einer Ordnungsberatung spüren auch Aufräumecoaches in der Stadt.

Den Beruf des Aufräumcoaches hat die Autorin Marie Kondo spätestens nach dem Erfolg ihrer Netflix-Serie auf der ganzen Welt ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Angebote wie ihres gibt es auch in Wien, etwa von Petra Gruber und Franziska Schmid. „Ordnung halten kann jeder, der es auch will“, sagte Aufräumcoach Gruber im wien.ORF.at-Interview.

Im hinteren Zimmer ihrer lichtdurchfluteten Altbauwohnung im sechsten Bezirk hat sie sich ihr Büro für ihre Unternehmen „Reset your home“ eingerichtet. Auf dem Weg dahin zeigt sie Möbelstücke, die ihr besonders am Herzen liegen, und ihre Lieblingsplätze in ihrem Domizil: die Vitrine, die sie im Internet entdeckt hat, und der bequeme rote Sessel, neben dem schon Zeitschriften auf dem Abstelltisch bereit liegen. Idealerweise berät Gruber aber ihre Kundinnen und Kunden direkt bei ihnen vor Ort. Sie hilft ihnen, ein gemeinsames Ziel zu erarbeiten und umzusetzen.

Aufräumberaterin Petra Gruber in ihrem roten Sessel
Louis Ebner
Gruber hat drei Schritte zum neuen Wohngefühl: Dinge aussortieren, Gegenständen Platz geben, Aufbewahrung optimieren

Aufräumen an der Oberfläche, aber auch „Seelenarbeit“

Aufräumcoach Franziska Schmid betreibt das Unternehmen „Aufräumen mit Franziska“. Ihr ist es wichtig, von Anfang an den Druck von ihren Kundinnen und Kunden zu nehmen: „Ich möchte ihnen zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, das zu verändern, was sie stört, und dass sie den ersten Schritt dazu schon getan haben, indem sie sich Unterstützung holen.“

Im Gespräch berichten die Kundinnen und Kunden teilweise auch von ihren Lebensgeschichten. Schmid erkennt daran, warum gewisse Gegenstände momentan nicht losgelassen werden können: „Es ist das Aufräumen an der Oberfläche, aber auch Seelenarbeit.“

Die AUfräumberaterin Franziska Schmid
Louis Ebner
Aufräumcoach Schmid ist zweifache Mutter und möchte auch ihren Kindern Freude am Aufräumen mitgeben

Aufräumcoaches sollen Menschen dabei helfen, eine strukturierte Ordnung in ihr Zuhause zu bringen. Sie unterstützen ihre Kundinnen und Kunden dabei, ihre Wohnträume erst einmal zu formulieren und ihre Wohnsitution an ihre Lebenssituation anzupassen. Dabei kann es sich um kleinere Projekte wie das Optimieren eines Kleiderschranks handeln oder um ganze Wohnungen.

Individuelle Ordnung

Auf Petra Gruber kommen ihre Kundinnen und Kunden meist zu, wenn sie ihre Wohnsituation mit den Dingen optimieren möchten, die sie bereits besitzen. „Es geht darum, am besten zu leben mit den Dingen um mich herum, sodass sie mir nicht im Weg sind oder mich in ihrer Menge erdrücken“, sagte Gruber. Sie sieht sich die Situation ihrer Kundinnen und Kunden genau an, bespricht mit ihnen, was sie stört und wovon sie träumen.

Dann werden gemeinsam passende Aufbewahrungsmöglichkeiten überlegt. Grubers Tipp: Dinge, die zusammengehören, auch zusammenaufbewahren. So sind sie nämlich leichter zu finden und vor allem auch leichter wieder wegzuräumen. Der Wille zur Ordnung muss aber von den Kundinnen und Kunden selbst kommen: Umgestellt und ausgemistet werden Gegenstände nur nach Einverständnis.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Die Lieblingsvitrine der Aufräum-Beraterin Petra Gruber
Louis Ebner
Die Vitrine ist einer der Lieblingsgegenstände von Aufräumberaterin Petra Gruber
Petra Gruber an ihrer Lieblingsvitrine
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Grubers Kundinnen und Kunden sollen sich nicht von Gegenständen trennen müssen, die sentimentalen Wert für sie haben
Das Aufbeahrungsbrett für Schlüssel von Aufräumberaterin Petra Gruber
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Am Schlüsselbrett von Petra Gruber finden auch Sonnenbrillen Platz
Der Kleiderschrank der Aufräumberaterin Petra Gruber
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Gruber empfielt ihren Kundinnen und Kunden, sich von Kleidungsstücken, die sie mehrfach besitzen, zu trennen
Der einsortierte Schmuck von Aufräum-Coach Petra Gruber
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Jedes Schmuckstück von Gruber hat seinen eigenen Platz

Auch für Franziska Schmid gibt es keine universelle Ordnung, die für jeden Kunden funktioniert. „Ordnung ist etwas sehr Subjektives und die jeweilige Person soll sich in ihren vier Wänden wohlfühlen können“, sagte sie. Gerade während der Coronavirus-Pandemie merkte sie, dass das eigene Zuhause für die Menschen einen höheren Stellenwert bekam. Die jeweilige Strategie, die zur Ordnung führen soll, müsse sich daher auch an den individuellen Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohnern orientieren.

Lernen, dass Aufräumen Spaß macht

Für Gruber gibt es drei Schritte zu einem neuen Wohngefühl: Dinge müssen aussortiert werden, ihnen muss ein Platz zugewiesen werden und die Möglichkeiten der Aufbewahrungen müssen optimiert werden. „Wir fangen dann einfach an und kommen dann in so einen Fluss hinein, dass die Leute auch wahnsinnig gerne mitmachen“, so Gruber.

Eine gewisse Freude beim Ordnung Schaffen zu verspüren, findet auch Schmid wichtig. Idealerweise soll ein Wohnraum so gestaltet sein, dass das Aufräumen nicht mehr als mühsam empfunden wird: „Bei vielen Leuten kommt, wenn sie ‚Aufräumen‘ hören erst einmal ein Seufzen, aber viele meiner Kunden meinen auch, sie mussten erst lernen, dass Aufräumen auch Spaß machen kann.“

Nach Gebrauch sofort zurück an seinen Platz

Das Zuhause ordentlich zu halten funktioniere demnach am besten, wenn das Aufräumen in den Alltag integriert ist und sich bewusst dafür Zeit genommen wird: „Wenn ich schon einen Termin mit mir selbst ausgemacht habe, dann will ich am Ende auch Ergebnisse sehen und bleibe auch motiviert weiterzumachen.“

Auch bei Aufräumcoaches ist es zuhause manchmal unordentlich. Das Entscheidende ist aber, dass alle Gegenstände nach ihrem Gebrauch auch wieder ihren designierten Platz finden. Als zweifache Mutter versucht Schmid das auch ihren Kindern zu vermitteln: „Es beginnt zu fruchten. Kinder imitieren in jeglicher Hinsicht und möchten mitmachen.“ In ihrer Erziehung wie auch im Beruf setzt sie auf Unterstützung statt auf Zwang.

„Eine gewisse Leichtigkeit“

Ein ordentliches Zuhause hat positive Auswirkungen auf das Seelenwohl, sagt Schmid: „Es macht innerlich ruhig, wenn man nicht immer im eigenen Zuhause etwas suchen muss. Die Ruhe strahlt man auch aus.“ Gruber nennt das „eine gewisse Leichtigkeit, wenn man nicht ständig im Flow des Wohnens eingeschränkt ist“.

Auch der Prozess, den Wohnraum Umzustrukturieren, kann befreiend sein. Dazu gehört für Gruber auch, Empathie für ihre Kundinnen und Kunden mitzubringen: „Was an dem Job Spaß macht ist, mit den Menschen Ziele zu erarbeiten, sie behutsam zu behandeln und sich ihre Sorgen anzuhören. Da geht für sie dann eine Tür auf und das ist toll zu sehen.“

Fotostrecke mit 6 Bildern

Die Küche der Aufräumberaterin Petra Gruber
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In der Küche von Gruber herrscht Ordnung
Das Regal in der Küche von Aufräum-Coach Petra Gruber: Sogar die Geschirrspültabs haben ein eigenes Aufbewahrungsgefäß
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Sogar die Geschirrspültabs haben ihren Platz in ihrem eigenen Aufegwährungsgefäß
Die Aufgewahrungsmöglichkeiten in der Küche von Aufräum-Coach Petra Gruber
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Gruber schafft mit Hilfe von Kisten und Trennern Aufbewahrungsraum
Der Platz für Küchengeräte in der Küche von Aufräum-Coach Petra Gruber
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Gruber weiß genau, wo ihre Küchengeräte und -utensilien hingehören
Eine Leiste für Messer in der Küche der Aufräumberaterin Petra Gruber
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Grubers Messer hängen an der Wand, wo sie schnell Zugriff hat
Der Schrank für Trinkgläser in der Küche von Aufräumcoach Petra Gruber
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Grubers Trinkgläser haben ihren Platz im eigenen Schrank in der Küche

Dazu hat Gruber auch einen ganz persönlichen Bezug. Vor zwei Jahren verstarb ihr Mann unerwartet. Die Einrichtung der gemeinsamen Wohnung stammte zu großen Teilen von ihm. Gruber erzählt: „Ich stand vor der Aufgabe, die Wohnung so zu meiner zu machen, dass ich gut mit der Vergangenheit leben konnte, aber mir auch selbst die Zukunft gestalten konnte. Ich musste mich aus der Trauer hinausziehen.“ Also gestaltete sie ihre Wohnung nach ihren Wünschen um. Sie erkannte, dass es ihr gut tat, und fand so zu ihrer Berufung.

Wovon man sich trennen sollte

Mit einer Umordnung und Umstrukturierung kommt es automatisch zu einer Reduktion, sind sich Gruber und Schmid einig. Das heißt aber nicht, dass Ordnung mit Minimalismus gleichzusetzen ist, meint Gruber: „Ich muss nicht nur Dinge besitzen, die ich brauche. Die Sache kann mir auch einfach nur gefallen. Bestenfalls sind die Dinge, die ich behalte, nützlich und schön“. Schmid sieht das ähnlich. Sie rät ihrer Kundschaft, den Dingen, die ihnen wichtig sind, auch den entsprechenden Raum zu geben.

Welche Gegenstände behalten werden und welche wegegeben werden, entscheiden in den Beratungen beider Coaches die Besitzerinnen und Besitzer selbst. Gruber rät dazu, sich von kaputten Dingen zu trennen oder von Gegenständen, von denen man mehrere Stücke besitzt, aber nur eines benützt, wie etwa Regenschirme.

Auch Geschenke, die nicht gefallen, müssen nicht aus Höflichkeit aufgehoben werden. Dabei muss nicht jeder Gegenstand weg, nur weil er länger nicht benutzt wurde, meint Schmid: „Es geht darum, sich Gedanken zu machen, was ich brauche und was nicht. Was die Person aber behalten will, behält sie.“

Nicht einfach wegwerfen

Dabei wird Nachhaltigkeit bei beiden Coaches großgeschrieben. Schmid ist studierte Meteorologin. Ihr lag der Umweltschutz schon als Kind am Herzen. Aussortierte Gegenstände will sie daher nicht zwangsläufig wegwerfen: „Im Gegenteil, die meisten Dinge sind ja noch gut und sollten dann wieder in den Kreislauf gebracht werden“.

Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten, die Gegenstände zu verschenken oder zu verkaufen. Aus diesem Grund bietet auch Gruber ihren Kundinnen und Kunden an, die Weitergabe, den Weiterverkauf oder die Entsorgung der Gegenstände zu übernehmen, denn „oft wissen die Menschen gar nicht, wohin mit den Dingen, deshalb trennen sie sich nicht von ihnen.“