„‚Queer‘ ist ein relativ neuer Begriff“, sagt Thomas Trabitsch. Er ist Mitglied des Vorstands im Verein, der hinter dem Museum steht. Er verwendet „queer“ als Überbegriff für lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intergeschlechtliche Personen: „Die Bedeutung des Begriffs ändert sich noch ständig.“
Alfred Rottensteiner ist der erste ausstellende Künstler im Museum. Er fügt hinzu: „Der Begriff hat sich aus einem Schimpfwort entwickelt, das die queere Gemeinschaft neu besetzt und sich zu eigen gemacht hat.“
Teilweise wird Queer-Sein auf einen Trend reduziert. Dem widerspricht Trabitsch: „Es gab immer schon Menschen, die nicht heterosexuell waren oder nicht diesen normativen Vorstellungen entsprachen.“ Den Begriff „queer“ habe es damals mit seiner heutigen Bedeutung noch nicht gegeben. „Die Menschen damals haben sich selbst nicht queer genannt, aber sich durchaus queer verhalten“, sagt Trabitsch.
Sitz vorerst im Volkskundemuseum
Das neue Museum erzählt queere Stadtgeschichte und bietet queerer zeitgenössischer Kunst eine Plattform. Weites soll es ein Ort der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit queerer Geschichte und der Vermittlung sein. Besonders Kinder und Jugendliche sollen in die Bildungsarbeit einbezogen werden. Das erste dezidiert queere Museum Wiens ist laut Trabitsch relevant, weil es gesellschaftliche Themen abbildet – „in Sachen Gleichstellung, Antidiskriminierung und Sichtbarkeit von Minderheiten“.
Das Queer Museum Vienna hat seinen Sitz vorerst im Wiener Volkskundemuseum, das dafür Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. „Queere Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, finde ich extrem interessant, nicht nur in Bezug auf gesellschaftliche Wahrnehmung, sondern auch wegen des kulturwissenschaftlichen Interesses", sagt Matthias Beitl, Direktor des Volkskundemuseums. „Es wirft einen komplett neuen Blick auf Sammlungen und den Museumsalltag.“
Queere Personen als Superheldinnen und -helden
„If there is something weird in your neighborhood“ ist der Titel der Ausstellung von Rottensteiner, die nun gezeigt wird. Es ist eine Anspielung auf eine Textzeile im Titellied des Films „Ghostbusters“. Im Film sei der einzig scheinbar queere, weder eindeutig männliche noch weibliche Charakter am Schluss eine böse Gottheit, die Unheil bringe, so Rottensteiner. „Ich versuche in meiner Ausstellung, das umzudrehen und queere Menschen als Superheldinnen und -helden darzustellen.“
Die Ausstellung handle von der Irritation, die Kunst auslösen könne, erklärt Rottensteiner, „auch von der Irritation, die ich als queere Person auslöse dadurch, dass Menschen nicht gewohnt sind, dass jemand aussieht wie ich. So mache ich jedes Mal, wenn ich in die Welt hinausgehe, ganz automatisch eine Kunstperformance.“
Einige Elemente in der Ausstellung würden Strukturen repräsentieren, in die queere Personen hineingeboren werden, beschreibt der Künstler: „Da habe ich mich nie richtig passend gefühlt, deshalb lege ich sie hier ins Museum und forme sie um.“ Im Kunstrasen ist daher das Wort „Boo!“ ausgeschnitten. Es stellt den Schreck dar, den Menschen zum Teil empfinden, wenn sie Personen sehen, die ihrem Erscheinungsbild nicht entsprechen.
„Wohngemeinschaft“ bis Juni
Die Initiative des Queer Museum Vienna und das Volkskundemuseum setzten schon in der Vergangenheit gemeinsame Projekte im Bereich der Vermittlung um. „Der Forschungsanspruch und Aktivismus dieser Initiative interessiert uns als Volkskundemuseum sehr“, sagt Beitl. Nachdem das Kollektiv einen Programmvorschlag vorgelegt hatte, wurde beschlossen, die „kleine Wohngemeinschaft“ im Volkskundemuseum zu gründen.
Jedenfalls bis Juni wird sich das Queer Museum noch im Volkskundemuseum aufhalten. Danach erhofft sich Beitl für das Queer Museum, dass es eine eigenständige Institution in Wien wird. Das Volkskundemuseum selbst befindet sich bereits in den Vorbereitungen auf die Sanierung: Voraussichtlich von 2024 bis 2026 wird das Museum aus diesem Grund geschlossen sein.