„Es war durchaus hart für uns. Wir hatten die ganze Produktion schon fertig geprobt“, sagt Christian Struppeck, Musicalintendant der Vereinigten Bühnen Wien. Für ihn sei nun entscheidend, dass der Kulturbereich nicht wieder schließen müsse: „Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Theater ein sicherer Ort sind. Wichtig ist jetzt die Kontinuität.“ Das gesamte Raimund Theater würde sich entsprechend vorsichtig verhalten. „Miss Saigon“ ist die erste Großproduktion seit der Grundsanierung des Hauses.
Klassiker in neuer Besetzung
„Miss Saigon“ handelt von der Vietnamesin Kim, die sich in den letzten Wochen des Vietnam-Kriegs in den Amerikanischen Soldaten Chris verliebt. Bald darauf verlässt Chris Saigon im letzten Hubschrauber in die Vereinigten Staaten, ohne zu wissen, dass Kim von ihm schwanger ist, und der Vietcong nimmt Saigon ein. Drei Jahre nach den Ereignissen treffen sich Kim und Chris in Bangkok wieder.
Auch für die Besetzung des Musicals war die Zwangspause ein harter Schlag. Hauptdarstellerin Vanessa Heinz, die die Rolle der Kim verkörpert, findet es „unwirklich, dass es jetzt wirklich losgeht“, wie sie in „Wien heute“ erzählt. Das vergangene Jahr, in dem die Produktion pausierte, nutzte sie, um ihr Studium abzuschließen. „Miss Saigon“ ist ihr Musical-Debüt.
„Miss Saigon“: Endlich Premiere
Mehrmals musste die Premiere des Musical „Miss Saigon“ im Raimundtheater verschoben werden. Jetzt wird neben den täglichen Proben gegurgelt und privat Abstand gehalten, damit kein Covid-Fall die langersehnte Show mehr stören kann.
„Am Sonntag haben wir das erste Mal Publikum. Man versucht, sich selbst ein bisschen zu schützen, falls es doch wieder nicht stattfinden kann, aber jetzt passiert es, glaube ich“, so der männliche Hauptdarsteller und Musical-Routinier Oedo Kuipers im Interview in „Wien heute“. Er spielt die Rolle des Chris. Neben Heinz und Kuipers stehen Gino Emnes als „John“ und Christian Rey Marbella als „Engineer“ auf der Bühne.

Eines der erfolgreichsten Musicals
Der Brite Cameron Macintosh produzierte das Musical. „Die vergangenen beiden Jahre waren für uns alle, auf und abseits der Bühne, schmerzhaft", erzählt er. Das Theater war in einem kreativen Fluss, den die Pandemie komplett durchbrochen hat. Nun kommt es langsam wieder auf seine Beine“. Neben „Miss Saigon“ produzierte Macintosh schon bekannte Musicals wie „Das Phantom der Oper“, „Mary Poppins“ und „Les Miserables“.
Der 75-jährige Brite gilt heute als einer der einflussreichsten Theaterproduzenten der Welt, der sieben Theater in London besitzt. „Es geht immer darum, das richtige Haus und diejenigen Menschen zu finden, die daran glauben“, so Macintosh im APA-Interview auf die Frage, warum er „Miss Saigon“ nun nach Wien bringe. „Es ist nun genau das richtige Stück, um die Möglichkeiten der neuen Bühne zu zeigen“, spielt er auf die Sanierung des Raimund Theaters an.
Komponist: „Bin völlig paranoid“
Das Buch und die Lieder des Musicals wurden von Alain Boublin und Claude-Michel Schönberg verfasst. Das Musical basiert auf der französischen Novelle „Madame Chrysanthemum“ von Pierre Lotis. Das Duo Boublin und Schönberg ist zudem für den Musical-Klassiker „Les Miserables“ bekannt. Seit der Weltpremiere 1989 zählt „Miss Saigon“ zu einem der erfolgreichsten Produktionen des Genres. Ins Deutsche wurde das Musical von Michael Kunze übersetzt.
Komponist Schönberg, übrigens ein entfernter Verwandter von Arnold Schönberg, reiste im November des Vorjahres zu den Proben nach Wien. „Ich bin völlig paranoid. Wie alle Komponisten. Das ist wie bei einem Buch. Das kann man auf eintausend verschiedene Arten lesen. Wenn ich aber der Autor bin, will ich, dass es jeder so liest, wie ich es gemeint habe. Das ist bei einer Partitur genauso“, erklärt gegenüber der APA. “Wenn ich einmal tot bin, können sie machen, was sie wollen“, lacht der 77-jährige Franzose.