Palais Coburg in Wien
AFP/Alex Halada
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Chronik

Ex-Geiseln in Wien in Hungerstreik

Der US-Amerikaner Barry Rosen protestiert am Ort der Atomverhandlungen im Palais Coburg mit einem Hungerstreik gegen Willkürhaft im Iran. Das berichten „Presse“ (Samstagausgabe) und „ZiB2“. Rosen, selbst Ex-Geisel im Iran, protestiert nicht mehr allein.

Seit Mittwoch befindet sich der 77-jährige Amerikaner den Angaben zufolge im Hungerstreik. Es dürfe keinen Deal mit dem Iran geben, solang das Regime in Teheran nicht alle Doppelstaatsbürger und Ausländer freilasse, die es unter fadenscheinigen Gründen als Unterpfand für Tauschgeschäfte festhalte, forderte Barry Rosen gegenüber der „Presse“.

Rosen war selbst einmal Geisel im Iran, vom 4. November 1979 bis zum 20. Jänner 1981. Der ehemalige Presseattaché zählte zu den 52 Amerikanern, die nach der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 444 Tage lang in Gefangenschaft waren. Rosen ist noch heute traumatisiert von den Scheinhinrichtungen, den Schlägen, den Erniedrigungen und der Angst sowie der Trennung von seiner Familie.

„Meine persönliche Geschichte zwingt mich dazu, gegenüber dem Iran zu sagen: Keine Geiseldiplomatie mehr, das muss vorbei sein“, ergänzte er im Interview mit der „ZiB2“ des ORF am Freitagabend. Die USA und die europäischen Staaten forderte er dazu auf, den Druck auf den Iran zu erhöhen. Fast gleichzeitig trat Nizar Zakka in den Hungerstreik. Der US-Libanese war 2015 wegen angeblicher Spionage im Iran festgenommen worden und kam nach fast vier Jahren frei.

Österreicher sitzt in iranischem Gefängnis

Seit drei Jahren sitzt ein Austro-Iraner im berüchtigten Evin Gefängnis im Iran. Ihm wird Spionage vorgeworfen. Seine Töchter sprechen von falschen Vorwürfen und einem Scheinprozess. Denn seit drei Jahren gibt es in dem Fall keine Bewegung.

Wiener IT-Manager seit Jahren gefangen

In Gefangenschaft sind im Iran derzeit auch zwei Österreicher. Harika Ghaderi wartet seit sechs Jahren mit ihren drei Kindern in Wien auf die Rückkehr ihres Mannes, Kamran Ghaderi (58). Am 2. Jänner 2016 war der österreichisch-iranische IT-Manager auf dem Flughafen in Teheran verhaftet worden. Nach zwei erzwungenen „Geständnissen“ verurteilte ihn ein Gericht wegen angeblicher Spionage zu zehn Jahren Haft.

Harika Ghaderi redet einmal pro Tag mit ihrem Mann. Er darf nicht ins Ausland telefonieren, aber seine Mutter im Iran anrufen. Und in diese Gespräche klinkt sie sich per WhatsApp und Lautsprecher ein. Vor ein paar Wochen hat ihn das Coronavirus erwischt, wahrscheinlich schon zum zweiten Mal. Im Vorjahr führten die iranischen Behörden erst lang nach den Fieberschüben PCR-Tests durch.

Außenamt beteuert laufenden Einsatz

Kamran Ghaderi sitzt im Teheraner Evin-Gefängnis in einer Gemeinschaftszelle mit Massoud Mossaheb, dem Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft, und anderen Ausländern. Die Belegung variiert zwischen zwölf und 16 Personen.

Mossaheb (75) ist schwer krank. Seit 1980 ist er österreichischer Staatsbürger, war einst technischer Leiter der österreichischen Raumfahrtmission Austromir und darbt seit drei Jahren im Evin-Gefängnis. Auch ihn hat ein Gericht nach einem unter Folter erzwungenen „Geständnis“ zu zehn Jahren Haft wegen angeblicher Spionage verurteilt.

Das Außenamt in Wien beteuert, sich laufend auf allen Kanälen für die beiden im Iran inhaftierten österreichisch-iranischen Doppelstaatsbürger einzusetzen, für bessere Haftbedingungen und medizinische Betreuung, für deren Freilassung aus humanitären Gründen. Doch Ghaderi und Mossaheb sind noch immer im Gefängnis, von einer diplomatischen Verstimmung ist wegen der beiden Fälle nichts zu bemerken.

Kritik an Österreichs Regierung

„Die österreichische Regierung ist sehr lax“, sagt Rosen nach einem Treffen mit der Tochter Mossahebs und der Frau Ghaderis in Wien. Er will seinen Hungerstreik fortsetzen. Sein Zimmer im Hotel Coburg ist noch länger gebucht. Rosen wird von „Hostage Aid Worldwide“ und „United Against a Nuclear Iran“ unterstützt, Ärzte betreuen ihn. „Wir müssen die Geiseln herausholen. Alle“, fordert er in der „Presse“.

„Was wir nur jetzt sehen, ist, dass die stille Diplomatie, wie auch immer sie geführt wird, zu nichts geführt hat“, sagte Mossahebs Tochter Fanak Mani der „ZiB2“. Gemeinsam mit ihrer Schwester Mossaheb Nilufar machte sie auf den schlechten Gesundheitszustand des 75-Jährigen aufmerksam. Er leide „massiv an Nachwirkungen“ einer Covid-19-Erkrankung vor gut einem Jahr, sagte Nilufar.

Iran setzt Gefangene als Druckmittel ein

Wie andere autoritäre Regime setzt auch der Iran Gefangene als Druckmittel ein. Experten vermuten einen Zusammenhang mit dem Fall des iranischen Spitzendiplomaten Assadollah A., der im vergangen Mai in einem belgischen Terrorprozess zu 20 Jahren Haft verurteilt worden war. Der in Wien stationierte Diplomat soll einen Anschlag auf iranische Oppositionelle geplant haben.

Iran-Experte Guido Steinberg wies im Vorfeld des Urteils darauf hin, dass dieses Folgen für die im Iran inhaftierten Österreicher haben könnte. Teheran könnte versuchen, den Diplomaten mit einem „Gefangenenaustausch“ freizupressen, so Steinberg im APA-Interview. Er illustrierte das Vorgehen des Regimes mit einem Fall in Thailand, wo zwei iranische Geheimdienstmitarbeiter aufgeflogen seien. Diese habe das Regime im Austausch für eine iranisch-australische Mitarbeiterin freibekommen. „So läuft es immer ab“, sagte er.