Pfleger im Krankenhaus
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Gesundheit

Weniger Patientenverfügungen in Pandemie

Wer im Krankenhaus nicht künstlich beatmet werden will oder auf andere Behandlungen verzichten möchte, kann dies in Form einer Patientenverfügung festschreiben. Die Erfahrungen in der Pandemie zeigen unterdessen: Die Zahl der Verfügungen nahm ab.

Im Krankenhaus an Apparate und Schläuche angeschlossen zu sein, dahinvegetierend, ohne Chance wieder ins normale Leben zurückzufinden: Dieser Gedanke ist der häufigste Grund dafür, dass Menschen von der Möglichkeit einer Patientenverfügung Gebrauch machen. Letztlich geht es um Selbstbestimmung beziehungsweise um einen Zustand, den man als nicht mehr lebenswert erachtet – und den man aktiv per schriftlicher Willensäußerung verhindern möchte.

Frist wurde angehoben

Angesichts der in den Medien allgegenwärtigen Bilder von Intensivstationen und intubierten Patientinnen und Patienten könnte man annehmen, dass dieses Thema nun mehr ins Bewusstsein der Menschen gerückt ist, die Zahl der Verfügungen also entsprechend gestiegen sein sollte. Doch das Gegenteil ist der Fall: Laut dem letzten Tätigkeitsbericht der Wiener Patientenanwaltschaft wurden 2020 450 verbindliche Patientenverfügungen errichtet, im Jahr zuvor waren es noch 498 gewesen.

Der Rückgang dürfte damit zu tun haben, dass die Frist für Erneuerungen von Patientenverfügungen von fünf auf acht Jahre angehoben wurde. Ebenso eine Rolle dürfte auch die Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus spielen. Jedenfalls ist auch die Zahl der persönlichen Vorsprachen bei Referentinnen von 2019 auf 2020 deutlich gesunken.

Verunsicherte Patienten

Was man seitens der Wiener Patientenanwaltschaft noch festgestellt hat: Die Pandemie hat offenbar bei vielen zu Verunsicherung geführt. So gab es zahlreiche Anfragen, ob sie wegen Corona ihre Verfügung widerrufen sollten.

Das scheint ein Widerspruch zu sein – ist aber bei genauerer Betrachtung keiner: Wenn beispielsweise eine Patientin im Fall unheilbarer Krankheit und/oder einem hoffnungslosen Gesundheitszustand nicht künstlich beatmet werden will, kann sie das per schriftlicher Verfügung auch verhindern. Doch bei schweren Covid-19-Erkrankungen ist die Beatmung oftmals Voraussetzung dafür, dass es überhaupt zur Heilung kommen kann. Daher ist es nachvollziehbar, dass viele Patienten und Patientinnen in ihren Verfügungen diese Unterscheidung treffen wollen. Ganz allgemein gilt: Je präziser die Verfügung formuliert ist, desto besser. Im Folgenden die wichtigsten Schritte für die Erstellung einer Patientenverfügung.

Warum eigentlich? Oft wenden sich Menschen an die Patientenanwaltschaft, weil sie beobachtet haben, dass Freunde oder Verwandte unnötig lange bzw. unter qualvollen Umständen im Krankenhaus auf ihren Tod warten mussten. Das lässt sich (für einen selbst) verhindern, indem man gewisse Behandlungen von Vornherein ablehnt. Häufig machen diesen Schritt auch Menschen, die sich im frühen Stadium einer unheilbaren Krankheit befinden.

Was möchte ich vermeiden? Das ist die Grundfrage, die jeder und jede für sich vorab beantworten muss. Als medizinische Hilfe, die man per Verfügung ablehnt, werden häufig künstliche Ernährung durch eine Magensonde oder künstliche Lungenventilation genannt. In Beratungsgesprächen fallen auch häufig Sätze wie: „Ich möchte nicht ein Jahr im Wachkoma liegen, bevor ich sterbe“ – ein nachvollziehbares Motiv, aber zu unpräzise formuliert für eine Verfügung. Daher sind fachliche Beratungen so wichtig (s.u.).

Wünsche möglich? Gegenstand der Patientenverfügung ist an sich nur die Ablehnung von bestimmten Behandlungen. Darin auch positive Wünsche zu formulieren, ist dennoch empfehlenswert. Häufig genannt wird etwa der Wunsch, am Lebensende in eine Palliativstation überstellt zu werden oder zu Hause sterben zu wollen.

Wo errichtet, wer berät? Grundsätzlich kann die Patientenverfügung an drei Stellen errichtet werden, dort findet im Übrigen auch die rechtliche Beratung statt: beim Notar, beim Rechtsanwalt sowie bei der Patientenanwaltschaft. Verpflichtend ist auch eine medizinische Beratung. Arzt und Ärztin klären auf, welche medizinischen Behandlungen für die Patientenverfügung in Frage kommen und welche Konsequenzen deren Ablehnung haben kann.

Wann wirksam? Eine Patientenverfügung ist erst dann bindend, wenn die Betroffenen nicht mehr bei Bewusstsein sind oder sich nicht mehr klar artikulieren können. Man kann den Inhalt der Verfügung jederzeit mündlich widerrufen, auch im Krankenhaus. Und man kann medizinische Behandlungen ebenso mündlich ablehnen, unabhängig davon, ob eine Patientenverfügung errichtet wurde oder nicht.

Wer nimmt davon Kenntnis? Die Patientenverfügungen können in die Register der Rechtsanwalts- und Notariatskammer eingetragen werden. Ärzte und Ärztinnen sind allerdings nicht dazu verpflichtet, diese abzufragen. Daher empfiehlt es sich, eine Hinweiskarte bei sich zu führen, üblicherweise in der Brieftasche. Darauf steht: Ich habe eine Patientenverfügung, diese befindet sich bei … bitte diese zu kontaktieren.

Wie lange gültig? Laut der letzten Novelle 2019 sind Patientenverfügungen nun acht Jahre gültig, dann müssen sie erneuert werden. Die juristische Beratung entfällt im Fall der Erneuerung, das Aufklärungsgespräch beim Arzt ist weiterhin notwendig.

Nicht zu verwechseln ist die Patientenverfügung übrigens mit der Sterbeverfügung: Bei ersterer geht es um den Fall, dass sich Patienten nicht mehr klar artikulieren können und sich somit die Frage stellt: Wie weitermachen mit der Behandlung? Bei der Sterbeverfügung ist es in gewisser Hinsicht genau ungekehrt: Es geht um den assistierten Suizid bzw. die Sterbehilfe – und für diese ist der Wille der Patienten bei klarem Bewusstsein notwendig.