Polizei bei der Räumung des Protestcamps von Umweltschützern auf der geplanten Baustelle der Wiener Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag, 1. Februar 2022
APA/Tobias Steinmaurer
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Verkehr

Stadtstraße: Stadt verzichtet auf Klagen

Jenen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich gegen den Bau der Stadtstraße in der Donaustadt engagiert haben, werden keine Klagen der Stadt Wien ins Haus flattern. Das versicherte die Stadt am Dienstag.

Die Umweltschützer sahen sich mit möglichen Schadenersatzforderungen konfrontiert. Schreiben, in denen diese zumindest in den Raum gestellt wurden, hatten für großes Aufsehen gesorgt. Die Stadt drängte die vorwiegend jungen Aktivisten, die gegen den Bau der Verbindung zwischen der Seestadt und der Südosttangente protestierten, wiederholt, ihr Lager abzubrechen.

Aufregung im Dezember

In einem Schreiben wurde im vergangenen Dezember auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Schadenersatzforderungen drohen könnten, falls man das Areal nicht freigibt. Immerhin würden durch die Besetzung auch Kosten entstehen, da etwa die Baufirmen, die dort bereits aufgefahren sind, nicht tätig sein könnten, wurde argumentiert.

Zelte in Protestcamp gegen Stadtstraße und Lobautunnel
APA/Herbert Pfarrhofer
Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Protestcamps wurde im Dezember ein Schreiben einer Anwaltsfirma zugestellt

In dem anwaltlichen Schreiben wurde erläutert, dass das Projekt „im Rahmen eines Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahrens (UVP-Verfahren) bis hin zu den Höchstgerichten unter Einbindung zahlreicher Umweltorganisationen und dahingehend engagierter Menschen umfassend kritisch“ geprüft worden sei. Die Stadtstraße sei für eine vorausschauend geplante und geordnete Stadtentwicklung im Nordosten Wiens unerlässlich, hieß es weiter – wobei vor allem auf die geplanten Wohnprojekte verwiesen wurde.

Briefe auch an Jugendliche

Dass auch Kinder und Jugendliche das Schreiben erhielten, sorgte für Unmut. Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) sagte wenig später, dass das nicht geplant gewesen sei. Mit Anwaltspost wurden aber auch zwei Verkehrsexperten der Technischen Universität Wien, Barbara Laa und Ulrich Leth, bedacht. Sie gehören zu den Kritikern des Projekts, waren aber selbst nicht an der Besetzung beteiligt.

Die von der Stadt gewünschte freiwillige Aufgabe des Camps fand nicht statt. Stattdessen vollzog Anfang Februar die Polizei die angedrohte Räumung. Von rechtlichen Schritten wolle man nun trotzdem absehen, wie der Leiter der Straßenbauabteilung, MA 28, Thomas Keller, gegenüber der APA beteuerte: „Die Stadt Wien hatte nie das Interesse, jemanden zu verklagen.“ Das Ziel sei es, das Projekt Stadtstraße umzusetzen.

Protestcamp Räumung
APA/Tobias Steinmaurer
Anfang Februar wurde eines der Protestcamps geräumt

MA 28: Schreiben nur zur Information

Bei dem besagten Schreiben habe es sich um ein Informationsschreiben gehandelt, in dem die Besetzerinnen und Besetzer über mögliche rechtliche Konsequenzen ihres Handelns informiert worden seien: „Aktuell versucht die MA 28, die durch die Besetzung verlorenen fünf Monate aufzuholen, die Bauarbeiten laufen derzeit nach Plan.“ Die Stadt sei bemüht, die 3,2 Kilometer lange Gemeindestraße wie geplant zeitgerecht umzusetzen, so Keller.

Der Sprecher der Umweltorganisation VIRUS, Wolfgang Rehm, nahm die Ankündigung der Stadt „als späten, aber richtigen Schritt zur Kenntnis“. Er führte die fünfmonatige Bauverzögerung aber auf andere Ursachen zurück: „Wesentliche Arbeiten wurden erst jetzt vergeben, deshalb war und ist es unzulässig, entstandene Bauverzögerungen nicht den das Projekt durchgehend begleitenden Planungsmängeln, sondern Protestversammlungen anzulasten.“

Wissenschaftskritik erneuert

Wissenschaftler des Forums Wissenschaft & Umwelt (FWU) hatten am Montag erneut den geplanten Bau der Stadtstraße kritisiert. „Eine Stadtentwicklungspolitik, die auf Autobahnen und vierspurige Autostraßen angewiesen ist, ist weder zukunftsfähig noch klimaverträglich“, sagte Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher bei einer Pressekonferenz. Vielmehr sollten sämtliche Straßenprojekte auf Umweltverträglichkeit und soziale Auswirkungen überprüft werden.