Vienna Tschick Challenge
Jonas von Einem (Tierschutz Austria)
Jonas von Einem (Tierschutz Austria)
Klima

Zigarettenstummel vergiften Boden

Rund 868 Millionen Zigarettenstummel landen in Wien im Jahr nicht in Aschenbechern, sondern auf Straßen, in Kanälen oder Grünflächen. Die negativen Folgen sind weitgehend unbekannt, aber drastisch. Darauf macht nun die „Vienna Tschick Challenge“ aufmerksam.

Eigentlich begann es mit dem Vorschlag eines Schülers des Schulzentrums Herchenhahngasse, als Corona-Alternativprogramm Zigarettenstummel einzusammeln und fachgerecht zu entsorgen. Mittlerweile ist daraus eine Bewegung geworden, die nach eigenen Angaben aufklären und breite Massen dafür sensibilisieren will, wie schädlich Zigarettenmüll für Mensch, Tier und Umwelt ist.

Zigarettenstummel als gefährlicher Sondermüll

Die "Vienna Tschick Challenge“, eine Initiative des Tierschutz Austria in Kooperation mit Pädagoginnen und Schülern des Schulzentrums Herchenhahngasse, beruft sich auf Angaben der Stadt Wien und veröffentlichten Zahlen, die aus parlamentarischen Anträgen, Untersuchungen und Studien stammen. Demnach werden in Wien pro Jahr rund 868 Millionen Zigaretten achtlos weggeworfen. Nur 130 Millionen landen in dafür vorgesehenen Behältern.

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Vienna Tschick Challenge
Jonas von Einem (Tierschutz Austria)
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Vienna Tschick Challenge
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Vienna Tschick Challenge
Jonas von Einem (Tierschutz Austria)

Allein bei einem einzigen eineinhalbstündigen Sammelausflug einer sechsköpfigen Klasse zum Bahnhof Leopoldau wurden 5.047 Zigarettenstummel aufgelesen. Laut einer Studie finden sich in Berlin in der Umgebung von Bahnhöfen rund 50 Stummel pro Quadratmeter. Vor allem in Städten ist die Belastung durch Zigarettenstummel enorm. Sie zählen zur größten Verschmutzung auf Straßen, Gehsteigen und öffentlichen Plätzen. Das Problem daran wird deutlich, wenn man weiß, dass die EU Zigarettenstummel als Sondermüll einstuft.

Arsen, Dioxin und Nikotin einfach weggeworfen

Neben Inhaltsstoffen wie Blausäure, Arsen und Dioxin listen Untersuchungen zahlreiche chemische Inhaltsstoffe auf, die für Mensch und Umwelt giftig sind. Mindestens 50 Stoffe sind für Menschen nachweislich krebserregend. Diese Stoffe werden durch Regen, Schneeschmelze oder bei Entsorgung in Gewässer freigesetzt. Werden Zigarettenstummel zusammen mit Grünzeug von der Straßenreinigung aufgefegt, kann beides in Kompostieranlagen landen, woraus Erde entsteht, die auch in vielen Gemüse- und Kräutergärten verteilt wird.

Neben Schwermetallen und giftigen organischen Stoffen spielt vor allem Nikotin eine große Rolle. Nikotin ist ein Nervengift, das von Pflanzen als natürliches Pestizid produziert wird. Seit dem 15. Jahrhundert wurde es als Insektizid eingesetzt. Wegen seiner gefährlichen Toxizität für Wasserorganismen haben sich die USA, Kanada und Europa mittlerweile zwar darauf geeinigt, auf den Nikotineinsatz als Pestizid zu verzichten, dennoch wird es nach wie vor weltweit im Grund- und Trinkwasser und sogar in abgefülltem Mineralwasser nachgewiesen.

Zigarettenstummel auf Gehsteig
APA/dpa/Patrick Seeger
Schädliche Stoffe in konzentrierter Form, millionenfach auf Wiener Boden geworfen

Studien würden demnach zeigen, dass bereits ein einzelner Zigarettenstummel pro 1.000 Liter Wasser ausreicht, um merklichen Schaden bei Muscheln, Schnecken und anderen kleinen Wasserlebewesen anzurichten. Tiere wie z.B. Vögel und Hunde können Zigarettenstummel mit Nahrung verwechseln und fressen, was zu Vergiftungen und Tod führen kann. Auch für Kleinkinder stellen unachtsam weggeworfene Zigaretten eine Gefahr da. Besonders gefährlich für Tiere und Kinder ist das in den Zigaretten enthaltene Nikotin, das beim Essen der Zigaretten zu Vergiftungen führen kann.

Verschiedene Lösungsansätze in Wien

Wien versucht unter anderem mit Plakat-Kampagnen, das Entstehen dieses Sondermülls zu verringern. Rund 21.600 Mülleimer mit Aschenrohren und rund 2.100 freistehende Aschenbecher werden für eine ordnungsgemäße Zigaretten-Entsorgung angeboten. Waste-Watcher sollen zudem das seit 2008 geltende Wiener Reinhaltegesetz durchsetzen, durch das die Verunreinigung öffentlichen Raums etwa durch Hundekot oder eben Zigarettenstummel eindeutig verboten wird.

Doch das gesellschaftliche Bewusstsein ist, anders als bei Hundekot, immer noch zu klein und die Verschmutzung der Stadt mit Zigarettenstummeln nach wie vor enorm. Das zeigt auch eine Umfrage, wonach fast drei Viertel der rauchenden Österreicherinnen und Österreicher angaben, Zigarettenstummel schon einmal gedankenlos am Straßenrand, in einem Gully oder mitten in der Natur weggeworfen zu haben – Bewusstsein, das durch die „Vienna Tschick Challenge“ geschärft werden soll.