POLITIK

Bangen und Hoffen bei Ukrainern in Wien

Auslands-Ukrainer in Wien verfolgen die Entwicklungen in ihrer Heimat mit Bangen und Hoffen. Wirtschaftlich wird auch auch in Wien ein höherer Gaspreis befürchtet, da Russland der mit Abstand wichtigste Gaslieferant ist.

In der St.-Barbara-Kirche in der Wiener Innenstadt, der religiösen Heimat für viele Auslands-Ukrainer, wird für den Frieden gebetet. Rund 10.000 leben in Wien, schätzt Taras Chagala, Zentralpfarrer der Griechisch-Katholischen Pfarre, gegenüber „Wien heute“: „Ich sehe oft, dass die Angst der Ukrainer in Österreich vielleicht sogar größer ist als die Angst der Ukrainer in der Heimat selbst. Anscheinend haben sich dort die Ukrainer in den vergangenen Jahren schon an die Gefahr gewöhnt.“

Hier herrscht noch Hoffnung, dass es nicht zu einem großen Krieg kommt, auch wenn der Hoffnungsschimmer klein ist. Die ukrainische Gemeinde in Wien berät, wie sie bei der Versorgung von Flüchtlingen helfen könnte. Denn erste Fluchtbewegungen gibt es bereits. „In den letzten zwei Wochen haben viele ihre Kinder und Mütter nach Wien geschickt, damit sie im Falle eines Krieges in einer sicheren Stadt sind. Ihre Männer bleiben in der Ukraine“, so Chagala.

Ukrainer in Wien in Sorge

Von Wien aus liegt die ukrainische Grenze nur 427 Kilometer Luftlinie entfernt. Richtung Westen wäre man von der Stadt aus bei dieser Entfernung noch in Tirol. Die ukrainische Gemeinde in Wien ist in Sorge.

Gaspreis wird weiter steigen

Rund 80 Prozent des Gasverbrauchs in Österreich wird aus russischen Importen gedeckt. Wien hat dabei als einzige Millionenstadt eine Sonderrolle, denn hier werden derzeit noch rund 49 Prozent aller Haushalte mit Gas geheizt. „Wir sind wie ganz Europa abhängig vom russischen Gas, das müssen wir uns eingestehen“, so Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) in „Wien heute“, „das bedeutet aber nicht, dass man in den nächsten Wochen oder Monaten,Sorge haben muss, nicht versorgt zu werden.“

Vorerst droht kein Lieferstopp aus Russland, Russlands Präsident Wladimir Putin hat laut Nachrichtenagentur Tass zugesagt, die Gaslieferungen an die Weltmärkte ohne Unterbrechung fortzusetzen. Zudem gibt es andere globale Anbieter, die zumindest zum Teil einspringen.

Der ohnehin bereits hohe Gaspreis wird aber weiter steigen. „Allein deshalb, weil die Energieversorger bemüht sein müssen, über den Sommer Gas einzuspeichern und damit über den Sommer auch einen sehr hohen Absatz generieren werden“, begründete Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur. Der Preis wird zwei bis drei Jahre hoch bleiben.

Wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland

Die aktuelle Situation in der Ukraine verursacht auch wirtschaftliche Probleme – auch in Wien. Russland und die Ukraine sind wichtige Handelspartner von Wiener Unternehmen.

„Nord Stream 2“ auf Eis: OMV gelassen

Der an der Finanzierung der Gaspipeline „Nord Stream 2“ beteiligte heimische Öl- und Gaskonzern OMV sieht trotz des angekündigten Stopps für die Röhre keinen Abschreibungsbedarf. „Wir sehen dafür derzeit keinen Grund“, sagte ein Unternehmenssprecher am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters.

Die teilstaatliche OMV ist ebenso wie Shell, Engie, Uniper und Wintershall Dea Finanzinvestor der umstrittenen Ostsee-Pipeline. Früheren Angaben zufolge hat die OMV rund 730 Mio. Euro der rund neun Mrd. Euro teure Leitung finanziert. Konzernchef Alfred Stern sagte kürzlich, dass die OMV bereits im vergangenen Jahr erste Rückzahlungen ihres Kredites erhalten habe.

Details zum Finanzierungsvertrag mit dem Pipeline-Eigentümer Gazprom will die OMV allerdings nicht nennen. Die Aussagen des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, wonach als Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ukraine die Inbetriebnahme der Röhre auf Eis gelegt werde, wollte der Sprecher nicht kommentieren. Die OMV hatte als erstes westliches Unternehmen mit Russland einen Gasliefervertrag abgeschlossen. Zuletzt wurde der Vertrag mit dem russischen Gasmonopolisten Gazprom bis 2040 verlängert. Die Gasversorgung läuft laut OMV derzeit wie gewohnt und vertragskonform.

Mehr als 485 Millionen Euro durch Exporte nach Russland

Laut Wiener Wirtschaftskammer sind im Jahr 2020 Waren im Wert von 485.269.135 Euro nach Russland geliefert worden, in die Ukraine waren es Produkte im Wert von 123.014.911 Euro. Mit diesen Millioneneinnahmen ist Russland auf Platz elf der wichtigsten Exportländer de Wiener Wirtschaft, die Ukraine liegt auf Rang 29.

In der Rangliste der wichtigsten Importländer der Wiener Wirtschaft ist Russland sechster, die Ukraine auf Platz 47. Zudem haben viele Wiener Unternehmen Niederlassungen in einem der beiden Länder. Welche Auswirkungen Sanktionen gegen Russland haben werden ist derzeit noch nicht zu sagen.

Österreichische Banken in Russland

Österreichische Banken sind in Russland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stark engagiert, besonders die Raiffeisen Bank International (RBI). Laut Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) lag das Gesamtexposure heimischer Banken gegenüber Russland – mit Stand Ende September 2021 – bei 17,5 Mrd. US-Dollar (15,4 Mrd. Euro). Im internationalen Vergleich ist das viel. Noch höhere Kreditforderungen in Russland haben nur Italien (25,3 Mrd. Dollar) und Frankreich (25,2 Mrd. Dollar).

Welcher Schaden den Banken aus Sanktionen gegen das russische Finanzsystem entstehen würde, ist unklar und auch von der jeweiligen Maßnahmen abhängig. Ansätze gibt es bereits unterschiedliche. So hat die EU-Kommission vorgeschlagen, den Handel mit russischen Staatsanleihen zu verbieten, um eine Refinanzierung des russischen Staats zu erschweren. Großbritannien hat indessen fünf russische Banken sowie drei wohlhabende russische Staatsbürger mit gezielten Sanktionen belegt. Deren Vermögen in Großbritannien werde eingefroren und Reisen nach Großbritannien unterbunden.

Die wohl härteste Sanktion wäre aber ein Ausschluss Russlands vom internationalen Zahlungssystem Swift. Die russischen Institute wären dann von internationalen Geldströmen mehr oder weniger ausgeschlossen. Das würde nicht nur den internationalen Geldtransfer, sondern auch den Handel massiv belasten, da Firmen dann nicht mehr in der Lage sind, Importe zu bezahlen oder Einnahmen für Exporte zu verbuchen. Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), sah dies am Dienstag als die „härteste Waffe, die wir haben.“