Franz Schuh sitzend
APA/Georg Hochmuth
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Kultur

„Gebrauchsphilosoph“ Franz Schuh wird 75

Der Wiener Philosoph, Essayist und Literaturkritiker Franz Schuh feiert heute seinen 75. Geburtstag. Im Mai bekommt er den Bruno-Kreisky-Preis für sein publizistisches Gesamtwerk.

„75 ist fast so viel, dass man beinahe nicht mehr da ist", meint Franz Schuh. Doch der Wiener Kulturpublizist ist noch sehr da. „ Bin bald siebzig, und es genügt mir, heute oder morgen nicht auf der Strecke zu bleiben“, hatte Schuh vor fünf Jahren in seinem Buch „Fortuna“ festgehalten. „Lachen und Sterben“ hieß dagegen das vor einem Jahr erschienene bisher letzte Buch von ihm, in dem er davon berichtete, dass bei seiner Einlieferung ins Spital der diensthabende Arzt ihm wenig Überlebenschance gegeben habe.

„Der Freundin teilte er mit, dass mein Tod wahrscheinlich wäre, und er fügte hinzu: ‚Er hat sich ja immer für den Tod interessiert.‘ Ja, das stimmt, und auch der Tod hat sich für mich interessiert“, so Schuh im Eingangs-Essay seines Buches. Heute lässt er der APA wissen: „Gesundheitlich bin ich ziemlich angeschlagen, aber wider alle Erwartungen kann ich mit einiger Hilfe ein fast normales Leben führen.“

„Gott sei uns gnädig“

Nach (oder: mitten in) der Coronakrise kam der Ukraine-Krieg. „Privat bin ich vor den Kopf geschlagen, entsetzt über das Elend, das Tyrannen über die Menschen bringen können. Als öffentliche Person empfehle ich mir als Haltung Zurückhaltung“, lautet sein Kurz-Kommentar zur aktuellen Lage. „Die Menschen in der Ukraine brauchen keine Kommentare, sondern Hilfe. Kommentare, Informationen sind auch eine Ware, was sich nicht immer mit der ausgestellten, echten oder simulierten ‚Betroffenheit‘ verträgt. Aber schon die Pandemie hat eine radikale Veränderung gebracht: ‚Wir‘ waren einst Zuschauer in der Schönen Neuen Fernsehwelt, jetzt sind auch wir dran. Gott sei uns gnädig.“

Franz Schuh sitzend auf seinem Sofa
APA/Georg Hochmuth
Viel gewürdigt wird und wurde Kulturpublizist Franz Schuh

Gefragter Redner

Franz Schuh wurde am 15. März 1947 geboren. Er studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik, war Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung (1976-80), Redakteur der Zeitschrift „Wespennest“ und Programmleiter im Deuticke Verlag. Essays, Beiträge und Kritiken erscheinen im Rundfunk und in Zeitungen und Zeitschriften im In- und Ausland, er hatte und hat Lehraufträge an der Universität Klagenfurt, am Mozarteum Salzburg und an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Schuh ist ein gefragter Redner und war auch der erste, der im Jahr 2000 zur Eröffnung der „Tage der deutschsprachigen Literatur“ eine „Klagenfurter Rede zur Literatur“ gehalten hat.

Seine Publikationen umfassen u.a. „Das Widersätzliche der Literatur. Kritische Kritiken“ (1981), „Fremdenverkehr. Kritische Texte über den Tourismus“ (Hg., 1984), „Liebe, Macht und Heiterkeit. Essays“ (1985), „Das phantasierte Exil. Essays“ (1991), den Roman „Der Stadtrat. Eine Idylle“ (1995) sowie die Essaybände „Schreibkräfte. Über Literatur, Glück und Unglück“ (2000), „Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche“ (2006) und „Der Krückenkaktus“ (2011).

2007 veröffentlichte er „Hilfe!“, einen „Versuch zur Güte“, 2008 unter dem Titel „Memoiren“ „ein Interview gegen mich selbst“, 2014 mit „Sämtliche Leidenschaften“ einen Roman, dem er 2017 „Fortuna“ und 2021 „Lachen und Sterben“ folgen ließ. Darin war der Essayist auch als Dramatiker und Lyriker zu entdecken

Vielfach ausgezeichnet

Als Schreibender und als Radiophilosoph für Ö1 ist Schuh einer der bekanntesten und wohl auch am meisten ausgezeichneten Kulturpublizisten Österreichs: Er hat u.a. den Staatspreis für Kulturpublizistik (1985), den Preis der Stadt Wien für Publizistik (1987), den Jean-Amery-Preis (2000), den Medienpreis Davos (2006), den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik (2009), den Tractatus-Essaypreis (2009) und 2011 den Österreichischen Kunstpreis erhalten.

„Mit großer Geschicklichkeit verbindet Franz Schuh Privates und Ästhetisches“, rühmte ihn Hubert Christian Ehalt 2009 bei der Verleihung des Goldenen Verdienstzeichen der Stadt Wien. Als „Gebrauchsphilosoph“ trage er dazu bei, „die Dinge in der notwendigen Schwebe zu halten“.

Schuh als „Stachel des intellektuellen Widerstands“

Schuh habe „in seinem langjährigen, mit gleichbleibender Insistenz vorgetragenen Oeuvre vorbildlich die Rolle eines mit Klugheit, geistigem Furor und schriftstellerischer Brillanz gesegneten Kommentators der Zeit versehen“, lobte die „Tractatus“-Jury, und als ihm 2017 der Paul Watzlawick-Ehrenring der Wiener Ärztekammer zuerkannt wurde, nannte die Jury seine Essays und Beobachtungen einen „wesentlichen Stachel des intellektuellen Widerstands“: „Franz Schuh ist eine wichtige Stimme in Zeiten, da Kommunikation, Medienverfälschung und Sprache nicht mehr differenziert eingesetzt werden und Demokratie gefährdet scheint.“

Für die Kreisky-Preis-Jury schließlich ist er einer der „pointiertesten und hintergründigsten Essayisten dieser Republik“, dessen Schreiben stets „von einer Gesinnung des Humanismus, der Toleranz, der Weltoffenheit und der Selbstironie“ getragen sei.