Zivilgericht Wien
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Chronik

Klage gegen Republik nach Anschlag: Prozess offen

Nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt verklagt nun eine zweite Opferfamilie die Republik. Am Mittwoch gab es dazu einen ersten Termin am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen. Ob es auch zu einem Gerichtsprozess kommt, ist aber noch offen.

Die Richterin sah es bei der Verhandlung am Mittwoch als fraglich an, ob die Ansprüche der Kläger auf zivilrechtlichem Weg behandelt werden können. Vor einer etwaigen Prozess-Aufnahme soll dies nun noch einmal genauer erörtert werden.

Auch für den Vertreter der Republik, Martin Tatschner, ist ungewiss, ob ein Zivilprozess überhaupt der rechtlich korrekte Weg für eine derartige Schmerzensgeldforderung ist. Er riet den Betroffenen zudem, zuerst die Entscheidung über Zahlungen aus dem Terroropferfonds abzuwarten – dieser behördlich Weg sei zwar „leider langsam“, aber jedenfalls schneller als der angestrengte Prozess.

Terror: Weitere Klage von Hinterbliebenen

Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag 2020 in Wien wird am Mittwoch eine weitere Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich verhandelt. Geklagt haben die Eltern und der Bruder eines getöteten 21-Jährigen. Sie kritisieren behördliche Versäumnisse.

Knapp 130.000 Euro gefordert

Geklagt haben die Eltern und der Bruder eines beim Anschlag getöteten 21-Jährigen. Die Familie ist überzeugt, dass der Anschlag verhindert hätte werden können, hätte es im Vorfeld nicht behördliche Versäumnisse gegeben. Die Familie beruft sich dabei auf die Erkenntnisse der Zerbes-Kommission und fordert nun vom Staat knapp 130.000 Euro. Die Klage beinhaltetet auch das Feststellungsbegehren, dass die Republik für zukünftige Folgeschäden haftet. Die Eltern des Getöteten sind derzeit psychisch massiv beeinträchtigt und nicht arbeitsfähig.

„Wir erwarten uns, dass festgestellt wird, dass hier ein Verschulden vorliegt und dass ihnen dann der Schadenersatz zugesprochen wird und die Begräbniskosten – sodass sie dann in weiterer Folge ihre Auslagen decken können“, sagte Anwalt Burger gegenüber „Wien heute“. Bisher erhielt die Familie insgesamt 10.500 Euro aufgrund des Verbrechensopfergesetzes und für Begräbniskosten, welche dadurch aber nicht zur Gänze gedeckt wurden.

Ärger über Politik

An Trauerschmerzensgeld wurden erst nach Einbringung der Klage 10.000 Euro pro Person angeboten. Allerdings heiße es in einem Schreiben dazu, dass der Betrag noch geprüft werde – es könne also sein, dass er zurückgezahlt werden müsse.

Nach der Verhandlung machten Angehörige des Opfers ihrem Ärger über das Vorgehen – vor allem der Politik – Luft. Der Onkel der getöteten 21-Jährigen kritisierte, dass seitens des damaligen Innenministers und heutigen Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP) niemals der Kontakt zu ihnen aufgenommen wurde. „Es gab keine Entschuldigung, es gab nichts Menschliches“, sagte der Mann. Inzwischen erwarte er dies aber auch nicht mehr.

Kommission zeigte Behörden-Pannen auf

Der Attentäter von Wien war nach einer Verurteilung wegen terroristischer Vereinigung vorzeitig bedingt entlassen worden und in weiterer Folge nicht in den Fokus der Verfassungsschützer geraten, obwohl Warnsignale gegeben waren. So nahm der 20-jährige Anhänger der radikalislamistischen Terror-Miliz „Islamischer Staat“ etwas mehr als drei Monate vor dem Attentat an einem Treffen radikaler Islamisten in Wien teil. Er versuchte auch, in der Slowakei Munition für ein automatisches Sturmgewehr zu kaufen.

In ihrem Abschlussbericht zeigte die Zerbes-Kommission darüber hinaus weitere behördeninterne Pannen auf, etwa beim Risikobewertungsprogramm für Gefährder, bei der Datenverarbeitung sowie dem Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz.