Aderklaaer Konglomerat ein Warmwasservorkommen unter Wien
Wien Energie/APA-Auftragsgrafik
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Klima & Umwelt

Wie die Fernwärme frei von Gas wird

Die geplante Erhöhung der Fernwärmepreise wirft in Wien derzeit die Frage auf, wie die Produktion künftig ohne Gas funktionieren könnte. Die Wien Energie plant einige Großprojekte, Energieforscher Ralf-Roman Schmidt empfiehlt, auch im Kleinen anzusetzen.

Die Fernwärmepreise sollen, wenn der Antrag der Wien Energie bestätigt wird, um 92 Prozent steigen. Der Kostenanstieg ist laut dem Energieunternehmen vor allem auf den hohen Gasanteil von rund zwei Dritteln bei der Produktion zurückzuführen. Um den Anteil zu reduzieren, investiert das Unternehmen in Geothermie und Großwärmepumpen. Hier wurden bereits zahlreiche Projekte präsentiert, etwa der Plan, ein Heißwasservorkommen („Aderklaaer Konglomerat“) im Osten Wiens anzuzapfen.

Mit diesem Vorkommen sollen schon 2030 bis zu 125.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden können. Ein anderes Projekt ist eine geplante Großwärmepumpe in Simmering. Mit der Wärme, die aus dem Klärwasser der Hauptkläranlage gewonnen wird, sollen 112.000 Haushalte geheizt werden können. Derzeit versorgt Wien Energie 440.000 Haushalte in Wien mit Fernwärme.

Wärme aus Klimaanlagen und heißem Asphalt

Der Energieforscher Schmidt forscht am Austrian Institute of Technology (AIT) zur Dekarbonisierung der Fernwärme und empfiehlt neben den großen Brocken auch kleinere Maßnahmen. Denn Wien sei zwar auf einem „guten Weg“, wie er im Interview sagt. Aber: „In Wien gilt es sicher noch viel mehr Quellen ans Wärmenetz anzuschließen. Ich denke da vor allem an die Kühlung aus dem Gebäudebereich, aus Büros.“ Die Klimaanlagen würden nämlich beim Abkühlen der Räume die umliegende Luft aufheizen.

Die geplante Großwärmepumpe in Simmering (Rendering)
smartvoll / Mathias Bank
Die geplante Großwärmepumpe in Simmering soll im Vollausbau 112.000 Haushalte heizen können

„Gerade in Erwartung des Klimawandels ist da noch mehr zu erwarten.“ Die Hitze könne man auffangen und in das Fernwärmenetz einspeisen. Da plädiert Schmidt auch für innovative Ideen. Man könne etwa die Hitze aus dem Asphalt nutzen. Das funktioniert mit Asphaltkollektoren – „wasserdurchflutete Röhren, die in den Asphalt eingebracht werden und über das Wasser die Wärme heraustragen und in einen zum Beispiel unterirdischen Speicher einbringen“. Gut geeignet sei etwa das MuseumsQuartier mit den großen, unbegrünten Flächen. Als Nebeneffekt bleibt der Boden auch kühler.

Die Speicherfrage

Dort liegt jedoch eines der größten Probleme: „All diese Quellen haben gemeinsam, dass ich sie von dem Sommer in den Winter bringen muss“, erklärte Schmidt. Denn geheizt werde nun mal vor allem im Winter, während die Hitze der Sonne nur im Sommer für eine ausreichende Warmwasserproduktion ausreicht. Nur wenige Orte, wie etwa Supermärkte oder Rechenzentren, müssen ganzjährig kühlen.

Es gibt jedoch Möglichkeiten, die Hitze zu speichern. Im kleinen Rahmen wird das auch schon gemacht. Berechnungen am AIT hätten aber gezeigt, dass dafür sehr große Speicher benötigt werden. „Das kann man sich vorstellen wie in einem großen Fußballstadion, ein Ernst-Happel-Stadion, das voll mit Wasser ist. Davon bräuchte ich eine Handvoll, vielleicht fünf bis acht solcher Fußballstadien, mit Wasser gefüllt in Wien verteilt, um die ganze Menge Wärme in den Winter bringen zu können.“

ABD0034_20220321 – WIEN – …STERREICH: Die neuen Enzis in der Farbe ?MA48orange? im MuseumsQuartier Wien am Montag, 21. MŠrz 2022. 76 neue Mšbel stehen ab heute in der Farbe der stŠdtischen MŸllabfuhr. – FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
APA/ROLAND SCHLAGER
Die großen, sonnigen Flächen im MuseumsQuartier könnten sich für die Produktion von warmem Wasser eignen

Anreizsysteme für sparsame Heizer

Alternativ wird am AIT aber auch zu unterirdischen Wasserspeichern geforscht. All diese Maßnahmen haben gemein, dass die Netztemperatur niedriger werden muss. Die Wärmequellen, -speicher und -pumpen seien bei niedrigeren Temperaturen effizienter. „Das heißt, ich muss an die Gebäude ran. Im Neubau muss man Fußbodenheizungen einsetzen. Auch im Bestand muss man einiges tun: Sanieren ist sehr hilfreich. Da, wo ich nicht sanieren kann, muss ich mir das Heizsystem anschauen.“

Da könne auch jeder und jede mithelfen. So sei es wichtig, einen hydraulischen Abgleich durchzuführen. Die Heizkörper sollten zudem nicht zugestellt sein. Da könne auch die Regierung ansetzen. Schmidt verweist auf Erfahrungen aus Skandinavien. „Hier gibt es Anreizsysteme, wo sich auch der Kunde etwas einspart, wenn er in sein Heizsystem investiert und sich so auch die Maßnahmen rentieren.“