Verkehrsschild in einer Einbahn, darunter Ausnahme für Radfahrende
APA/Helmut Fohringer
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StVO-Novelle: Wien wehrt sich gegen Kritik

Das generelle Radfahren gegen die Einbahn kommt nun doch nicht. Grund sind Einwände der Stadt Wien, wegen derer die Bundesregierung das Vorhaben – und ein weiteres – aus der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) streicht. Die Stadt wehrt sich gegen Kritik.

„Wir bauen Radfahren gegen die Einbahn kontinuierlich aus. Das betrachten wir als Auftrag. Es kommen jedes Jahr mehrere Straßenkilometer dazu“, betonte Markus Raab, Leiter der Verkehrsabteilung MA 46. Nicht möglich sei es jedoch, „schlagartig sage und schreibe 425 Straßenkilometer zu überprüfen“ und dann dort Maßnahmen zu setzen, wo Radfahren gegen die Einbahn möglich wäre. Dafür hätte man mehr Zeit gebraucht, so Raab im Interview mit „Wien heute“.

Man hätte beispielsweise Bodenmarkierungen anbringen, Verkehrszeichen tauschen, Nachrangtafeln für den Radverkehr anbringen oder diesen an die Ampeln anbinden müssen, schilderte der Leiter der Verkehrsabteilung. „Das ist nichts, was man über Nacht tun kann.“ Aktuell ist bei 42 Prozent aller Wiener Einbahnstraßen das Radeln gegen die Fahrtrichtung erlaubt, Tendenz steigend. Auch im rot-pinken Koalitionsabkommen ist ein Ausbau vorgesehen.

Regierung fixiert Straßenverkehrsordnung

Das generelle Radfahren gegen die Einbahn kommt nun doch nicht. Grund sind Einwände der Stadt Wien, wegen derer die Bundesregierung das Vorhaben – und ein weiteres – aus der Novelle der Straßenverkehrsordnung streicht.

Handlungsbedarf „bei ca. 5.000 Kreuzungen“

Die Novelle der StVO soll am 1. Oktober in Kraft treten. Die Begutachtungsfrist endete am 1. Juni, mehr als 110 teils kritische Stellungnahmen waren eingegangen. Zwei wesentliche Maßnahmen wurden aufgrund des Widerstands der Stadt Wien aus der Novelle gestrichen: zum einen das verpflichtende Öffnen von Einbahnen für den Radverkehr, wenn diese ohne Parkplätze mindestens vier Meter breit sind und maximal Tempo 30 gilt. Ebenfalls weggefallen ist der Plan, dass der Halteverbotsbereich rund um Kreuzungen von fünf auf acht Meter ausgeweitet wird.

„Wir haben geschätzt, dass wir bei ca. 5.000 Kreuzungen in Wien Handlungsbedarf gehabt hätten“, rechtfertigte Raab, warum die Stadt Wien auch hier auf der Bremse stand. Es hätte dafür bauliche Maßnahmen wie Gehsteigvorziehungen gebraucht. Das gehe natürlich ins Geld und sei ebenfalls nicht in so kurzer Frist bewerkstelligbar, so der Leiter der Verkehrsabteilung. Außerdem hätten laut Stadt bis zu 2.400 Bäume weichen müssen, insgesamt hätten die ursprünglich geplanten Maßnahmen rund 130 Millionen Euro an Mehrkosten verursacht.

Grüne vermuten „Retourkutsche“

Seitens der Grünen wurde eine Art „Retourkutsche“ vermutet, weil Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) den Lobautunnel auf Eis legte. „Ich bin der Spezialist für die Straßenverkehrsordnung, und das war alleine unser Fokus jetzt“, entgegnete dem Raab. Man stecke in Wien in der aktuellen Legislaturperiode zudem Millionen in die Attraktivierung des Radverkehrs.

Die Stadt Wien habe den „Konsultationsmechanismus“ genutzt, „um Einwände gegen zwei Maßnahmen zu formulieren“, erklärte die Verkehrsministerin am Mittwoch im Pressefoyer nach der Regierungssitzung. Da dieser Mechanismus die gesamte Novelle aufhalten könnte, habe sie sich „schweren Herzens“ dazu entschlossen, die Novelle in der nun vorliegenden Form einzubringen. Gewessler sowie Grünen-Umweltsprecher Lukas Hammer bedauerten, dass Einwände Wiens nun Änderungen notwendig machen.

„Schrägparkverbot“ in abgeschwächter Form

Die Novelle der StVO bezeichnete Gewessler als „sehr wichtiges Thema“. Große Teile würden aus den 1960er Jahren stammen, es sei wichtig, dem geänderten Mobilitätsverhalten – insbesondere der Radfahrer, aber auch der Fußgänger – Rechnung zu tragen.

In nur abgeschwächter Form kommt das im Entwurf noch vorgesehene „Schrägparkverbot“. Künftig soll auch weiterhin ein Hineinragen des Fahrzeuges auf den Gehsteig im geringfügigen Ausmaß möglich sein – abhängig von der Gesamtbreite des betroffenen Gehsteigs. Als geringfügig gilt etwa ein Seitenspiegel oder die Stoßstange.

Abbiegen bei Rot künftig erlaubt

Neu ist mit der Novelle, dass man mit dem Rad bei Rot rechts abbiegen bzw. bei T-Kreuzungen geradeaus fahren darf, sofern eine entsprechende Zusatztafel angebracht ist. In jedem Fall muss man dabei kurz anhalten. Ebenfalls möglich sein wird künftig das Nebeneinanderfahren mit dem Rad unter bestimmten Voraussetzungen: So wird das Nebeneinanderfahren neben einem Kind unter zwölf Jahren immer gestattet, die Ausnahme bilden Schienenstraßen.

In 30-km/h-Zonen dürfen das nun alle, sofern es sich nicht um eine Vorrangs- oder Schienenstraße handelt und der Verkehrsfluss nicht behindert wird. Bisher war das Nebeneinanderfahren nur auf Radwegen, in Fahrradstraßen, in Wohnstraßen und in Begegnungszonen erlaubt. Ausnahmen gab es nur bei Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern.

Abstandsregeln beim Überholen eines Radfahrers

Festgelegt wird mit der Novelle auch ein „Mindestabstand beim Überholen eines Radfahrers“: Außerhalb des Ortsgebietes sind dann mindestens zwei Meter Abstand notwendig, innerorts reichen 1,5 Meter. Fährt man weniger als 30 km/h, kann der Seitenabstand reduziert werden.

Auch die Fußgängersicherheit soll mit der Novelle erhöht werden: Im Haltestellenbereich müssen Fahrzeuge rechts von öffentlichen Verkehrsmitteln ausnahmslos stehenbleiben, solange Fahrgäste ein- und aussteigen. Kommen werden auch fußgängerfreundlichere Ampelschaltungen mit schnelleren und längeren Grünphasen sowie ein Hinderungs- und Gefährdungsverbot auf Gehsteigen.

Den Behörden wird ebenfalls die Einrichtung von Schulstraßen in der unmittelbaren Umgebung von Schulgebäuden via Verordnung ermöglicht. In Schulstraßen ist das Gehen auf der Fahrbahn gestattet, der Fahrzeugverkehr verboten. Ausgenommen vom Fahrverbot sind laut Entwurf der Fahrradverkehr, Krankentransporte und Schülertransporte. Erlaubt ist die Befahrung u. a. auch mit Fahrzeugen des Straßendienstes, der Müllabfuhr, des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Feuerwehr; auch „Öffis“ und Anrainerverkehr sind gestattet.

Änderungen beim Wiener Parkpickerl

Auch die Parkbestimmungen werden geändert, in Wien trifft das auf das Parkpickerl zu. Dieses sollen neben Zulassungsbesitzern und Leasingnehmern auch Personen erhalten, die ein Fahrzeug langzeitgemietet haben. Als Minimum für den Erhalt einer Bewilligung gelten vier Monate, das gilt auch, wenn Arbeitgeber Mitarbeitern ihr Fahrzeug oder ihr geleastes Auto für die Privatnutzung überlassen.