Zwei Matrjoschka-Puppen vor einem eingeschlagenen Fenster
ORF/Raphael Bossniak
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WIRTSCHAFT

Russische Lebensmittelmärkte unter Druck

Wiens russische Lebensmittelhändler verkaufen Spezialitäten wie Wodka, Buchweizen und Schokolade. Doch seit Moskaus Einmarsch in die Ukraine lassen Importschwierigkeiten und Anfeindungen die österreich-russischen Betreiber besorgt zurück.

Zwischen den Matrjoschka-Puppen, die als Deko in den Regalen stehen, finden sich im russischen Lebensmittelladen Malvina im vierten Bezirk ukrainischer Buchweizen und armenischer Brandy: Russische Lebensmittelläden führen meist Produkte aus der ganzen ehemaligen Sowjetunion. Kurz nach Kriegsbeginn blieben die ukrainischen Produkte kurz aus, erzählt Natalya Abramova, die hinter der Theke steht, im Interview mit wien.ORF.at: „Alles was mit Weizen und Getreide aus der Ukraine zu tun hatte, wie zum Beispiel Kekse, aber auch Sonnenblumenöl, kam auf einmal nicht mehr.“

Russischer Produkte im Regal
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Die Regale sind gefüllt mit russischen Keksen und georgischem Wein

Doch momentan sind die Regale gefüllt. „Es ist alles anders gekommen als gedacht. Im Moment bekommen wir alles“, sagt Abramova. Im Moment liefert ein deutscher Unterhändler, der die Produkte aus Weißrussland importiert, weiterhin an das kleine Lebensmittelgeschäft. Doch es ist unklar, ob das so bleiben wird.

Unklare Nachschubsituation

Die Lebensmittelverkäufer, meist russisch-stämmige Österreicherinnen und Österreicher, sind sich unsicher, ob der Unterhändler in Deutschland weiter liefern wird. „Das sind alles Konserven“, sagt Olessia Zolotareva vom Berioska-Lebensmittelladen im ersten Bezirk und zeigt auf eingelegte Paradeiser in den Regalen. „Wir wissen nicht, ob das frisch hergestellte Produkte sind oder ob nur alter Lagerbestand verkauft wird.“ Es bestehe die Gefahr, dass der deutsche Unterhändler nicht dauerhaft weiterliefern könne.

Die EU-Sanktionen gegen Russland betreffen momentan keine Lebensmittel. Doch es gebe von russischer Seite ein Ausfuhrverbot von Weizen, Sonnenblumenkernen, Mengkorn, Roggen, Gerste und Mais und Weißzucker, so die Moskauer Außenstelle der Wirtschaftskammer gegenüber wien.ORF.at. Auch Sonnenblumenöl dürfte nur in geringeren Mengen exportiert werden. Da der Transport mit Flugzeug und Schiff momentan unter Sanktionen steht, bleibt nur noch der Lkw-Transport. Das treibt die Preise in die Höhe.

Ein nicht so rosiges Bild zeichnet ein anderer Lebensmittelhändler, der anonym bleiben möchte: „Beliebte Produkte wie russische Schokolade bekomme ich nicht mehr.“ Viele Produkte seien nicht mehr verfügbar, so der Händler: „Wenn alles aufgekauft wurde, werden die Regale leer bleiben.“

Anfeindungen gegen russische Geschäfte

Das Fenster von Natalya Abramovas Geschäft ist zersplittert. Unbekannte hatten es über Nacht eingeschlagen. „Ich war schockiert aber es ist immerhin nichts gestohlen worden“, sagt die Eigentümerin. Seitdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist, gibt es Anfeindungen gegen russische Lebensmittelmärkte.

Das zersplitterte Fenster des russischen Lebensmittelladen Rinat Munaev
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In der Nacht von 8. auf 9. Mai wurde das Fenster von Malvina eingeschlagen

Auf der Glaswand Olessia Zolotarevas Laden hängt ein Schild mit der Aufschrift „Нет войне“ – Russisch für „Nein zum Krieg“. Doch trotzdem klebten auf einmal in der Früh Sticker auf ihrem Geschäft. „Nein zu russischen Schweinen“ steht darauf.

„Wir haben nie verheimlicht, dass wir ein russisches Geschäft sind. Früher war das eben mit Nostalgie verbunden“, erzählt Zolotareva, die neben einem T-Shirt mit dem Wappen der Sowjetunion steht. Doch mit dem Krieg sei das Wohlwollen vieler gegenüber allem Russischen ins Gegenteil umgeschlagen. „Ich verstehe die Abneigung von Ukrainern natürlich. Auch ich finde die Gesamtsituation peinlich“, sagt sie. Die Aufschrift „Russische Spezialitäten“ auf der Eingangstür habe sie mittlerweile zu „Ostspezialitäten“ abgeändert. Aber nicht wegen den Anfeindungen, betont sie.

Eine russische Flagge mit Wappen prangt auf dem Bildschirm einer Kaffeemaschine
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Das russische Wappen wurde 1993 eingeführt

Neue Kundschaft: Ukrainische Flüchtlinge

Trotz Anfeindungen sind die Kundinnen und Kunden nicht weniger geworden. Besonders ukrainische Flüchtlinge würden jetzt in russischen Lebensmittelläden einkaufen, erzählt Natalya Abramova: „Die Essgewohnheiten von Russen und Ukrainern ähneln sich. Viele sind noch nicht mit der österreichischen Küche vertraut und wollen Gewohntes essen. Meine Kundschaft hat sich fast verdoppelt.“

Doch die Beziehung mit den neuen Kunden ist nicht unbelastet. „Wir haben eine Kaffeemaschine mit der russischen Flagge darauf“, sagt Abramova und zeigt auf einen kleinen Bildschirm, auf dem die russische Fahne mitsamt Wappen zu sehen ist. „Einmal war eine ukrainische Frau mit ihrem Kind da. Es hat die Flagge gesehen und zu seiner Mutter gesagt: ‚Mama, gehen wir raus. Da sind Russen.‘“