Wiener Linien Mitarbeiterin in U-Bahn
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Wirtschaft

Wiener Linien testen Viertagewoche

Die Wiener Linien wollen ihren Angestellten ab Herbst mit einer Viertagewoche flexiblere Arbeitszeiten bieten. Damit soll auch neues Personal angelockt werden. Ein Arbeitsmarktforscher sieht in dem Modell der Wiener Linien allerdings eine „Mogelpackung“.

Die Wiener Linien wollen dieses Jahr rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Das liege einerseits an einer großen Pensionierungswelle aufgrund der Babyboomer-Generation, die heuer 600 Pensionierungen verursacht.

„Wir werden einerseits nachbesetzen, andererseits aber natürlich – wie auch schon immer – Effizienzen heben. Wir werden die Vorteile der Digitalisierung nutzen, aber die Wiener Linien sind ein Dienstleistungsunternehmen und werden daher immer ganz, ganz stark auf den Faktor Mensch setzen“, so Alexandra Reinagl, Wiener-Linien-Geschäftsführerin, gegenüber „Wien heute“. Man wolle den Angestellten auch flexiblere Arbeitszeiten bieten. Ab Herbst würden Pilotversuche für eine Viertagewoche gestartet.

Wiener Linien bieten Viertagewoche an

Die Wiener Linien suchen verstärkt nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Um neue zu finden, setzen sie probeweise ab Herbst auf eine Viertagewoche.

Augenmerk auf Frauenanteil

„Uns ist völlig bewusst, dass man natürlich auch auf die Bedürfnisse der neuen Generationen und des angespannten Arbeitsmarktes eingehen muss. Das beobachten wir auch schon laufend und versuchen auch anzupassen und unterzubringen. Wir machen uns hier sehr viele Gedanken“, sagte Reinagl.

Bei der Rekrutierung der neuen Beschäftigten wolle man ein besonderes Augenmerk auf den Frauenanteil legen. Dieser hinke beispielsweise beim Fahrdienst mit aktuell rund 10 Prozent noch nach. Eine Frauenquote werde es in diesem Bereich dennoch nicht geben, weil sie nicht erfüllbar sei. „Andererseits überlegen wir uns auch, wie wir unsere Arbeitsbedingungen noch attraktiver machen können, sodass wir auch Menschen ansprechen, die sich in der deutschen Sprache unsicher sind“, so Reinagl.

Unter anderem mit Nachhilfe unter Kollegen wollen die Wiener Linien die Deutschkenntnisse auf das nötige Level heben. „Oft ist das technische Verständnis und der Wille da, aber die Sprachkenntnisse nicht“, sagte Reinagl.

37,5 Stunden auf vier Tage aufgeteilt

Unter einer Viertagewoche, die ab Herbst getestet werden soll, verstehe man beim gesamten Wiener-Stadtwerke-Konzern eine Aufteilung von 37,5 Wochenstunden auf vier Tage. Somit komme es bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu keinen Gehaltskürzungen.

Das Konzept der Viertagewoche sei aufgrund der Diensteinteilungen in der Verwaltung wesentlich einfacher als im Fahrdienst. „Es wird in einigen Bereichen einfacher gehen und vielleicht früher passieren. Wir haben ja auch einen Verwaltungsbereich. Es wird im Bereich der manuellen Berufe, das sind im Großen und Ganzen die Werkstätten und der Fahrdienst, einiges an Gehirnschmalz benötigen, um hier eine Viertagewoche umzusetzen. Sie müssen bedenken: Wir müssen Fahrpläne ja in Dienstpläne umwandeln“, betonte die Geschäftsführerin. Dennoch werde man in allen Bereichen pilotieren. Insgesamt seien 300 Mitarbeiter für das Pilotprojekt vorgesehen.

Und da Busse und U-Bahnen auch in der Nacht fahren und Werkstätten rund um die Uhr einsatzbereit sein müssen, bedeute die Viertagewoche hier eventuell auch einmal mehrere Nachtschichten hintereinander. Eine Viertagewoche mit reduzierter Arbeitszeit bei vollem Gehalt – so wie es einige junge Start-Ups ausprobieren – kommt für die Wiener Linien allerdings nicht infrage.

Arbeitsmarktforscher sieht darin „Mogelpackung“

Grundsätzlich sei es für Beschäftigte attraktiv, die Arbeitszeit in weniger Arbeitstagen zu erledigen und mehr Freizeit zu haben, sagte Arbeitsmarktforscher und Soziologe Jörg Flecker im „Wien heute“-Studiogespräch. Das Konzept der Wiener Linien würde aber „ohne der Verkürzung der Wochenarbeitszeit (…) ein bisschen an eine Mogelpackung“ erinnern, „weil die Arbeitsmedizin weist darauf hin, dass ab der siebten Stunde an einem Tag die Belastungen und die Unfallgefahren stark steigen“, so Flecker.

Arbeitsmarktforscher Flecker über die Viertagewoche

Der Arbeitsmarktforscher Jörg Flecker spricht über die Viertagewoche. Wird diese die Zukunft sein?

Man würde mehr Erholungsphasen brauchen, und diese könne man nicht auf einen anderen Zeitpunkt – etwa auf die nächste Woche – verschieben. Vor allem für ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Personen – wie sie etwa vom Arbeitsmarktservice (AMS) vermittelt werden – sei das Modell zu anstrengend.

Für Flecker würde das Konzept der Viertagewoche nur dann aufgehen – auch in Hinblick auf die Work-Life-Balance –, wenn insgesamt eine kürzere Wochenarbeitszeit angeboten werden würde. Lange Tage in einer Viertagewoche unterzubringen sei vielleicht für jene attraktiv, die etwa ein langes Wochenende genießen wollen, für Alleinerziehende etwa würden die langen Arbeitstage aber ein Problem bei der Kinderbetreuung darstellen.