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Chronik

Nachtgastro: Sensibilisierung für Übergriffe

Der Festivalsommer ist in vollem Gang, die Wiener Clubs sind wieder gefüllt. Sexuelle Übergriffe im Nachtleben hat die pandemiebedingte Partypause nicht beseitigt. Vertreter der Nachtgastro und das Frauenservice der Stadt Wien setzen auf Sensibilisierung.

Eine Hand am Po, K.O.-Tropfen im Getränk, aufdringliche Tanznachbarn. Viele kennen Vorfälle wie diese aus eigener Erfahrung oder aus dem Umfeld. Weil Erhebungen zu dem Thema schwierig durchführbar sind, muss immer noch die EU-weite Studie zu Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2014 herhalten. Der zufolge hat jede dritte Frau seit dem 15. Lebensjahr einen körperlichen und/oder sexuellen Übergriff erlebt.

Über die letzten Jahre haben Sensibilisierungsmaßnahmen in Wiener Clubs zugenommen. Die Vienna Club Commission hat vergangenen September einen Leitfaden zur Prävention von sexueller Belästigung veröffentlicht, seit 2019 ist die Kampagne „Ich bin dein Rettungsanker“ des Wiener Frauenservices nicht nur in den Wiener Linien, den Wiener Bädern und auf der Donauinsel aktiv, sondern auch in Clubs. Auch der Verband der österreichischen Nachtgastronomen ruft seine Mitglieder zur Sensibilisierung auf.

Bewusstsein über Hilfsangebote

Das Ziel der Sensibilisierung ist es, das Gewaltschutznetz so eng wie möglich zu knüpfen. Dazu müssen Gäste, Security- und Barpersonal über Vorgangsweisen und Hilfestellungen Bescheid wissen, so Laura Wimmer vom Frauenservice Wien.

Hilfe und Beratung:

24-Stunden Frauennotruf:
01 71 71 9

Frauen- und Mädchenberatung:
01 587 67 50

Männerberatung:
01 603 28 28

Die Kampagne „Ich bin dein Rettungsanker“ rät, Securitypersonal auf Prävention von und Umgang mit sexueller Belästigung zu schulen und es mit Rettungsanker-Aufklebern zu kennzeichnen. Auf Toiletten und an der Bar soll über Notrufnummern und Hilfsangebote informiert werden. Weiters darf ein Club, der an der Kampagne teilnimmt, nicht mit sexistischen Sujets werben.

Auch zu Rückzugsräumen wird geraten, wo Personen aus dem chaotischen Dunkel des Clubs gebracht werden können, sollten sie bedrängt werden oder belästigt worden sein. In Brüssel wurde im Februar 2022 eine Regelung beschlossen, die alle Clubs, die nach Mitternacht geöffnet sind, zu einem solchen Raum verpflichtet. Stefan Ratzenberger vom Verband der österreichischen Nachtgastronomen findet eine solche Regelung nicht unbedingt nötig: „Ein Rückzugsraum allein ist eine zu bequeme Lösung. Man kann die Lage mit geschultem Personal besser abdecken.“

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

Offiziell ist bisher nur der Club Volksgarten Teil der Kampagne „Ich bin dein Rettungsanker“. Laut Laura Wimmer vom Wiener Frauenservice laufen derzeit Gespräche mit weiteren Clubs. Um das Netz der Helferinnen und Helfer auszuweiten, gibt es derzeit kostenlose Kurse zu Zivilcourage. So könne man sicher einschreiten, ohne sich selbst zu gefährden, sagt Wimmer. Die Kampagne beziehe sich nicht nur auf Clubs, denn Gewalt gegen Frauen bleibe ein gesamtgesellschaftliches Problem.