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Missbrauch von Turnerinnen: Haft für Trainer

Im Prozess um einen Gymnastiktrainer, dem u.a. schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen vorgeworfen wurde, ist noch am Donnerstag ein Urteil gefällt worden. Der 48-Jährige muss sechseinhalb Jahre in Haft.

Die Verurteilung erfolgte wegen sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses und wegen sexueller Belästigung. Sein Anwalt Andreas Schweitzer meldete Strafberufung an, keine Erklärung gab es von der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Fünf Mädchen hatten den 48-Jährigen im Herbst 2019 angezeigt, weil der Mann sie beim Dehnen im Intimbereich berührt haben soll. Auch eine Trainerin und ältere Athletinnen zeigten sich vor Gericht über die Dehnmethoden des 48-Jährigen erstaunt. Die 48-jährige Trainerin hatte mit ihrer Tätigkeit für zwei Jahre pausiert und als sie im Jahr 2019 zu dem Verband zurückkehrte, bemerkte sie, dass sich die Mädchen nicht mehr gegenseitig beim Dehnen unterstützten, sondern das dies der 48-Jährige übernahm.

Dehnübung nicht „state of the art“

„Es ist mir komisch vorgekommen“, sagte die Zeugin, wie die Mädchen sich in eine Reihe auf den Bauch gelegt haben, die Beine wie ein Frosch angewinkelt und der Angeklagte mit den Händen auf dem Gesäß der Turnerinnen die Hüfte fixiert habe. Diese „Froschdehnung“ sei nicht „state of the art“ gewesen. Die Frau, die auch eine Balletausbildung hat, meinte: „Ich glaube nicht, dass es notwendig ist.“ Es gebe andere adäquate Übungen für diese Dehnform, meinte sie.

Als im Herbst 2019 erste Gerüchte auftauchten, dass es angeblich sexuelle Übergriffe durch den 48-Jährigen geben soll, man aber nicht wüsste, welche Mädchen betroffen seien, habe man sich im Verband mit einem pensionierten Richter und einer Psychologin zusammengesetzt, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.

13-Jähriger auf die Brust gegriffen

Danach erging die Order, dass niemand mehr alleine das Training abhalten dürfe, unnötige Berührungen wie das Umarmen zu unterlassen sind und es dieses spezielle Dehnen nicht mehr geben werde. Als das auch dem 48-Jährigen mitgeteilt wurde, „war er irritiert und ist sich ein bisschen überwacht vorgekommen“, meinte die Trainerin im Zeugenstand. Laut Anklage soll der Mann nämlich auch bei einem Wettkampf im September 2019 in Budapest einer 13-jährigen Athletin auf die Brust gegriffen haben.

Kurz vor Jahresende haben dann die fünf betroffenen Mädchen der Trainerin eine Whatsapp geschrieben und um ein Gespräch gebeten. Daraufhin wurde der Vertrag mit dem 48-Jährigen einvernehmlich gelöst und Anzeige erstattet. Der Beschuldigte sprach am ersten Verhandlungstag von einer Intrige der anderen Trainer, weil seine Schützlinge mehr Erfolg hatten. Darauf meinte seine ehemalige Kollegin: „Das war keine Intrige. Wir waren jahrelang zufrieden und hätten uns gewünscht, dass es so weiter geht.“

Eine mittlerweile 19-jährige Athletin meinte, sie sei von ihren Sportkolleginnen angesprochen worden, was sie von dieser Dehnübung halte. Daraufhin habe sie auf die Arbeit des Trainers genau geachtet. „Ich hab’s auch nicht angebracht gefunden“, sagte die junge Frau. Bei dynamischen Bewegungen könne es schon mal passieren, dass die Hand wo hinrutsche, aber nicht bei einer Dehnung. Gerichtet an den Angeklagten: „Hätten wir dir nicht so vertraut, wäre es nicht soweit gekommen.“

Weitere Frauen meldeten sich

Im Zuge der Ermittlungen meldeten sich daraufhin zwei weitere Frauen. Eine von ihnen wurde vor mehr als 20 Jahren von dem damals 26-Jährigen zu einem Probetraining nach Wien eingeladen. Die damals 13-Jährige wurde im Sommer 1999 von dem Trainer vom Bahnhof abgeholt, allerdings war sie viel zu früh angekommen. „Sie hatte kein Geld bei sich und auch noch nichts gegessen, was vor dem Training nicht gut ist“, meinte der 48-Jährige am ersten Verhandlungstag.

Da habe er das Mädchen mit in seine Wohnung genommen, die er damals gemeinsam mit seinen Eltern bewohnte. Dort sei es zu – seinen Schilderungen zufolge – freiwilligen sexuellen Handlungen gekommen. Als der Mann im Gespräch erfuhr, dass das Mädchen erst 13 Jahre alt sei, hätte er damit aufgehört.

Zu einem weiteren Vorfall war es zehn Jahre später gekommen. Nach einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt war er 2009 mit seiner damals hochschwangeren, 21-jährigen Freundin wieder nach Wien zurückgekehrt. Bei einem Besuch einer 15-jährigen Freundin der Frau, wobei die drei gemeinsam im Bett geschlafen haben, soll es zu einem weiteren sexuellen Übergriff gekommen sein, was der 48-Jährige genauso in Abrede stellte wie alle anderen Vorwürfe.