Chronik

Wien-Anschlag: Kontaktmann vor Gericht

Noch bevor in zwei Wochen der Prozess gegen sechs mutmaßliche Unterstützer des Wiener Attentäters vom 2. November 2020 beginnt, steht heute ein weiterer Kontaktmann vor Gericht. Er bekannte sich nicht schuldig.

Die Sicherheitsvorkehrungen zu Prozessbeginn waren massiv. Schwer bewaffnete Justizwachebeamte mit Gesichtsmaske bewachten den Saal. Der 23-jährige Angeklagte wirkt nach außen unauffällig, den früher langen Bart hat er gestutzt, er trägt eine große Brille und spricht sehr deutlich und klar.

Er bekannte sich nicht schuldig. Die Ziele des IS würden sich nicht mit seiner Überzeugung decken, sagte er. Auf Nachfrage konkretisierte er, dass er aber Salafist sei. Er habe Menschen vom Islam überzeugen und Vorurteile dagegen abbauen wollen.

Die Staatsanwältin sah ihn ganz anders: Er sei die ideologische Führungsfigur der radikalen Islamisten in Österreich. In seiner Wohnung in St. Pölten habe er in „Sonntags-Treffen“ Personen radikalisiert, auch der spätere Wien-Terrorist sei dabei gewesen. Zudem habe er IS-Propagandamaterial übersetzt und verbreitet.

Arabischkurse und salafistische Lesungen

Der Mann, dem die Staatsanwaltschaft die Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation vorwirft, war drei Wochen nach dem Attentat festgenommen worden. Allerdings standen er und eine von ihm in St. Pölten angemietete Wohnung schon Monate vor dem Terroranschlag im Fokus der Staatsschützer. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) observierte die Wohnung, die offenbar als „Drehscheibe“ für die Dschihadistenszene diente.

Neben Arabischkursen sollen in der Wohnung regelmäßig religiöse Vorträge mit salafistischen Inhalten ein interessiertes Publikum gefunden haben, wobei unter anderem der nun Angeklagte selbst als Vortragender aufgetreten sein soll. Auch der spätere Attentäter verkehrte in der Wohnung, in der im Zuge einer nach dem Anschlag in Wien vorgenommenen Hausdurchsuchung eine umfangreiche Bibliothek mit salafistischer Literatur sichergestellt wurde.

Der Attentäter war vor allem an Vorträgen mit religiösen Inhalten interessiert und fiel auf, weil er einen Siegelring der Terrormiliz IS trug bzw. zur Schau stellte. Zuletzt war er Ende Oktober 2020 und damit wenige Tage vor dem Anschlag in der St. Pöltner Wohnung gesehen worden.

Keine direkte Beteiligung nachgewiesen

Auch dem Wiener LVT war der Angeklagte schon seit Längerem bekannt. Denn dieser hatte gemeinsam mit dem späteren Attentäter an einem mehrtägigen internationalen Dschihadistentreffen in der Bundeshauptstadt teilgenommen, zu dem Mitte Juli 2020 Gleichgesinnte aus Deutschland und der Schweiz angereist waren. Dieses Zusammenkommen wurde nach entsprechenden Hinweisen des deutschen Staatsschutzes vom Wiener LVT observiert.

Eine direkte Beteiligung an den Anschlagsplänen oder eine konkrete Hilfestellung im Vorfeld war dem Angeklagten nicht nachzuweisen. Auch dessen Wohnung in der niederösterreichischen Landeshauptstadt ließ sich damit nicht in unmittelbaren Bezug bringen. Der Prozess ist auf drei Tage anberaumt, ein Urteil wird am Dienstag erwartet.