Videoinstallation „Apologies v 2016.2, 2021“ von James T. Hong im Jüdischen Museum Wien
© David Bohmann
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Kultur

Jüdisches Museum zeigt politische Reueakte

Das Jüdische Museum Wien zeigt ab Donnerstag eine Videoinstallation des Filmkünstlers James T. Hong. Zu sehen sind unter dem Titel „Apologies“ Entschuldigungen von Staatsoberhäuptern für staatlich angeordnete oder gebilligte Verbrechen.

Die Installation ist das erste Projekt unter der neuen Museumsdirektorin Barbara Staudinger. Es stehe programmatisch dafür, dass sich das Jüdische Museum künftig mehr in gesellschaftliche Diskurse einmischen wolle, so die Neo-Direktorin bei der Präsentation am Mittwoch. Gezeigt wird die Videoinstallation des taiwanisch-amerikanischen Filmkünstlers mit kommentarlos aneinandergereihten Entschuldigungen von Staatsoberhäuptern bis Februar 2023.

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Videoinstallation „Apologies v 2016.2, 2021“ von James T. Hong im Jüdischen Museum Wien
James T. Hong/ Empty Gallery Hong Kong
Barack Obama entschuldigte sich 2015 bei den Familien zweier westlicher Geiseln, die bei einem US-Angriff in Pakistan starben
Videoinstallation „Apologies v 2016.2, 2021“ von James T. Hong im Jüdischen Museum Wien
James T. Hong/ Empty Gallery Hong Kong
Die australische Premierministerin Julia Gillard entschuldigte sich 2013 bei Kindern unverheirateter Mütter für erzwungene Adoptionen
Videoinstallation „Apologies v 2016.2, 2021“ von James T. Hong im Jüdischen Museum Wien
James T. Hong/ Empty Gallery Hong Kong
Der japanische Premierminister Shinzo Abe entschuldigte sich 2015 vor dem US-Kongress für Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg
Videoinstallation „Apologies v 2016.2, 2021“ von James T. Hong im Jüdischen Museum Wien
James T. Hong/ Empty Gallery Hong Kong
Papst Benedikt XVI. entschuldigte sich 2008 für den Missbrauch von Minderjährigen in australischen Kirchengemeinden

Ausstellungsraum wie Präsidentschaftskanzlei gestaltet

Zu sehen ist die Videoinstallation im ersten Stock des Jüdischen Museums in der Dorotheergasse im Extrazimmer. Ausgestattet ist der Raum mit rotem Teppich und Stühlen wie in einer Präsidentschaftskanzlei. Das solle an ein Setting erinnern, welches den Rahmen für eine Entschuldigung eines Staatsoberhauptes darstellen könnte, sagte Museumsdirektorin Staudinger.

Die Wand im Ausstellungsraum ziert ein Zitat von der österreichischen Literaturwissenschafterin und Auschwitz-Überlebenden Ruth Klüger: „Man sagt ‚Nie wieder‘ und dann schauen Sie sich mal all die Massaker an, die inzwischen passiert sind. Es ist absurd zu sagen, es soll nicht wieder passieren.“

Ausstellungshinweis

Videoinstallation „Apologies v 2016.2, 2021“ von James T. Hong, 13. Oktober bis 12. Februar 2023, im Jüdischen Museum Wien, Sonntag bis Freitag von 10.00 bis 18.00 Uhr

Von Brandt bis Duterte

Die in etwa eineinhalb Stunden dauernde Installation startet mit dem damaligen deutschen Bundeskanzler Willi Brandt, der 1970 vor dem Denkmal des Warschauer Gettoaufstandes auf die Knie fiel. „Das war eine Blaupause, auf der weitere Entschuldigungen aufbauen sollten“, erklärte Staudinger.

„Es handelt sich um eine fortlaufende Arbeit, die in dieser Version mit dem Jahr 2016 endet. Jedes Jahr werden Dutzende von Entschuldigungen gesammelt, sie werden hinzugefügt, sobald es die Zeit erlaubt“, beschreibt der Künstler seine Arbeitsweise. Die Version von „Apologies“ im Jüdischen Museum endet mit dem einstigen philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte, der sich für seine Aussage entschuldigt, Drogenabhängige ermorden zu wollen, wie es einst Adolf Hitler mit Jüdinnen und Juden tat.

„Auftakt für mögliche Versöhnung“

Zwischen Brandt und Duterte findet sich eine Vielzahl weiterer Staatsoberhäupter, die ihre Entschuldigungen meist vom Blatt ablesen. Deren staatliche Entschuldigungen, so Hong, könnten nicht alle Streitigkeiten beilegen, aber sie würden einen Moment symbolisieren, „der den Auftakt für eine mögliche Versöhnung und Vergebung bilden soll“.

Deren staatliche Entschuldigungen, so Hong, könnten nicht alle Streitigkeiten beilegen, aber sie würden einen Moment symbolisieren, „der den Auftakt für eine mögliche Versöhnung und Vergebung bilden soll“. „Es handelt sich um eine fortlaufende Arbeit, die in dieser Version mit dem Jahr 2016 endet. Jedes Jahr werden Dutzende von Entschuldigungen gesammelt, sie werden hinzugefügt, sobald es die Zeit erlaubt“, beschreibt der Künstler seine Arbeitsweise.

Entschuldigungen mittlerweile „komplett phrasenhaft“

„Der Film reflektiert die Ritualhaftigkeit und Ernsthaftigkeit inszenierter Reueakte“, sagte Chefkurator Hannes Sulzenbacher. Die Arbeit sei zwar etwas redundant, doch wecke sie Emotionen. Sulzenbacher habe sich etwa bei der Sichtung gefragt: „Um Himmels willen, was ist denn nach 1945 noch an Massakern passiert?“ Entschuldigungen von Staatsoberhäuptern seien mittlerweile „komplett phrasenhaft“, meinte Staudinger. Anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome wolle man nun einen Diskurs darüber starten, wie wir erinnern sollen und wollen.