Gebäude der WU
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Wissenschaft

Schatten der NS-Zeit über der WU

Heuer wird die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien 125 Jahre alt. Geprägt durch ihre Vergangenheit als kaiserlich-königliche Exportakademie stieg sie seit ihrer Gründung 1898 zu einer bedeutenden Forschungsinstitution auf. Doch die NS-Zeit wirkt noch heute nach.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 mussten alle „nichtarischen“ Studierenden und Lehrenden die Hochschule verlassen: „Da mosaisch zu den Rigorosen nicht zugelassen.“ Mit diesem Hinweis wurde etwa nach dem „Anschluss“ Österreichs zumindest einem jüdischen Studenten, der wenige Wochen vor dem Einmarsch der Wehrmacht seine Doktorarbeit an der Hochschule für Welthandel eingereicht hatte, die Promotion verwehrt.

Titel sollen aberkannt werden

Regimetreue deutsche Wissenschaftler übernahmen die damalige Hochschule für Welthandel. Nach Kriegsende kehrten viele von ihnen nach Deutschland zurück, doch deren in der NS-Zeit erworbene akademische Titel blieben anerkannt. Die WU reagierte im Juni 2022 darauf, sagt der Leiter des Universitätsarchivs, Johannes Koll. Es gebe Überlegungen zur Aberkennung und Kontextualisierung akademischer Ehrengrade im Laufe des Jubiläumsjahres. Darüber befindet der Senat der Universität. Der Archivar spricht zusammenfassend davon, dass der Nationalsozialismus eben lange Schatten geworfen habe.

Gedenkmonument vor der Bibliothek der WU
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Mahnmal für die Opfer der NS-Zeit vor der WU-Bibliothek

Das Mahnmal für die Opfer der NS-Zeit vor der Bibliothek wird jetzt um einige Namen erweitert. Seit 2012 wird dazu geforscht, 2014 wurde dann das Mahnmal aufgestellt. Parallel dazu gibt es ein Onlineprojekt: Die Biografien der NS-Opfer sollen dort möglichst vollständig aufbereitet werden. Im Juni soll unter dem Titel „Closed to Exclusion“ der Umgang mit der NS-Vergangenheit kritisch reflektiert werden, hieß es.

1898 als „k. k. Exportakademie“ gegründet

„Keimzelle“ der WU war die „k. k. Exportakademie“: Diese wurde 1898 als höhere Lehranstalt für den Außenhandel im Palais Festetics in Wien-Alsergrund gegründet. Neben kaufmännischen Fächern und Warenkunde wurden Fremdsprachen, Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsgeografie, öffentliches Recht und Privatrecht gelehrt. 1916 übersiedelte die Exportakademie in die Franz-Klein-Gasse in Wien-Döbling, bald nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte die Aufwertung zur Hochschule für Welthandel.

Ab 1. Oktober 1919 startete deren Betrieb mit einem sechssemestrigen Diplomstudiengang. Die ersten beiden Semester waren vor allem der handelswissenschaftlichen Vorbereitung gewidmet, die vier folgenden dienten der Ausbildung für den internationalen Handel und das Bankgeschäft – mit Lehrfächern der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Wenig später erfolgte dann auch die gesetzliche Umwandlung. Damaliges Ziel: Die Hochschule sollte „der wissenschaftlichen Lehre und Forschung auf den Gebieten des Handels und der Weltwirtschaft und der Pflege der Auslandskunde eine Stätte bieten“.

Panorama von mehreren Gebäuden der WU
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2013 übersiedelte die Wirtschaftsuniversität in den Prater

Übersiedelte 2013 in den Prater

Ab 1930 wurde der Titel Diplomkaufmann vergeben, im selben Jahr erhielt die Hochschule auch das Promotionsrecht. 1975 wurde sie schließlich zur Wirtschaftsuniversität und übersiedelte 1982 ins Universitätszentrum Althanstraße über dem Frachtenbahnhof des Franz-Josefs-Bahnhofs in Wien-Alsergrund, von wo es dann 2013 an den heutigen Standort im Prater ging.

Anlässlich des Jubiläumsjahrs findet Anfang März eine Diskussionsveranstaltung zu akademischer Freiheit unter anderem mit WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger statt. Im Rahmen des WU-Sommerfestes werden außerdem unter dem Motto „Open for Diversity“ das Gründungsjubiläum sowie der zehnte Jahrestag der Eröffnung des Campus im Prater gefeiert. Die „Meilensteine“ der WU-Geschichte werden in einer Open-Air-Ausstellung beleuchtet.