Die Regierungsspitze hat an die Opfer des Terroranschlages in Wien vor zwei Jahren erinnert.
APA/ Klaus Titzer
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chronik

Terrorexperte sieht keinen Einzeltäter mehr

Mit vier Verurteilungen und zwei Freisprüchen ist am Mittwoch der Terrorprozess in Wien zu Ende gegangen. War bisher immer vom Attentäter als Einzeltäter die Rede, ist das mit dem Urteil nun anders, ist Terrorexperte Guido Steinberg überzeugt.

Folgt man dem Urteil, ist es laut Steinberg auf jeden Fall so, dass man es nicht mit einem Einzeltäter zu tun hat: „Ganz einfach deshalb, weil diese sehr, sehr langen Haftstrafen doch dafür sprechen, dass das Gericht zu dem Schluss gekommen ist, dass diese Beitragshandlungen ganz ganz schwerwiegend waren.“ Überraschend und „fast ein bisschen beeindruckend“ findet der deutsche Wissenschaftler, dass das Gericht Haftstrafen und noch dazu lange Haftstrafen ausgesprochen hat.

Aus seiner Sicht sei das absolut nachvollziehbar, „wenn man den österreichischen Kontext berücksichtigt“, sagte Steinberg im Ö1-Morgenjournal. In einem ähnlichen Fall, dem Anschlag von Dezember 2019 in Berlin, habe es überhaupt keine Strafen gegeben. Die vier Haftstrafen würden deutlich machen, „dass es da um zwei Personen geht, die vor allem die Waffe geliefert haben, und zwei Personen, die den Attentäter so gut gekannt haben, dass sie sehr sehr eng mit ihm verbunden waren“.

Orientierungslose Randfiguren mit Gefahrenpotenzial

Steinberg nimmt als Gutachter in zahlreichen ähnlichen Prozessen auch in Österreich teil. Er sieht die Verurteilten eher als Randfiguren in der islamistischen Szene in Österreich. Sie seien für die Szene lange Zeit nicht wichtig gewesen. Dennoch gehe auch heute noch von solchen Randfiguren, von Menschen, die zu jung waren, um es in das Kalifat in Syrien zu schaffen oder auch in ein anderes Kampfgebiet, eine Gefahr aus. Solche jungen Leute gebe es immer noch.

Allerdings fehle ihnen die Orientierung, so Steinberg weiter: „Es fehlt ihnen einerseits die Organisation, der IS (Islamischer Staat, Anm.) ist militärisch geschlagen, und es ist sehr schwer, zu dieser Organisation Kontakt aufzunehmen.“ Außerdem würden die religiösen Figuren fehlen, die früher für die Anleitung zuständig gewesen seien: „Auch die sitzen in Haft, vor allem in Österreich. Merzad O. ist ja ebenfalls zu 20 Jahren verurteilt worden, also der wichtigste Rekrutierer des IS in Österreich.“

Terrorbekämpfung geht weiter

Dennoch sei weiter Vorsicht geboten. Steinberg bestätigte, dass radikalisierte Einzeltäter gefährlich seien, vor allem dann, wenn sich neue Strukturen herausbilden würden. Im Fall des Wiener Attentäters habe es Unterstützung von einem nun verurteilten Mann gegeben, der aus der organisierten Kriminalität kommt und Waffen beschaffen konnte. Die Aufgabe, Terror zu bekämpfen, sei mit den aktuellen Urteilen nicht beendet, so Terrorexperte Guido Steinberg.