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Forscher entschlüsselt Missbrauch-Plattformen

Missbrauchsdarstellungen von Kindern werden heutzutage – wie zuletzt der Fall Teichtmeister gezeigt hat – vor allem im Darknet angeboten. Der Wiener Datenforscher und Krypto-Experte Bernhard Haslhofer hat ein Modell entwickelt, mit dem sich Anbieter und Betreiber einschlägiger Plattformen eben so aufspüren lassen wie Käufer.

Vor kurzem hat Haslhofer die von ihm und seinem Team am Complexity Science Hub (CSH) in Wien entwickelte Methode in Wien vorgestellt. Ausgangspunkt dafür ist ein in den Niederlanden entwickelter Crawler, eine spezielle Suchmaschine, die das Darkweb „durchackert“ und bedenkliche Inhalte sichtet.

Bitcoin als Zahlungsmittel

Von rund drei Millionen Domains stehen derzeit etwa 258.000 in Bezug zu Material mit sexuellen Missbrauchsdatstellungen, das – im Tausch oder käuflich – zu erwerben ist. Abgerechnet wird dabei im Regelfall über die Kryptowährung Bitcoin. „Es ist daher das Um und Auf, so schnell wie möglich bei den Domains die Bitcoin-Adresse zu finden, über die die Geschäfte abgewickelt werden“, erläuterte Haslhofer vor Medienvertretern.

Datenflut und Finanzflüsse werden verfolgt

Mit Haslhofers Methode lassen sich die enorme Datenflut und die Finanzflüsse im Zusammenhang mit Missbrauchsdarstellungen automatisiert verfolgen und entschlüsseln, indem die Finanzströme zwischen den öffentlich einsehbaren Krypto-Konten von Konsumenten mit den Adressen der Anbieter verknüpft werden. Hat man entsprechende Adressen aufgestöbert, sind die Strafverfolgungsbehörden am Zug, die mit Datenanfragen an die Exchange-Firmen die Herkunft der Gelder klären können.

Das gestaltet sich durchaus vielversprechend, da die Server bei großen Anbietern in den USA und Europa liegen. „Die Masse des Darknet ist in europäischen Rechenzentren“, weiß Thomas Goger, stellvertretender Leiter der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZBC), die seit vergangenem Juni mit CHS-Forschungsleiter Haslhofer kooperiert.

Domains mit Geldwert von 100 Millionen Euro

Über 5.000 Verfahren hat die ZBC im Vorjahr geführt, eine Verfünffachung der Fallzahlen binnen zwei Jahren. „In der Mehrheit der Fälle ist die Währung, in der bezahlt wird, nicht Geld, sondern anderes kinderpornografisches Material“, betont Goger. Die Einkünfte, die sich mit dem Handel von Missbrauchsdarstellungen erzielen lassen, sind allerdings beachtlich. Die auf dem Missbrauch zurechenbaren Domains abgewickelten Bitcoin-Transaktionen entsprechen einem Geldwert von fast 100 Millionen Euro.

Experte: „Nur wenigste Täter pädophil“

Nur ein geringer Teil der Täter sei jedoch wirklich pädophil. „Der Missbrauchs-Downloader ist ein klassischer Suchtmensch“, sagte Psychotherapeut Jonni Brem im APA-Gespräch. Brem arbeitet als klinischer Psychologe und Therapeut für die Wiener Männerberatung mit Sexualstraftätern vor, während und nach der Verurteilung. In der öffentlichen Diskussion müsse man differenzieren, so der Experte. „Nur die wenigsten Männer, die sich an Kindern vergehen, sind pädophil“, sagte er.

Ausschlaggebend für eine pädophile Neigung könnten unter anderem traumatische Erlebnisse in der Kindheit sein. Auch das Gefühl, Macht über eine Person zu besitzen, spiele eine Rolle. „Und das geht bei Kindern halt einfach leichter“, so der Experte. Laut Brem beläuft sich der Prozentsatz an betroffenen Männern, die zum Täter werden, auf zehn bis 20 Prozent. „Die wenigsten Betroffenen trauen sich letztendlich, auch wirklich einem Kind etwas anzutun.“

Missbrauchs-Downloader als „klassischer Suchtmensch“

Ähnlich verhält es sich laut Brem auch mit Männern, die Missbrauchs-Darstellungen konsumieren. Eine solche Neigung sei vor allem ein Suchtphänomen. „Der Missbrauchs-Downloader ist ein klassischer Suchtmensch“, so Brem, der den Fall von Schauspieler Florian Teichtmeister hierfür als beispielhaft sieht.

Dort gehe es, so der Experte, vor allem darum, einen vernünftigen Umgang „mit solch einer Neigung“ zu finden. Oftmals folgt dann auf eine (bedingte) Haftentlassung eine weitere Therapie. „Zusammen mit einem ganzen weiteren Bündel an Maßnahmen“, wie Thomas Marecek vom Verein „Neustart“ im Gespräch mit der APA erklärte. Marecek verwies auf weitere Instrumente wie Bewährungshilfe, ärztliche Behandlung oder betreutes Wohnen. Zwischen drei und fünf Jahren beträgt die Probezeit für Täter dann.

Fast 2.000 Anzeigen in Österreich

2021 verzeichnete das Bundeskriminalamt 1.921 angezeigte Straftaten wegen des Besitzes, der Herstellung oder des Konsums von Missbrauchs-Darstellungen nach § 207a StGB. Hinzu kommen 381 angezeigte Straftaten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 206 StGB), 381 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 207 StGB) sowie 70 wegen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (§ 207b StGB). Die endgültigen Zahlen aus dem vergangenen Jahr liegen noch nicht vor.

„Sexualdelikte gehören in Österreich zu den Delikten mit geringer Rückfallswahrscheinlichkeit“, so Brem. Er verweist auf eine Quote von 22 Prozent vor einer Therapie, sowie danach 3,9 Prozent in Österreich. „Im Vergleich zu anderen Delikten ist das eine extrem geringe Quote.“ Nachsatz: „Man geht davon aus, dass Pädophilie veränderbar ist, in ihrem Wesen aber ein Leben lang bestehen bleibt.“