Verhandlungssaal im Wiener Landesgericht für Strafsachen
ORF.at/Zita Klimek
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Chronik

Teilbedingte Haft für Leben unter Terroristen

Eine 28-jährige Wienerin, die jahrelang bei der dschihadistisch-salafistischen Al-Nusra-Front in Syrien gelebt und sich das Familienleben bei Terroristen mit dem Weiterbezug der österreichischen Sozialhilfe finanziert hatte, ist am Dienstag zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt worden.

Die geständige Angeklagte wurde wegen terroristischer Vereinigung, Terrorismusfinanzierung, krimineller Organisation und schweren gewerbsmäßigen Betrugs schuldig erkannt. Bei der Strafbemessung ließ ein Schöffensenat Milde walten. Die bisher unbescholtene Frau kam bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren mit 24 Monaten, davon acht Monate unbedingt davon. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Auswandern ins Bürgerkriegland Syrien

Der inkriminierte Sachverhalt war gleichermaßen außergewöhnlich wie nicht alltäglich. Die Frau hatte im Februar 2017 mit ihrem damaligen Lebensgefährten, den sie nach islamischem Recht geheiratet hatte, den Entschluss gefasst, mit der gemeinsamen vierjährigen Tochter nach Syrien zu gehen, wo sie sich der Al-Nusra-Front anschließen wollten. Sie habe „nach den Regeln des Kalifats leben wollen“, wie sie nun vor Gericht bekannte.

Beim dritten Versuch gelangten sie an der türkisch-syrischen Grenze auf syrisches Territorium, wobei sie Schleusern 500 Euro bezahlen mussten. In weiterer Folge ließ sich die dreiköpfige Familie in einem von der Al-Nusra-Front kontrollierten Dorf nieder, wo der Mann zum Kämpfer ausgebildet werden sollte und die Frau zu kochen und die Kindererziehung zu übernehmen hatte.

Allerdings tauchte eines Tages eine frühere Frau des Mannes in dem Dorf auf, worauf dieser mit ihr nach Europa zurückkehrte. Die 28-Jährige, die laut Anklage ihr radikal islamistisches Denken weiter verinnerlicht hatte, blieb dagegen, heiratete einen für die Al-Nusra tätigen Einheimischen und bekam erneut ein Kind.

Leben unter Terroristen mit Sozialleistungen finanziert

Finanzieren ließ sich die Angeklagte ihr neues Leben vom österreichischen Staat. Ein Ex-Freund half ihr dabei. Er behob die monatlichen Sozialleistungen der Wienerin – darunter Karenzgeld und Mindestsicherung – und überwies ihr mithilfe eines Geldtransfer-Dienstleisters insgesamt 17.000 Euro nach Syrien. Erst 2019 erfuhr eine Schwester der Frau ihren wahren Aufenthaltsort. Die Schwester verständigte umgehend die Behörden, worauf die Sozialleistungen eingestellt wurden.

Weil kein Geld mehr kam, flüchtete die Angeklagte im Jahr 2020 in die Türkei. Dort wurde sie festgenommen und für rund sechs Monate in Schubhaft genommen. 2021 wurde sie nach Österreich ausgeliefert und in Wien für relativ kurze Zeit in U-Haft genommen. Inzwischen lebt die mittlerweile dreifache Mutter in einem Wohnheim eines katholischen Frauenordens und wird von der Bewährungshilfe sowie dem Deradikalisierungsverein Derad betreut.

Auch Ex-Freund und Ex-Mann verurteilt

Der mitangeklagte Ex-Freund, der ihr das Geld überwiesen hatte, wurde wegen Terrorismusfinanzierung zu einem Jahr bedingt verurteilt. Das Urteil gegen den ÖBB-Angestellten, der ebenfalls umfassend geständig war, ist nicht rechtskräftig.

Der Mann, mit dem bzw. dessentwegen die 28-Jährige ursprünglich nach Syrien aufgebrochen war, hat bis vor kurzem eine dreieinhalbjährige unbedingt Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Stein verbüßt. Er wurde vor wenigen Tagen entlassen, als deutscher Staatsbürger nach Deutschland abgeschoben und mit einem Aufenthaltsverbot belegt.