Die Schauspielerin Nadja Tiller erhielt 1999 die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien. Die Schauspielerin ist im Alter von 93 Jahren verstorben.
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Schauspielerin Nadja Tiller gestorben

Sie gehörte zur Schauspielgarde der 1950er und 1960er Jahre. International bekannt wurde sie in der Rolle der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt in „Das Mädchen Rosemarie“. Jetzt ist die in Wien geborene Schauspielerin Nadja Tiller gestorben.

Der Publikumsliebling starb in der Nacht auf Dienstag im Alter von 93 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg. Das bestätigte ihre Tochter der „Bild“-Zeitung. Damit folgt die erste gewählte Miss Austria ihrem Mann Walter Giller nach, mit dem sie über Jahrzehnte ein Traumpaar der Branche bildete und der bereits 2011 verstarb.

Vamp und Grande Dame

Lange Beine, volle, geschwungene Lippen, sinnlicher Blick, schöne Kurven – die erste gewählte Miss Austria. Sie konnte zugleich Vamp und Grande Dame verkörpern und spielte sich schließlich als Luxus-Callgirl Rosemarie auf die Wunschzettel der europäischen Regisseure. Sie hätte statt Anita Ekberg im Trevi-Brunnen („La Dolce Vita“) baden, an der Seite von Marcello Mastroianni spielen („La notte“) und mit Alain Delon („Rocco und seine Brüder“) drehen können.

Doch Tiller lehnte all diese Angebote ab. Sie hätten sie zum Weltstar machen können. „Ich war leider nicht klug genug und zu dumm und habe dann drei sehr berühmte Filme nicht angenommen“, sagte Tiller einmal. Damals seien die drei Regisseure allerdings auch noch nicht so berühmt gewesen wie nach diesen Filmen.

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Die Schauspielerin Nadja Tiller (undatiertes Foto). Nadja Tiller spielte in mehr als 70 Filmen und gab mehrfach mit Ehemann Giller auch auf der Leinwand ein Paar.
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Nadja Tiller (undatiertes Foto) spielte in mehr als 70 Filmen
Schauspielerin Nadja Tiller, 1965
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1965
Das Schauspieler-Ehepaar Nadja Tiller und Walter Giller in Potsdam am Rande von Dreharbeiten für den ARD-Fernsehfilm „Das Bernsteinamulett“ 2003.
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Mit Ehemann Walter Giller stand Tiller oft vor der Kamera, wie 2003 bei Dreharbeiten in Potsdam für den ARD-Fernsehfilm „Das Bernsteinamulett“
Das Filmschauspieler-Ehepaar Nadja Tiller und Walter Giller in Stuttgart mit ihren Bambis, die sie fŸr ihr Lebenswerk erhalten haben (Archivfoto vom 30.11.2006).
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Das Filmschauspielerehepaar Tiller und Giller in Stuttgart mit ihren Bambis, die sie 2006 für ihr Lebenswerk erhielten
Die Schauspielerin Nadja Tiller posiert am 26.04.2007 in Hamburg anlässlich der Vorstellung der ARD-Familienkomödie „Liebling, wir haben geerbt!“.
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Tiller anlässlich der Vorstellung der ARD-Familienkomödie „Liebling, wir haben geerbt!“ 2007 in Hamburg
Walter Giller und Ehefrau Nadja Tiller am 29.10.2009 im Hansa Variete Theater in Hamburg
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Giller und Tiller 2009 im Variete im Hansa-Theater in Hamburg
Schauspielerin Nadja Tiller
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Tiller anlässlich eines Pressetermins in Hamburg 2007 zur TV-Komödie „Liebling, wir haben geerbt!“
Schauspielerin Nadja Tiller, aufgenommen am 5. März 2019 in Hamburg. Die Schauspielerin ist im Alter von 93 Jahren verstorben.
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2019 in Hamburg

Die Liste ihrer Engagements kann sich dennoch sehen lassen. Sie arbeitete international, spielte an der Seite von Jean Paul Belmondo („Der Schlaufuchs“), Anita Ekberg und O. W. Fischer („El Hakim“). Besonders in Erinnerung blieb ihr ein Film aus dem Jahr 1958: „Mein Lieblingsfilm ist ohne Frage der, den ich mit Jean Gabin gemacht habe.“ („Im Mantel der Nacht“). Gabin sei ein großartiger, präziser und sehr kollegialer Schauspieler gewesen. „Er hat mir schon sehr imponiert, und ich mochte ihn auch sehr gerne.“

Eigentlicher Berufswunsch war Friseurin

Dabei hatte die Tochter einer Opernsängerin und eines Schauspielers als Jugendliche noch völlig andere Berufspläne. „Ich wollte ursprünglich gar nicht Schauspielerin werden.“ Ihr Herzenswunsch sei stattdessen die Ausbildung zur Friseurin gewesen. „Meine Großeltern hatten in Danzig einen Friseursalon. Das erste Haus am Platze. Der war toll und hat mir unglaublich imponiert. Ich wollte absolut nur diesen Salon. Ich wollte Friseurin lernen, um diesen Salon zu übernehmen.“

Am Ende durchkreuzte der Zweite Weltkrieg ihre Pläne. Das Geschäft wurde 1945 zerstört. Dass sie schließlich doch Schauspielerin werden wollte, habe ihren Vater begeistert. „Er war ganz glücklich, dass seine Tochter das auch werden wollte, weil er den Beruf so sehr geliebt hat.“ Besonders stolz äußerte sie sich aus Anlass ihres 90. Geburtstags rückblickend darauf, dass sie sich auf ein Musical („Applaus“, Lübeck) eingelassen hatte, obwohl sie nicht gut singen konnte. „Da habe ich wirklich sämtliche Kräfte mobilisiert, die ich hatte. Und ich war sehr stolz, dass ich das geschafft hatte.“

Traumpaar der Wirtschaftswunderzeit

Auf dem Filmset fand sie nicht nur Ruhm und Erfüllung. Sie fand auch ihren Walter. 1956 heiratete sie den deutschen Schauspieler Walter Giller („Die Drei von der Tankstelle“, „Rosen für den Staatsanwalt“, „Charleys Tante“). Die beiden galten als das Glamourpaar der Wirtschaftswunderzeit. 55 Jahre lang waren die beiden verheiratet, bevor er Ende 2011 an einer Krebserkrankung mit 84 Jahren starb.

Nach dem Tod ihres Mannes nahm Tiller weiter Engagements an – wenn auch kleinere. 2013 nahm sie mit dem Schweizer Schauspieler Fritz Lichtenhahn, der bis zu seinem Tod ebenfalls in ihrer Seniorenresidenz wohnte, das preisgekrönte Hörspiel „Traumrollen“ auf. Darin spielen sich die beiden als zwei Bühnen- und Filmlegenden in einem Seniorenheim noch einmal durch die Theatergeschichte. Die Arbeit wurde mit dem Deutschen Hörspielpreis ausgezeichnet.

„Ich bin zufrieden“

Zuletzt stand Tiller mit 87 Jahren für „My Fair Lady“ in Braunschweig noch einmal auf der Bühne. „Es war eine kleine Rolle, und das hat mir großen Spaß gemacht und war eigentlich ein schöner Abschluss.“ Dann sagte sie dem Theater endgültig Adieu. „Es strengt mich ja letztlich doch sehr an.“ Tiller hat zwei Kinder und vier Enkelkinder: „Ich habe in meinem Leben eine Menge Glück gehabt – nicht zuletzt, da ich einen besonders netten Mann hatte“, sagt die Wienerin – und: „Ich bin einfach zufrieden!“

ORF ändert Programm

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) würdigte Tiller als „Inbegriff des deutschsprachigen Films“. „Obwohl ihr eine internationale Karriere in Aussicht gestellt war, blieb sie der deutschsprachigen Film- und Theaterlandschaft und ihrem Publikum treu“, so Mayer. Tiller wurde u. a. mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Der ORF zeigt am Sonntag um 14.30 Uhr in ORF2 „Rosamunde Pilcher – Wind über dem Fluss“ in memoriam Nadja Tiller.