Schüler Schreibchrift schreibend
APA/dpa-Zentralbild
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Bildung

Eigene Schreibschrift für Wien

Es klingt ein bisschen nach übertriebenem Föderalismus: Die Schülerinnen und Schüler in Wien bekommen eine eigene Wiener Schreibschrift. Sie soll die bundesweit eingesetzte Schreibschrift 1995 ersetzen, berichtet die Tageszeitung „Der Standard“ (Freitag-Ausgabe).

Seit zwei Jahren arbeiten Typografen im Auftrag des Wiener Bildungsservers an einer neuen Schulschrift. Am Donnerstagabend ist sie präsentiert worden. Die Schulschrift 1995, so findet man in Wien, entspreche nicht den „neuesten lern- und entwicklungspsychologischen Erkenntnissen zu Kognition, chirografischer Ergonomie und Lesephysiologie“. Deshalb feilen zwei Wiener Typografen im Auftrag des Wiener Bildungsservers, eines von der Stadt Wien unterstützten Vereins zur Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, seit rund zwei Jahren an einer neuen Schulschrift.

Österreichische Schulschrift 1995
ORF
Österreichische Schulschrift 1995

Schreibschrift „Prima“

Jetzt ist die neue Wiener Schulschrift namens „Prima“ präsentiert worden. Aber was gefällt Wien nicht an der bundesweiten Schulschrift 1995? Ein großer Kritikpunkt ist, dass es für diese „auch weiterhin keine brauchbaren digitalen Vorlagen gibt“, wie die Typografen Titus Nemeth und Martin Tiefenthaler in einer Broschüre zu ihrer neuen Schrift festhalten. Zum Hintergrund: Der Wiener Bildungsserver hat bereits in der Vergangenheit eine eigene digitale Version der Schulschrift angeboten – ebenso wie verschiedene andere Bundesländer. „Die alte Schrift erfüllte aber viele moderne Anforderungen nicht oder nur unzureichend, unter anderem beim Thema Inklusion“, erklärte der Geschäftsführer des Bildungsservers, Donat Klingesberger.

Neue Wiener Schreibschrift
Wiener Bildungsserver
Neue Wiener Schulschrift: „Prima“

Die Verbindung von Buchstaben sei in digitalen Versionen der Schulschrift von 1995 ein Problem, erklärt Tiefenthaler. Denn sie sind fixe Bestandteile der Buchstaben und dadurch unflexibel. Tiefenthaler ist Gründungsmitglied der Typografischen Gesellschaft, seine Buchstaben verändern sich auch digital, je nachdem, welcher nach oder vor ihnen kommt. Folgt auf ein kleines O ein weiteres, wird die Schlaufe anders gezogen, als wenn an das O ein F oder L anschließt.

Mehr Flexibilität

Die Buchstaben in der unverbundenen und der verbundenen Schrift von 1995 sehen nicht immer gleich aus – das sieht man etwa am kleinen R, B oder T. „Die Kinder müssen bei der Schreibschrift ganz neue Buchstaben lernen“, sagt Tiefenthaler. Dashabl haben sein Kollege und er in der neuen Schrift die Buchstaben angeglichen. „Der Übergang funktioniert jetzt ganz organisch.“ Deutlich sieht man den Unterschied beim kleinen T, bei der Schulschrift 1995 war dieses an die Kurrentschrift angelehnt, nun soll es eher an die Druckschrift erinnern.

Die Schrift, die im April 2021 vom Bildungsserver beauftragt und mit 28.000 Euro gefördert wurde, soll jetzt unter einer „modernen Lizenz“ angeboten werden, sagte Bildungsserver-Geschäftsführer Klingesberger. Seit Donnerstag ist die Schrift zum Download verfügbar. „Wir sind auch in enger Abstimmung mit den Einrichtungen der Stadt Wien, um die Schrift so bald wie möglich auf den Geräten aller Schulstandorte als zusätzliche Option anzubieten.“ Welche Schrift die Schulen verwenden, obliegt am Ende aber ihnen selbst.