Baumstumpf Augarten
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CHRONIK

Neuer Schädling auf 111 Bäumen

Im Wiener Augarten müssen 111 Bäume gefällt werden. Der Grund dafür ist ein neuer Schädling, das Bakterium Pseudomonas syringae, der vor allem die Kastanien bedroht. Bei den Bundesgärten betont man die Notwendigkeit der Schlägerungen.

Nicht mehr die Miniermotte, sondern das Bakterium ist in den Kastanienalleen für die größten Schäden verantwortlich. Pseudomonas syringae hat sich innerhalb weniger Jahre in Europa verbreitet. „Eigentlich sollte man keine Kastanien mehr nachsetzen. Im Augarten zählt sie aber zum historischen Bild der Parkanlage“, so Kurt Macek. Er ist der für den Augarten zuständige Baumkontrollor der Bundesgärten.

Von etlichen Alleebäumen im Augarten sind inzwischen nur noch die Baumstümpfe übriggeblieben. Ein Großteil der frisch geschnittenen Flächen sieht gesund aus. Junge Bäume haben ebenso dran glauben müssen, wie alte. Es sind genau 111 Bäume, die im Augarten geschlägert werden mussten.

Platane im Augarten wird zurückgeschnitten
Lukas Beck/WSK
Gefällter Baum im Augarten

Dem Leben von rund drei, vier Prozent der Bäume im Augarten wird jährlich von Amts wegen ein Ende bereitet. Das hat vor allem zwei Gründe: Schutz der Spaziergänger vor herabfallenden Ästen (oder gar umfallenden Bäumen) sowie Erhaltung eines gesunden Baumbestands. Es ist eine heikle Materie, weiß der 58-jährige gelernte Gärtner aus langjähriger Erfahrung: „Immer wieder kommt es zu Debatten mit Leuten, die uns bei Fällungen verbal attackieren. Manchmal kommt man sich als Freiwild vor. Es ist gut, dass den Menschen bewusst ist, wie wichtig Bäume sind“, so Macek.

Augarten: Neuer Schädling auf 111 Bäumen

Im Wiener Augarten müssen 111 Bäume gefällt werden. Der Grund dafür ist ein neuer Schädling, das Bakterium Pseudomonas syringae, der vor allem die Kastanien bedroht. Bei den Bundesgärten betont man die Notwendigkeit der Schlägerungen.

Sinkender Grundwasserspiegel durch U-Bahn-Bau

„Aber gerade deshalb nehmen wir unseren Job auch so ernst“, so der Baumkontrollor. Ernst sei allerdings auch die Lage der 2.836 im Baumkataster verzeichneten Gewächse im Augarten. Zwei Hauptgründe nennt Macek dafür: eine viel zu hohe Bodenverdichtung, die Wachstum und Nahrungsaufnahme der Wurzeln erschwert, und die rapide voranschreitende Trockenheit.

„Seit dem U-Bahn-Bau ist der Grundwasserspiegel im Augarten drastisch gesunken.“ Tatsächlich sind unter den jüngst geschnittenen Bäumen auch einige, die erst im vergangenen Jahr frisch gepflanzt wurden, doch nie angewachsen sind. Nachgepflanzt müsse jeder gefällte Baum werden, so Macek, da seien die Regeln nicht anders als für Private. Auch die Bundesgärten reichen nur ein, die Rodungsbescheide stellt die Gemeinde aus, die zur endgültigen Begutachtung zwei Beamte schickt.

Baumkontrollor im Augarten
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Baumkontrollor Macek beim Rundgang im Augarten

Das Schlagwort für die Arbeit der Baumkontrollore heißt „Visual-Tree-Assessment“ (VTA). Das bedeutet, dass die Begutachtung per Augenschein vom Boden aus vorgenommen wird – was viel Erfahrung und Verantwortung bedeutet. Pseudomonas-Befall erkennt man etwa an rissig gewordener Rinde, schwarzen Verfärbungen an Stamm und Ästen, Saftfluss sowie Absterben oder Vergilben von Teilen der Baumkrone.

Das bedeutet allerdings: Liegt man mit der Einschätzung falsch, ist es zu spät, in beiden Richtungen. So berichtet Macek von einer Blumenesche, die wegen Pilzbefalls im Wurzelbereich bereits eingereicht war, deren Schäden jedoch so weit fortgeschritten waren, dass sie noch vor der Fällung von einem Sommersturm umgelegt wurde. Doch kann es auch passieren, dass sich nach dem Fällen herausstellt, dass die Substanz des Baumes gesünder war als angenommen.

Allee im Augarten
ORF
Hier ist die Baumwelt des Augartens in Ordnung

Im schlimmsten Fall kommt es zu Fehlfällungen, bei denen überhaupt der falsche Baum umgeschnitten wurde. Der bekannteste Fall betraf vor zwei Jahren einen über 60-jährigen gesunden Maulbeerbaum vor dem Augarten-Eingang Klanggasse, bei dem die beauftragte Baumpflegefirma erst nach heftigen Anrainerprotesten zugab, die entsprechende Baumnummer verwechselt zu haben. Das habe sich glücklicherweise außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs zugetragen, sagt Macek, räumt aber ein, dass es auch schon im Park selbst zu Schlägerungen falscher Bäume gekommen sei.

Tatsächlich ergibt der Rundgang ein differenziertes Bild. In manchen Fällen hat der Baumkontrollor leichtes Spiel. Ein hohler Baumstumpf ist auch für den Laien ein Indiz für Morschheit und Gefahr in Verzug. Bei manchen Schnittflächen gefällter Kastanien- und Lindenbäumen kann er durch Verfärbungen im Holz Pilzbefall und Fäulnis anschaulich machen. Und manchmal scheint er ohne Unterlagen beim bloßen Augenschein genauso ratlos. Dann ist er jedenfalls entwaffnend ehrlich und sagt: „Da muss ich passen.“