Pro:Woman Institut am Fleischmarkt von außen
ORF
ORF
Chronik

Älteste Abtreibungsklinik Wiens geschlossen

Vor 44 Jahren war pro:woman das erste Institut, das nach Einführung der Fristenregelung begonnen hat, Abtreibungen durchzuführen. Nun wird der Standort nicht mehr weitergeführt. Frauenorganisationen befürchten einen Versorgungsengpass.

Ein Lichtblick in schwierigen Zeiten war pro:woman für viele Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen mussten oder wollten. Das Institut startete seine Tätigkeit vor über 40 Jahren nach der Einführung der Fristenregelung. Nun schloss die Einrichtung auf dem Fleischmarkt vor wenigen Wochen ihre Pforten.

„Die Eigentümerin ist eine NGO, die in 37 Ländern Abtreibungskliniken betreibt. Unsere Struktur mit sehr vielen Schwangerschaftsabbrüchen zu Sozialtarifen auf gleichzeitig höchstem Qualitätsniveau hat eine kostendeckende Weiterführung leider nicht mehr ermöglicht“, so die Betriebswirtin, die das Institut seit 2005 leitete.

Nachbarinstitut will Ära nicht enden lassen

Um einem Versorgungsengpass entgegenzuwirken, stockte das Institut Woman & Health die OP-Zeiten auf. „Nachdem wir benachbart sind, habe ich gleich Kontakt aufgenommen und mit der Geschäftsführerin eine Strategie entwickelt, wie wir dieses seit Jahrzehnten bestehende, extrem wichtige Institut erhalten können“, so Andreas Nather, der ärztliche Leiter bei Woman & Health.

Seit über 19 Jahren bietet Woman & Health Schwangerschaftsabbrüche an. Pro Jahr werden dort rund 3.500 Abbrüche – entweder medikamentös oder chirurgisch – durchgeführt, so Nather. Ohne pro:woman gibt es neben Woman & Health in Wien noch vier Privatinstitute, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten: Gynmed, VenusMed, das Ambulatorium für Schwangerschaftsabbrüche und das Sanatorium Hera.

Älteste Abtreibungsklinik Wiens geschlossen

Vor 44 Jahren war pro:woman das erste Institut, das nach Einführung der Fristenregelung begonnen hat, Abtreibungen durchzuführen. Nun wird der Standort nicht mehr weitergeführt. Frauenorganisationen befürchten einen Versorgungsengpass.

Terminknappheit im privaten und öffentlichen Sektor

Dass es wie in den anderen Bundesländern zu Terminengpässen kommt, muss verhindert werden, fordern Frauenschutzorganisationen. In einem gemeinsamen Statement zeigten sich Changes for Women, Ciocia Wienia, Pro Choice Austria, Vemina und die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung besorgt. Denn bereits jetzt würden diese in ihren Beratungen merken, dass die Termine sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor eng sind.

„Unserer Erfahrung nach haben Frauen, besonders die, die einen Abbruch wünschen, die nicht aufgrund von Alter oder einem gesundheitlichen Grund einen Abbruch wollen, große Probleme, Termine zu erhalten“, so Tamara Felbinger, Gründerin des Frauennetzwerk Vemina. Vor allem in den Krankenhäusern der Stadt Wien sei das ein großes Problem.

Stadt appelliert an niedergelassenen Bereich

Vier öffentliche Wiener Kliniken bieten Schwangerschaftsabbrüche an – in Hietzing, Landstraße, Floridsdorf und Ottakring. Letztes Jahr wurden dort 260 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hieß es gegenüber dem ORF Wien, man sei sich der Problematik um mangelnde Termine bewusst. „Deshalb laufen auf Initiative von Stadtrat Hacker auch intensive Gespräche, um das bestehende Angebot aufzustocken.“

Seit Mitte 2020 darf die Abtreibungspille Mifegyne auch im niedergelassenen Bereich von Gynäkologinnen und Gynäkologen verschrieben werden. Doch es obliegt den Ärztinnen und Ärzten selbst, ob sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. „Es stimmt, dass es fast keine Möglichkeiten im niedergelassenen Bereich gibt“, hieß es aus dem Büro des Stadtrats. Der Appell der MA 40 richtet sich an die Ärztekammer, sich um eine Aufstockung zu bemühen.

Abbrüche keine Kassenleistung

Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch gehen stark auseinander. Darin liegt für viele Frauen – abseits der Terminschwierigkeit – die nächste Hürde, so Anna Maria Lampert vom Vorstand der Frauenschutzorganisation Changes for Women.

„Abbrüche sind noch immer im Strafgesetzbuch, deshalb werden sie von der Kasse in den meisten Fällen nicht übernommen. Es gibt Ausnahmen, aber bei Schwangerschaftsabbrüchen ist es wirklich schwierig, das Geld aufzustellen. Mehrere hundert bis 1.000 Euro in Österreich“, sagte Lampert im Gespräch mit „Wien heute“. Von der Krankenkasse werden die Kosten nur übernommen, wenn es einen medizinischen Grund gibt.

Im Wiener Gesundheitsverbund kostet der Eingriff 355 Euro. Für einkommensschwache Frauen springt die MA 40 mit 355 Euro ein. „Die Förderung der MA 40 ist nicht von gesundheitlichen Gründen abhängig, und es ist auch egal, in welcher Einrichtung die Behandlung durchgeführt wird“, betont das Büro des Stadtrats.

Sozialtarife auch bei Woman & Health

Pro:woman hat sich immer stark für einkommensschwache Frauen eingesetzt. Das will auch Woman & Health weiterführen. Der Preis beläuft sich hier auf 570 Euro für einen Schwangerschaftsabbruch – für jene, die sich das nicht leisten können, gibt es bei Woman & Health ebenfalls Sozialtarife. „Es kommen natürlich auch Patientinnen zu uns von den Organisationen geschickt. Die bekommen einen Sozialtarif. Das heißt, eine gewisse Finanzierung vom Staat für Zentren, die das machen, wäre sehr sehr wünschenswert“, so Andreas Nather.

Der Gynäkologe betont, dass es weiterhin Orte brauche, „wo es einfach nicht darum geht, auch durch Abtreibungsgegner angeprangert zu werden oder die Entscheidung zu hinterfragen, sondern einfach diese Entscheidung mitzutragen und die Selbstbestimmtheit der Frau zu unterstützen“, so Nather.

Gesundheitsminister Rauch für Streichung aus StGB

Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich nach wie vor im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Schwangerschaftsabbrüche sind grundsätzlich bis heute illegal. Sie wurden nur mit der 1975 eingeführten Fristenregelung in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten – die medizinisch 16 Wochen gerechnet werden – straffrei gestellt. Hierbei handle es sich um eine „Kriminalisierung“ dieser, heißt es im Statement der Frauenschutzorganisationen.

Dass diese „entkriminalisiert“ gehören, sieht neben Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) so, wie er im Gespräch mit Ö1 sagte: „Alma Zadic und ich haben dazu eine klare Haltung. Wir würden eine Streichung aus dem Strafgesetzbuch auch begrüßen. Aber das ist nicht konsensfähig mit dem Koalitionspartner, muss man auch klar sagen. Aber ich bin jedenfalls jemand, der dieses Bestreben unterstützen würde“, so Rauch.

Die Frage, ob Schwangerschaftsabbrüche irgendwann eine Kassenleistung sein würden, sei schwierig. „Weil die Sozialversicherung nach der gesetzlichen Regelung nur Heilbehandlungen, Krankenbehandlungen zahlen darf, und der Schwangerschaftsabbruch fällt nicht darunter“, führte der Minister weiter aus. Die Forderung nach gratis Verhütungsmitteln hingegen habe eine realistischere Chance auf Umsetzung.

Wiener Grüne fordern mehr Engagement

Laut den Wiener Grünen könnte die Stadt Wien wesentlich mehr tun, um die Versorgungslücke zu schließen – etwa mehr Abbrüche in den öffentlichen Spitälern übernehmen und den Sozialtarif erleichtern. Gesundheitssprecherin Barbara Huemer und Frauensprecherin Viktoria Spielmann fordern, das Angebot vor allem für Frauen in prekären Situationen auszubauen. Konkret bedeute das: freie Methodenwahl, keine langen Wartezeiten und auch Termine am Wochenende. Außerdem wurde von der Stadt Wien die Förderung des medikamentösen Abbruchs durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gefordert.