Der Aufgangbereich des NHM Wien
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Wissenschaft

NHM widmet sich der eigenen Geschichte

Das Naturhistorische Museum (NHM) Wien will mit einem neuen Geschichtspfad seine reichhaltige Geschichte sichtbar machen. Ein neuer Themenparcours zeigt, wie sich in der Geschichte des Hauses die Ordnung der Natur gewandelt hat.

Anhand ausgesuchter Objekte im ganzen Haus lädt der Themenparcours zu einer Entdeckungsreise durch die 275-jährige Geschichte einer Sammlung ein, die von ursprünglich 30.000 auf mittlerweile geschätzte 30 Millionen Objekte angewachsen ist. NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland verwies bei der Präsentation des Geschichtspfads auf das „verstärkte, kritisch reflektierte Interesse des NHM an seiner Geschichte“.

Diese Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten der Geschichte des Hauses, auf die der Historiker Johannes Feichtinger von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) verwies („auf der glanzvollen Geschichte des Museums liegt zugleich ein Schatten“), hat in den vergangenen Jahren u.a. zu Restitutionen unrechtmäßig erworbener Sammlungsstücke und der Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe geführt.

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Geschichtsvitrine im Aufgang zu Deck 50
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Eine Vitrine
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Eine Vitrine
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Saurier-Skelette
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Ein Deckengemälde
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Eine Statue eines Menschen fängt einen Fisch
NHM Wien, Christina Rittmannsperger
Der Aufgangbereich des NHM Wien
NHM Wien, Christina Rittmannsperger

„Irrwege“ in NS-Zeit

Auf solch „gefährliche Irrwege“ wie in der Zeit des Nationalsozialismus, als das NHM „Zentrum des wissenschaftlichen Rassismus war“, wie Feichtinger es bezeichnete, geht das Museum auch in den beiden im Vorjahr eröffneten Vitrinen im Stiegenaufgang zum zweiten Stock ein, die sich den beiden Grundprinzipien des Hauses widmen: die Natur zu ordnen und sie anschaulich zu machen.

Der neue Geschichtspfad wurde begleitend zu diesen beiden Vitrinen konzipiert und beschäftige sich eher „mit den Lichtseiten der Geschichte“, sagte Martin Krenn, Leiter des Archivs für Wissenschaftsgeschichte am NHM. Der Grundstock der NHM-Sammlung stammt aus 1748, als Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen die damals größte, 30.000 Objekte umfassende private Naturaliensammlung von dem Florentiner Gelehrten Johann Ritter von Baillou kaufte und sie in der Wiener Hofburg aufstellen ließ.

Nach dem Tod ihres Mannes machte Maria Theresia die kaiserlichen Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich. Forschungsreisen wie die Brasilien-Expedition (1817-1819) oder die Weltumsegelung der Fregatte Novara (1857-1859) ließen die Kollektion anwachsen, und 1889 wurde schließlich mit dem Haus am Ring das heutige NHM eröffnet.

Erstes Evolutionsmuseum

Ferdinand von Hochstetter (1829-1884), der erste Intendant des NHM, war ein früher Anhänger von Charles Darwin und seiner Evolutionstheorie. Er machte diese zum Leitmotiv des neuen Museums und „gestaltete das NHM als erstes konsequentes Evolutionsmuseum. Die Eingliederung der Humanwissenschaft in die Naturgeschichte stellte in der damaligen Zeit einen mutigen Schritt dar“, wie es bei der Station des Geschichtspfads bei der Büste Hochstetters heißt.

Und so wandelt man heute noch auf den Spuren der Evolution, etwa im ersten Stock des Museums, wo man einen Rundgang von den aus damaliger Sicht „unvollkommensten Tieren“ bis zu den „vollkommensten Stufen der Evolution“, also von den Einzellern bis zu den Primaten, absolviert. Und am Ende der Runde gelangt man wieder in die zentrale obere Kuppelhalle, wo an der Decke die verschiedenen Wissenschaften als höchste Errungenschaften des Menschen dargestellt sind – und im berühmten Darwin-Fries ein Affe dem Menschen den Spiegel vorhält, um ihn mit seiner Tierverwandtschaft zu konfrontieren.

Für Stefanie Jovanovic-Kruspel vom Archiv für Wissenschaftsgeschichte am NHM ist der neue Geschichtspfad ein Versuch, die in den Räumen und Objekten des Hauses „gespeicherten Zeitschichten zumindest zum Teil zugänglich zu machen“. Das Museum will mit dem Themenparcours eine Entdeckungsreise durch das Museum und den historischen Wandel von Ordnung und Anschauung bieten.