Warteschlange
APA/ Eva Manhart
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Politik

Auslandstürken: Zustrom bei Stimmabgabe

Die Stimmabgabe für Auslandstürken für die türkischen Präsidenten- und Parlamentswahlen hat begonnen. Vor dem türkischen Generalkonsulat in Hietzing bildete sich am Vormittag eine lange Warteschlange. Man rechnet mit einer Rekordbeteiligung.

Rund 108.000 Wählerinnen und Wählern in Österreich sind registriert. Botschafter Ozan Ceyhun verwies darauf, dass es diesmal sechs statt drei Stimmlokale gibt. Während in den drei Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz bis 9. Mai abgestimmt werden kann, öffnen während des Feiertagswochenendes auch Wahllokale in Linz, Graz und Innsbruck. Dort kann von Samstag bis Montag abgestimmt werden.

Großes Interesse an Wahl

Bei der Parlaments- und Präsidentenwahl vor fünf Jahren hatten 49 Prozent der in Österreich registrierten 106.657 Wähler ihre Stimme abgegeben. „Ich gehe davon aus, dass wir dieses Mal die 50 Prozent auf jeden Fall überschreiten werden“, sagte Ceyhun. Viele Menschen hätten diesmal nämlich ein besonders großes Interesse, „was die Zukunft ihres Landes betrifft“, sagte der frühere SPD-Europaabgeordnete.

Im Generalkonsulat herrschte reges Treiben. Wartende Wähler standen auf einem langen Gang im Gebäude und Dutzende Meter auf dem Gehsteig geduldig in der Reihe. In einem Raum waren parallel drei Wahlkommissionen tätig. Sie händigten den Wählern jeweils zwei buntbedruckte Stimmzettel im Querformat aus, einen breiteren für die Parlamentswahl und einen etwas schmäleren für die Präsidentenwahl.

Außerdem erhielten sie einen Stempel, mit dem dann hinter einer Kartonwand das gewünschte Feld auf dem Stimmzettel markiert werden sollte. Die verschlossenen Wahlkuverts wurden dann in gläserne Urnen geworfen.

Wahlkabinen
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Im Generalkonsulat in Wien-Hietzing herrschte am Donnerstag reges Treiben

Mehrheit für Erdogan

Die Auslandstürken gelten traditionell als starke Stütze von Präsident Recep Tayyip Erdogan und seiner islamisch-konservativen AK-Partei. Vor fünf Jahren votierten die Auslandstürken mit rund 60 Prozent für Erdogan, während er in der Endabrechnung auf 52,6 Prozent kam. In Österreich erhielt er sogar 72,3 Prozent der Stimmen, nur in Belgien und den Niederlanden waren es geringfügig mehr. In Deutschland, wo die Hälfte aller wahlberechtigten Auslandstürken lebt, erhielt Erdogan 64,8 Prozent der Stimmen.

Botschafter Ceyhun wandte sich dagegen, die politischen Präferenzen der türkischen Staatsbürger in Österreich zu problematisieren. Er verwies darauf, dass die gesamte türkische Community in Österreich aus 300.000 Personen bestehe und die Mehrheit davon österreichische Staatsbürger seien. „180.000 Menschen wählen nicht in der Türkei, und 120.000 Menschen wählen nicht in Österreich. Ich sehe da keine Vergleichsmöglichkeit“, so Ceyhun, der darauf hinwies, dass es zum Teil sogar innerhalb von Familien unterschiedliche Staatsbürgerschaften gebe.

Wahlen als Chance „Gehör zu verschaffen“

Ceyhun warb auch um Verständnis dafür, dass bei den türkischen Wahlen auch Menschen mitbestimmen, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben: Da sie in Österreich kein Wahlrecht haben, können sie nur in der Türkei mitbestimmen. Die türkischen Wahlen seien ihre einzige „Chance“, ihren Problemen Gehör zu verschaffen, argumentierte der Spitzendiplomat.

Stimmzettelbox
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Botschafter Ozan Ceyhun rechnet mit einer Rekordbeteiligung unter den 108.000 Wählerinnen und Wählern in Österreich

Gesundheitliche Probleme im Wahlkampfendspurt

Der Urnengang am 14. Mai gilt als Schicksalswahl, muss doch Erdogan Umfragen zufolge erstmals seit 20 Jahren ernsthaft um seinen Sieg bangen. Zu schaffen machen ihm anhaltende wirtschaftliche Probleme, aber auch das rund um das verheerende Erdbeben in der Südosttürkei offenbar gewordene Missmanagement.

Zudem wird Erdogan erstmals von einer vereinten Oppositionsfront herausgefordert. Hinter den Chef der oppositionellen Sozialdemokraten (CHP), Kemal Kilicdaroglu, haben sich insgesamt sechs Parteien geschart. Auch die pro-kurdische HDP stützt Kilicdaroglu indirekt, indem sie auf einen eigenen Kandidaten verzichtet hat. Dem 69-Jährigen Amtsinhaber machen im Wahlkampfendspurt auch gesundheitliche Probleme zu schaffen. Nach einer Unpässlichkeit während eines Fernsehinterviews am Dienstagabend musste Erdogan am Mittwoch alle Termine absagen.