In Erinnerung ist noch der 1. Mai 2016, als der damalige Parteichef Werner Faymann sich am 1. Mai mit Pfiffen und Buhrufen konfrontiert sah. Für Rendi-Wagner gab es indes freundlichen Applaus.
Die Abordnungen aus den Bezirken waren zuvor am Vormittag wie jedes Jahr im Sternmarsch zum Rathausplatz gezogen. Danach begannen die Reden, als erster trat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ans Rednerpult. Nach Ludwig sprachen die Wiener Frauenvorsitzende Marina Hanke und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, die Schlussrede hielt Rendi-Wagner.
„Zeit der Selbstbeschäftigung bald vorüber“
Um stark zu sein, müsse man geeint sein, verwies Rendi-Wagner in ihrer Rede vor dem Wiener Rathaus auf die laufende Vorsitzdebatte. Allerdings sei hier ein Ende absehbar. „Die Zeit der internen Selbstbeschäftigung wird bald vorüber sein.“ Danach können man sich wieder den politischen Mitbewerbern entgegenstellen.
Denn dies sei die eigentliche Aufgabe der SPÖ, stellte sie klar. „Wir müssen stark sein, wir müssen stärker sein.“ Geschlossenheit sei die Voraussetzung, um das „Vertrauen der Menschen wieder zu gewinnen“. „Es muss das Ziel sein, dass dieses Land endlich wieder eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung bekommt.“ Wichtig sei, eine Neuauflage von Schwarz-Blau im Bund zu verhindern, sagte Rendi-Wagner. Einer Koalition mit der FPÖ erteilte sie erneut eine Absage.
Ruf nach Geschlossenheit beim Maiaufmarsch
Der heurige 1. Mai ist geprägt von der Führungsdebatte in der SPÖ über die Bühne gegangen. SPÖ-Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner mahnte am Rathausplatz zu Geschlossenheit. Es gab aber auch kritische Stimmen zu hören.
Ludwig stellt sich erneut hinter Rendi-Wagner
In knapp 15 Minuten richtete der Wiener SPÖ-Chef Ludwig am gut gefüllten Rathausplatz seinen Kontrahenten seine Meinung aus. Von der Bundesregierung forderte er eine Mietpreisbremse sowie eine Gaspreisbremse. Zur FPÖ bekräftigte Ludwig seinen Kurs: „Mit so einer Partei werden wir in Wien – und ich kann euch versprechen auch auf Bundesebene – keine Koalition eingehen.“
In der innerparteilichen Diskussion stellte sich Ludwig erneut klar hinter die Parteichefin. Er hoffe, mit ihr „sehr bald nach der Nationalratswahl die erste gewählte sozialdemokratische Bundeskanzlerin in Österreich“ zu haben. „Dann wird sich vieles in Österreich ändern.“
Lacher über „Bürgermeister Michael Häupl“
Ludwig verwies auch auf die rasche Hilfe für Menschen, die vom russischen Angriff aus der Ukraine fliehen mussten, und forderte den Bund auch auf, sich verstärkt gegen Regime wie im Iran oder Afghanistan einzusetzen, in denen die Rechte für Frauen missachtet würden.
Politologe Filzmaier zum Machtkampf in der SPÖ
Politologe Peter Filzmaier spricht zum Führungs- und Richtungsstreit in der SPÖ.
Dass ihm nach seiner Rede etwas widerfuhr, was dank Vornamensgleichheit immer wieder passiert, sorgte für Heiterkeit am Rathausplatz: Ludwig wurde als „Bürgermeister Michael Häupl“ verabschiedet. Er nahm es mit Humor. „Ich weiß trotzdem, wer gemeint ist“, versicherte er.
Frauenvorsitzende ortet „unerträgliche Zustände“
Die Wiener SPÖ-Frauenvorsitzende Hanke ortete in ihrer Rede „unerträgliche Zustände“ im Land. Kinder hätten nicht genug zu essen, viele Menschen könnten sich auch Mieten nicht mehr leisten. Die ÖVP versuche von Problemen abzulenken, etwa in dem hart arbeitende Marktstandler beleidigt würden, wie es der Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer getan habe. Dieser hatte zuletzt Kaufleute mit nicht-österreichischer Herkunft etwa am Brunnenmarkt oder am Viktor-Adler-Markt ins Visier genommen und damit für Staunen und auch Hohn gesorgt – da angeblich ÖVP-Funktionäre als „Passanten“ interviewt wurden.
Dass Mahrer ein Problem mit „Jugendbanden“ habe, sei hingegen nachvollziehbar, befand Hanke. Er habe offenbar ein Problem mit seiner eigenen Jugendbande, etwa Ex-Kanzler Sebastian Kurz oder dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. „Aber wir dürfen solche Aktionen auch nicht ins Lächerliche ziehen. Denn sie bereiten den Boden für weiteres“, warnte Hanke. Zuletzt seien etwa bei einer Kinderbuchlesung mit einer Drag-Queen Leute aufmarschiert, die den Hitlergruß gezeigt hätten.
Katzian: „Nachteil steckt im Wort ‚einmal‘“
ÖGB-Präsident Katzian ging auf Aussagen von Finanzminister Brunner ein, nun wieder genauer auf den „Budgetpfad“ zu achten. Ein Sparpaket kommt für Katzian aber nicht infrage, wie er klarstellte. Sollte ein solches auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geplant sein, richte er aus: „Hau di über die Häuser“, das werde so sicher nicht gehen. Es sei der Sozialstaat gewesen, der alle durch die Pandemiejahre geführt habe. Der Markt hingegen habe sich „geschlichen“.
Man lasse sich den Sozialstaat nicht zertrümmern. „Und wenn der Finanzminister eine Marie braucht, soll er es sich dort holen, wo es da ist.“ Große Vermögen und Erbschaften müssten einen Beitrag leisten, forderte Katzian. Die Teuerung sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Regierung habe sich aber auf Einmalzahlungen beschränkt. „Der Nachteil steckt nicht im Wort Zahlung, der Nachteil steckt im Wort ‚einmal‘“. Denn die Preise würden hoch bleiben, inflationsdämpfende Maßnahmen seien notwendig.
Trommeln, Fahnen, gutes Wetter
Auf der Ringstraße bot sich ein Bild, das sich nicht von jenem früherer Jahre unterschied. Die Delegationen machten mit Transparenten und Plakaten auf ihre Anliegen aufmerksam, dazu wurde getrommelt, musiziert und Fahnen geschwenkt. Jedenfalls hold war den Wiener Roten der Wettergott. Die Veranstaltung konnte bei traumhaften Frühlingswetter über die Bühne gehen.
Das Motto der traditionellen roten Kundgebung am Wiener Rathausplatz lautet „Stark. Stärker. Zusammen“. Es gelte, Geschlossenheit für eine geeinte Sozialdemokratie zu zeigen, wurde bereits im Vorfeld betont. Die ersten Abordnungen wurden gegen 9.00 Uhr vor dem Rathaus empfangen. Die Prominenz wanderte ebenfalls mit, Rendi-Wagner winkend mit dem ersten Bezirk und Ludwig mit der Abordnung aus Floridsdorf.
„Keine Deutschpflicht in Schulen und der Löwelstraße“
Die diversen Parolen auf den Transparenten widmeten sich höchst unterschiedlichen Anliegen. So wurde etwa gegen die steigenden Mieten gewettert und für Vermögenssteuern plädiert. Auch das Nachbarbundesland war – wohl dank der Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ – heuer Thema. „Wien darf nicht Niederösterreich werden“, hieß es auf einem Plakat.
Doch auch die internen Querelen wurden nicht ausgespart. Dabei zeigte sich, dass Parteichefin Rendi-Wagner keinesfalls nur Fans im Publikum haben dürfte. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter machten sich etwa für „Parteidemokratie und Andi Babler“ stark. Ein Transparent einer Jugendorganisation bescherte auch Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch eine Erwähnung, wenn auch keine sonderlich freundlich: „Keine Deutschpflicht in Schulen und der Löwelstraße“, wurde da gefordert.
Rendi-Wagner hatte im parteiinternen Konflikt just einen Tag vor dem 1. Mai Öl ins Feuer gegossen und ihrem einstigen Förderer, dem früheren SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern, in Interviews am Sonntag Charakterlosigkeit vorgeworfen, weil dieser nun ihren Kontrahenten Hans Peter Doskozil unterstützt.
Doskozil drängt auf Umsetzung des Mindestlohns
Die Gegenspieler der Parteivorsitzenden waren heute ebenfalls im Einsatz, allerdings nicht in Wien: Der burgenländische Landeshauptmann Doskozil nahm am frühen Nachmittag an einer Veranstaltung in Kobersdorf (Bezirk Oberpullendorf) im Mittelburgenland teil. Nach dem Marsch vom Sportplatz zum Gemeindeamt zeigte sich der Landeshauptmann „überwältigt“ von den mehreren hundert Teilnehmern. Die Veranstaltung in Kobersdorf sei eine Bezirksfeier und auch jene in den anderen Bezirken hätten eine ähnliche Dimension, betonte er in seiner Rede: „Hier zeigt sich, warum wir Wahlen gewonnen haben.“ Der Grund hierfür sei der „Zusammenhalt“.
Im Vorfeld drängte er einer Aussendung anlässlich des 1. Mai auf die Umsetzung des von ihm forcierten Mindestlohns von 2.000 Euro netto. „Eine erneuerte Sozialdemokratie brennt wieder dafür, das Leben der arbeitenden Menschen in Österreich zu verbessern – am 1. Mai und an allen anderen Tagen im Jahr“, betonte er am Montag.
Babler: SPÖ „nur mehr ein Teelichterl“
Andreas Babler, einer der drei Kandidaten für den SPÖ-Vorsitz, bezeichnete am Montag als Festredner bei der Maifeier in Krems-Lerchenfeld die Sozialdemokratie als „Alternative zum politischen System des Bittstellertums“. Der Traiskirchner Bürgermeister forderte erneut eine Arbeitszeitverkürzung und Vermögenssteuern.
Es brauche ein „Comeback der Sozialdemokratie“, die Partei müsse gestärkt und geeint aufs Spielfeld gehen, zog Babler den Vergleich zum Fußball. In den vergangenen Jahren sei die SPÖ „nur mehr ein Teelichterl gewesen“, meinte Babler in seiner Rede im Rahmen eines SPÖ-Frühschoppens vor dem Volkshaus: „Wir müssen schauen, dass wir wieder eine Flamme werden.“ Er kritisierte auch die SPÖ, die etwa keine authentische Sprache finde und so anderen Parteien wie der FPÖ Wähler zutreibe.
Die anderen Parteien am 1. Mai
Vom Ausflug ins Bierzelt nach Linz bis zum Einfordern von Maßnahmen für Langzeitarbeitslosen: Die anderen Rathausparteien haben den ersten Mai ebenfalls thematisiert.
Kritik von Mahrer und Nepp
„Während sich die Wiener Sozialdemokratie am 1. Mai gegenseitig auf die Schulter klopft und krampfhaft versucht die massiven internen Zerwürfnisse zu kaschieren, ist es um den Wiener Arbeitsmarkt alles andere als gut bestellt. Und verantwortlich dafür sind die jahrzehntelangen Versäumnisse der SPÖ“, so der Wiener ÖVP-Landesparteiobmann Karl Mahrer in einer Aussendung.
„Die Selbstbeweihräucherung von SPÖ-Bürgermeister Ludwig bei der heutigen 1. Mai Veranstaltung hat mit der Realität in Wien nichts zu tun. Der Räuber Rathausplatz Michael Ludwig lebt nur mehr in seiner Genossen-Scheinwelt“, schreibt der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp zu den Aussagen Ludwigs.