Heute gilt die Postkarte als kitschiger Nostalgieträger oder als belangloses Alltagsobjekt. Doch das war nicht immer so. Kurator Sándor Békési wagt in seiner Ausstellung „Großstadt im Kleinformat. Die Wiener Ansichtskarte“ erstmals den Versuch, die Geschichte und die wandelnde Bedeutung der Postkarte als erstes globales Bildmedium aufzuarbeiten.
Ein besonderes Highlight stellt dabei ein Video dar, das die Entwicklung eines einzigen Fotos von der Prater Hauptallee zeigt. Über die Jahre hat es 14 Veränderungen durchlaufen. Zuerst wird ein junges Mädchen aus dem Foto entfernt, dann ein Hund hineinretuschiert, plötzlich ist die ganze Familie weg. Dafür steht da eine Kutsche, welche schlussendlich durch Automobile ersetzt wird. Aber auch imposante Abbildungen des Stephansdoms und des Wiener Westbahnhofs oder das einzige Foto des Brandes der Rotunde im Prater um 1937 locken in die Ausstellung.
Mehr als ein Vermittler touristischer Grußbotschaften
Während Sehenswürdigkeiten wie das Wiener Riesenrad oder der Stephansdom noch heute zu den beliebtesten Wiener Postkartenmotiven zählen, umfasst die Ausstellung auch Abbildungen von lange in Vergessenheit geratenen Gassen, Parks und Plätzen. Am Beispiel von Rudolfsheim-Fünfhaus, einem Arbeiter-Vorortebezirk, zeigt die Ausstellung, wie früher fast jede Straße aus der Gegend zu einem Postkartenmotiv wurde. Von der Vielfalt an Motiven dieses Bezirks blieb nur die Stadthalle übrig.
Großstadt im Kleinformat
Die Wiener Ansichtskarte
Wien Museum MUSA, Felderstraße 6–8, 1010 Wien, bis 24. September 2023,
Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10.00 bis 18.00 Uhr
Gleichzeitig zeigen die vielen noch erhaltenen Postkarten aus dem 20. Jahrhundert, welche auch Nebengassen und Vorstadt-Wirtshäuser abbilden, dass die Grußkarte früher nicht vorrangig für touristische Zwecke genutzt wurde, sondern auch wichtige Ereignisse dokumentierte und besonders bei Sammlern sehr beliebt war. Von vielen Wiener Adressen sind die Postkarten die einzigen noch existierenden Bildquellen.
Aufarbeitung der Ansichtskarte
Im Rahmen der Ausstellung wird den spezifischen Eigenschaften und Entstehungsbedingungen der Wiener Ansichtskarte auf den Grund gegangen. Dabei sollen auch die verschiedenen Funktionen, welche die Postkarte im Lauf der Geschichte eingenommen hat, etwa als Kommunikations- und Werbemittel, als Sammelstück oder als Kunstform thematisiert werden.
Darüber hinaus soll die Ausstellung auch Möglichkeiten präsentieren, wie die Postkarte für den heutigen Gebrauch adaptiert werden könnte, wie das traditionelle Medium in einem elektronischen Medium fortwirken könnte. Aktuell findet man sie häufig als mit Pointen und Witzen versehene Freecards am WC-Ausgang von Bars oder Cafés vor. Versendet wird sie nur noch in den seltensten Fällen. Dafür nutzt man heute Soziale Medien.