Chronik

„Kommissarin Lecks“ schnüffelt im Stromnetz

Lecks – nicht Leckerlis – sind ihr Geschäft: Eine Belgische Schäferhündin macht gerade in Wien Station und stellt ihre besondere Spürnase unter Beweis. Sie erschnüffelt undichte Stellen in unterirdischen Hochspannungskabeln.

Bei Testläufen entdeckte „Kommissarin Lecks“, die eigentlich Rayca heißt, in Windeseile zuvor versteckte Geruchsproben. Die leicht nach Terpentin riechende Isolierflüssigkeit befindet sich normalerweise im Großteil der Hoch- und Höchstspannungskabel im Wiener Stromnetz, um die Spannung nicht nach außen dringen zu lassen.

Zwei Drittel der in eineinhalb Meter Tiefe verlegten Hochspannungskabel (110 kV) führen diese Isolierflüssigkeit. Sie liegen meist unter Gehsteigen – auf insgesamt 400 Kilometern Streckenlänge quer durch ganz Wien. Bei den insgesamt 53 Kilometer langen Höchstspannungskabeln (380 kV) sind drei Viertel mit Isolierflüssigkeit befüllt. Der kleinere Rest sind modernere Erdhochspannungskabel mit Kunststoffisolierung.

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Spürhund Rayca in Aktion mit Hundeführer
ORF Wien/Doris Manola
Spürhund Rayka
ORF Wien
Spürhund Rayca mit Hundeführer
ORF Wien/Doris Manola
Spürhund Rayca mit Hundeführer
ORF Wien/Doris Manola

„Sie hat mehrere Produkte im Kopf“

Ist das Hochspannungskabel nun undicht, tritt die Isolierflüssigkeit aus. Hier kommt die Spürhündin aus Belgien ins Spiel, die auf diesen Geruch trainiert ist – genau genommen auf mehrere: „Sie entdeckt Öl, Gas, Diesel, sie erschnüffelt vieles. Sie macht dabei nie Fehler. Die einzige Fehlerquelle ist, ich kann nicht sagen: Einen Tag macht sie Öl, den nächsten Benzin. Sie hat eben mehrere Produkte, Substanzen im Kopf“, sagt Luc Derboven, „Intero – The Sniffers“-Hundeführer aus Belgien, im „Wien heute“-Interview.

Er ist derzeit mit seiner Hündin Rayca für drei Tage zu Gast in Wien, um den Wiener Netzen ihr Können vorzuführen. Unterwegs zu sein ist für die vierjährige Hündin kein Problem: „Ich reise viel mit ihr, nicht nur in Europa, auch nach Singapur, in vielen Ländern machen wir das“, so Derboven.

Ball statt Leckerlis

Bis zu einer Tiefe von 1,8 Metern kann die Hündin die Isolierflüssigkeit riechen. Sie beginnt bereits rund 50 bis 100 Meter zuvor an der Leine zu ziehen. An der detektierten Stelle legt sie sich kurz als Zeichen auf den Boden, macht dabei aber keinen Laut. Der Hundetrainer weiß dann: Sie hat etwas entdeckt.

Leckerlis gibt es keine als Belohnung: „Sie macht alles für den Ball. So testen und finden wir auch die richtigen Hunde. Wenn der Hund gierig nach dem Ball ist, können wir ihn trainieren“, erklärt Derboven. Er trainiert nicht nur Belgische Schäferhunde, sondern auch Labradore und Jagdhunde. Rund fünf Kilometer konzentrierte Schnüffelarbeit schafft der Spürhund am Tag. Für den Wiener Testlauf wurden drei Kabelstrecken auf insgesamt neun Kilometern ausgewählt. Durch die in der Stadt versiegelten Böden ist es noch einmal schwieriger, ein Leck zu finden.

Besondere Spürnase

Eine belgische Schäferhündin macht gerade in Wien Station und stellt ihre besondere Spürnase unter Beweis. Sie erschnüffelt Lecks in Gas- oder Erdöl-Pipelines und auch in unterirdischen Hochspannungskabeln.

Rasch und kostengünstig

Das Fazit nach zwei Tagen Schnüffelarbeit: „Der Hund hat eine Stelle gefunden, wo er sich hingelegt hat. Da werden wir nachschauen, ob dort tatsächlich ein Fehler ist. Der Vorteil wäre natürlich, dass die Fehlersuche – wenn tatsächlich ein Fehler da ist – relativ rasch und kostengünstig durchgeführt werden könnte“, zeigt sich Michael Klein, Hochspannungsreferent der Wiener Netze, bei einem Lokalaugenschein beeindruckt.

Auf herkömmlichem Weg ist die Fehlersuche ein langwieriger Prozess. Die Isolierflüssigkeit der Kabel steht unter einem gewissen Druck, der unter Dauerbeobachtung steht. Ein Druckabfall komme relativ selten vor, in Höchstspannungskabeln „vielleicht ein-, zweimal in ein paar Jahren“, so Klein, zu etwa 70 Prozent in Zusammenhang mit Beschädigungen durch Bagger bei Bauarbeiten.

Herkömmlicher Weg langwierig

Ein Druckabfall bedeute, dass die – übrigens biologisch abbaubare – Isolierflüssigkeit nach außen gedrungen sei, erklärt der Experte weiter. Dann beginnt die aufwendige Fehlersuche auf der Kabelstrecke. Herkömmlich muss bei einem verdächtigen Druckabfall der Boden aufgebohrt und dann Stück für Stück nach der undichten Stelle gesucht werden.

„Man gräbt immer bei der Hälfte eines Kabels auf, mithilfe von flüssigem Stickstoff, der hat minus 196 Grad, wird das Kabel abgefroren. Und dann schaut man zu den beiden Gegenstellen, wo der Druckabfall nach wie vor besteht, und kann somit die Strecke eingrenzen, auf der sich der Fehler befindet. Es wird immer weiter halbiert, solange, bis der Fehler dann endlich gefunden wird.“

„Jede Stelle gefunden, die wir präpariert haben“

Die Hündin findet im Vergleich dazu die Fehlerstelle schnell und direkt, die Ortung ist genau – zumindest ziemlich genau. „Die Stelle, die der Spürhund findet, ist nicht zwingend die Stelle, wo sich auch der Fehler im Kabel befindet. Es ist jene Stelle, wo die Gase der Flüssigkeit die Erde verlassen“, präzisiert Klein. Es könne daher vorkommen „durch unterirdische Einbauten, dass sich da etwas verzieht, aber mehr als zehn Meter sind es in der Regel nicht“.

Der Hochspannungsreferent dürfte jedenfalls schon auf den Hund gekommen sein: „Dass der Hund einen Fehler riechen kann, das wurde bewiesen.“ Denn alle paar 100 Meter muss die Konzentration des Hundes überprüft werden. „Da wird eine Stelle markiert mit dem Geruchsstoff, und da sieht man dann, dass er reagiert. Er hat jede Stelle gefunden, die wir präpariert haben.“ Die belgische Firma ist insgesamt eine Woche mit der Spürhündin für Tests in Österreich. Nach Wien geht es noch weiter nach Graz. Mit großem Interesse wird nun auf die Auswertung des vielversprechenden Testlaufs gewartet.