Chronik

Schwere Kritik an Siegesfeier für Erdogan

Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben in der Nacht auf Montag in Wien den Wahlsieg gefeiert. Autokorsos verursachten erhebliche Verkehrsbehinderungen. Die Opposition sprach von Ausnahmezustand und Ausschreitungen.

Laut einem Sprecher der Wiener Polizei kam es bei den spontanen und daher auch nicht angemeldeten Kundgebungen ab 20.30 Uhr vor allem im Bereich um den Reumannplatz zu Autokorsos, die erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen verursachten. Einige hundert Menschen versammelten sich am Reumannplatz und schwenkten lautstark feiernd türkische Fahnen. Laut „Wien heute“ war die Stimmung zwar leicht aufgeheizt, aber nicht aggressiv. Es seien keine bengalischen Feuer oder Knallkörper zu sehen gewesen.

Türkei-Wahl: Reaktionen in Wien

Der neue Präsident der Türkei ist der alte: Nach dem Sieg von Recep Tayyip Erdogan bei der Stichwahl hat es auch in Wien spontane Feiern auf der Straße gegeben.

Die Lage beruhigte sich nach dem Einschreiten der Polizei gegen 23.30 Uhr. Man habe auch, so der Polizeisprecher, möglicherweise gefährdete Objekte wie das Ernst-Kirchweger-Haus und Botschaften geschützt und verhindert, dass sich die vielen hundert Feiernden weiter in Bewegung setzen konnten. Vereinzelt sei der in Österreich verbotene Wolfsgruß zu sehen gewesen, einige Anzeigen seien die Folge gewesen. Der Gruß gilt als Erkennungszeichen der rechtsextremen türkischen Gruppierung Graue Wölfe.

TÜRKEI-WAHL: WAHLFEIER AM WIENER REUMANNPLATZ
APA/SAMUEL WINTER
Einige hundert Menschen versammelten sich auf dem Reumannplatz

ÖVP: „Realität holt Schönfärberei ein“

„Wenn nach dem Sieg des umstrittenen türkischen Präsidenten Erdogan plötzlich Tausende Menschen den Verkehr und die öffentliche Ordnung lahmlegen, um ‚ihren‘ Präsidenten zu feiern, sind wir Zeitzeugen einer weiteren Verschärfung der Situation“, sagte ÖVP-Wien-Landesparteiobmann Karl Mahrer in seiner Reaktion am Montag. Parallelgesellschaften würden sich immer mehr von der österreichischen Gesellschaft abschotten und ihr Leben leben. Dazu gehöre offenbar auch türkische Politik mitten in Wien.

Mahrer kritisierte, dass die SPÖ-NEOS-Stadtregierung wieder wegschauen würde, statt zu handeln. Wien dürfe keine falschen Signale mehr setzen und sich als sicherer Hafen darstellen sowie als Hauptstadt der Zuwanderung präsentieren. Die ÖVP fordere unter anderem ein Maßnahmenpaket gegen Abschottung sowie gezielte Maßnahmen für Gewaltprävention. „Die Wiener Stadtregierung muss sich endlich der Realität stellen“, so Mahrer.

FPÖ: „Favoriten zu Kalifat gemacht“

„Die gestrigen Ausschreitungen von Erdogan-Fans in Favoriten sind beispielhaft für das, was die Ludwig-SPÖ aus Wien gemacht hat: Eine Stadt, in der mit einer fatalen Massenmigrationspolitik Gegengesellschaften herangezüchtet wurden, die uns ablehnen und aktiv mit Österreich nichts zu tun haben wollen“, sagten der Chef der Wiener FPÖ, Dominik Nepp, und FPÖ-Bezirksparteiobmann Stefan Berger. Es zeige sich, dass dieser Teil von Wien längst aufgegeben und radikalen Migrantengruppen überlassen worden sei.

„Die Wiener SPÖ und Bürgermeister Ludwig haben Favoriten zu einem Kalifat gemacht“, hieß es weiter. Für Nepp, der auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) von seiner Kritik nicht ausschloss, ist es auch völlig unverständlich, was Erdogan-Anhänger in Österreich „verloren haben“: „Wenn Erdogan so ein toller Präsident ist, dann sollten sie doch in dem Land leben, wo er regiert. Ab in die Türkei mit diesen Leuten“, forderte Nepp sie zur Auswanderung auf.

Karner und Raab: Kein Platz für importierten Nationalismus

Innenminister Karner dankte seinen Beamten für ihr „umsichtiges Handeln“ und kündigte Ermittlungen des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem Wolfsgruß an: "Der demokratische Rechtsstaat und seine Gesetze sind von allen Menschen, die in unserem Land leben, zu respektieren. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) erklärte, importierter politischer Aktivismus und Gewalt seien zu verurteilen und zu bestrafen: „Vom Ausland importierter Nationalismus ist das Gegenteil von Integration und hat bei uns keinen Platz.“

Drei Viertel der österreichischen Stimmen für Erdogan

Die in Österreich lebenden türkischen Staatsbürger haben auch bei der Stichwahl mit großer Mehrheit für Amtsinhaber Erdogan gestimmt. Fast 74 Prozent der rund 108.000 wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Österreich gaben ihm nach vorläufigen Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu ihre Stimme. 26,12 Prozent wählten dessen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu. Damit schnitt Erdogan in Österreich erneut deutlich besser ab als insgesamt – mehr dazu in Erdogan geht als Sieger aus Stichwahl (news.ORF.at).