Sojabohnen in Handfläche
ORF
ORF
Wissenschaft

Soja als Klimakiller und Hoffnungsträger

Beim Soja-Weltkongress im Austria Center Vienna vom 18. bis 23. Juni steht die Sojabohne mit allen ihren Aspekten im Mittelpunkt. Über 600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden erwartet.

„Die Sojabohne ist eine ambivalente Pflanze. Sie ist Klimakiller und Hoffnungsträger zugleich. Als einer der Gründe für die Abholzung des Regenwaldes ist sie Täter. Als Nahrungsmittel ist sie Teil der Lösung und ein Schlüssel zur Ernährungswende.“ Das sagt BOKU- Professor Johann Vollmann, der seit über 30 Jahren über Soja forscht.

Beim Weltkongress der Sojaforschung im Austria Center Vienna, geht es darum, welche Bedeutung Soja bei den Überlegungen zur künftigen Ernährung der Weltbevölkerung spielt. Die Richtung ist dabei klar: Weg vom Futtermittel, hin zum Nahrungsmittel. Derzeit würden jedoch noch über 90 Prozent des weltweit angebauten Sojas für die Tierfütterung verwendet. Angesichts ihres hohen Gehalts an hochwertigem Protein ein ernährungstechnischer Irrweg, sagt der Experte.

Wien als Vorreiter bei der Sojabohne

Dass Wien als erste europäische Stadt diesen Kongress beherbergen darf, hat auch historische Gründe. Bei der Wiener Weltausstellung 1873 wurde die Pflanze erstmals einem breiteren europäischen Publikum vorgestellt. In der Sammlung des Weltmuseums Wien befindet sich noch heute eine Truhe mit Exponaten. Damals begann der erste Pflanzenbau-Professor der Universität für Bodenkultur (BOKU), Friedrich Haberlandt (1826-1878), seine Forschungen.

Sojaanbau
ORF.at/Viviane Koth
Soja wird in erster Linie als Tierfutter angebaut

150 Jahre später hütet Vollmann am Universitäts- und Forschungszentrum Tulln nicht nur Sojabohnen, die einst noch von Haberlandt geerntet wurden, sondern 3.000 verschiedene Genotypen. Nach den klassischen Methoden von Gregor Mendel wird versucht, aus der Sojabohne noch mehr herauszuholen. Dass es sich um eine vielversprechende Pflanze handelt, wurde hierzulande schon früh erkannt, geriet aber immer wieder – auch bedingt durch eine Agrarpolitik, die andere Prioritäten setzte – in Vergessenheit.

Erst im 21. Jahrhundert begann eine Trendwende, die sich auch auf hiesigen Äckern bemerkbar macht. Mit 90 bis 100.000 Hektar sei Soja nach Weizen, Mais und Gerste bereits die Ackerpflanze mit der viertgrößten Anbaufläche in Österreich, schildert Vollmann. Dank einiger einschlägigen Verarbeitungsbetriebe gelangt fast die Hälfte der heimischen Sojaproduktion in Lebensmittel. „Es gibt heute über 30.000 moderne Lebensmittelrezepturen, die Soja enthalten – vom Sojadrink über Schokolade bis zur Tiefkühlpizza.“

Plattform macht Soja auch in Europa populärer

2012 wurde die Plattform „Donau Soja“ gegründet, mit dem Ziel, die Sojabohne im europäischen Raum populärer zu machen. Heute hat die Organisation über 300 Mitglieder und ist Mitveranstalter des Weltkongresses. „Donau Soja“ stellt Zertifikate aus, die belegen, dass die verwendete Soja nicht aus durch Rodung gewonnenen Anbauflächen stammen, gentechnikfrei ist, bestimmte Pflanzenschutzmittel nicht verwendet und Standards des Arbeiterschutzes eingehalten wurden.

„80 bis 90 Prozent der österreichischen Eier haben so ein Zertifikat, weil den Hühnern entsprechendes Soja verfüttert wurde“, erklärt der Experte. „Donau Soja“ ist aber nicht nur eine Zertifizierungsagentur, sondern auch eine Forschungsplattform. Hierzulande sei die Sojabohne als subtropische Pflanze zwar „ein Profiteur des Klimawandels“, habe jedoch einen Nachteil, so Vollmann: „Sie braucht viel Wasser.“ Die größten europäischen Anbauflächen befinden sich in der Po-Ebene und werden künstlich bewässert.

Trockenheit als Problem

„Wenn es hierzulande etwa im Marchfeld immer trockener wird, bekommt auch die Sojabohne ein Problem“, sagt Vollmann. Dabei verfüge die Sojabohne über ein klimabilanztechnisch unschlagbares Asset: Sie stellt den Stickstoff, den sie zur Düngung braucht, selbst her. Verantwortlich dafür sind Knöllchenbakterien, die mit Hülsenfrüchtlern in Symbiose leben, an den Wurzeln den Stickstoff der Luft binden und die Pflanzen damit versorgen.

Auch sonst sei Soja mehr als konkurrenzfähig, schildert der Forscher. Bei Mais könne man mit entsprechender Düngung zwar dreimal so viel Ertrag erreichen, der Proteinanteil der Sojabohne sei jedoch mehr als dreimal so hoch. Soja ließe sich deutlich effizienter einsetzen als bei der Verfütterung – zumal der Fleischkonsum in Österreich noch immer mehr als doppelt so hoch sei als das EU-Ziel von 25 kg pro Kopf und Jahr. 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus Tierhaltung stehen mit Soja in Verbindung.

Soja wird immer schmackhafter

Schlüsselfaktoren der Ernährungswende sind Geschmack und Akzeptanz. Wie bei Kichererbsen, die hierzulande noch vor 20 Jahren ein Exotikum waren und heutzutage selbstverständlicher Bestandteil der mitteleuropäischen Küche, schmecken mittlerweile auch Sojaprodukte, so Vollmann. Einer der Schlüssel dafür ist, durch Züchtungen zu versuchen, den natürlichen Zuckergehalt der Sojabohne zu erhöhen.

In der „Langen Nacht der europäischen Soja“ werden sich am 19. Juni im Weltmuseum Wien an die 30 Hersteller von Sojaprodukten präsentieren und ein Soja-Buffet anbieten. „Man kann sich durch die ganze Palette durch kosten“, verspricht Vollmann, der beim Kongress auch selbst als Vortragender in Erscheinung tritt. Er spricht etwa über den Einsatz von Drohnen beim Soja-Anbau oder vom Anti-Aging-Wirkstoff Spermidin, dessen Gehalt in der Sojabohne besonders hoch ist.