Diabetes-Blutkontrolle
APA/dpa/Jana Bauch
APA/dpa/Jana Bauch
Gesundheit

Diabetes: Ein Drittel bricht Therapie ab

Eine neue Studie kommt zu einem alarmierenden Ergebnis. Jeder dritte Diabetiker bzw. jede dritte Diabetikerin bricht die Behandlung plötzlich ab und verzichtet für die Dauer von zumindest einem Jahr auf Medikamente bzw. ärztliche Kontrollen – mit fatalen Folgen.

Die Gruppe jener Diabetikerinnen und Diabetiker, die die Therapie abbricht, weist eine höhere Sterblichkeit auf als jene mit regelmäßiger Betreuung. Das hat ein Forschungsteam unter Leitung der Medizinischen Universität Wien und des Complexity Science Hub Vienna herausgefunden. Es war eher zufällig, dass die Forscherinnen und Forscher zu diesem Ergebnis gekommen sind.

Eigentlich wurde in der Studie erstmals die tatsächliche Verbreitung von Typ-2-Diabetes in Österreich untersucht. Bisherige Angaben zur Häufigkeit von Diabetes in Österreich beruhen nur auf Schätzungen und Umfragen. Die erste nationale wissenschaftliche Untersuchung zur Diabetes-Inzidenz hat nun die genaue Zahl jener Patientinnen und Patienten erhoben, die zwischen 2012 und 2017 eine medikamentöse Behandlung erhielten und/oder sich einer ärztlichen Überwachung des Blutzuckerwerts unterzogen.

Mehr Frauen als Männer brechen ab

Dabei konnte eine bisher in ihrem Ausmaß unbekannte Gruppe identifiziert werden: Von den 746.184 Patientinnen und Patienten brachen 268.680, davon mehr Frauen als Männer, die Behandlung und/oder Überwachung ihrer Erkrankung für zumindest ein Jahr ab. Für diese Gruppe wiesen die Forscherinnen und Forscher zudem eine deutlich erhöhte Sterblichkeit nach.

„Obwohl weder die Ursache für die Sterblichkeit bei den Angehörigen dieser Untergruppe bekannt ist, noch ein kausaler Zusammenhang zwischen abgebrochener Behandlung und Mortalität nachgewiesen ist, können wir aus klinischer Sicht eine Art von Verbindung nicht ausschließen“, sagt Studienleiterin Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien. Therapietreue spielt gerade bei Diabetes eine zentrale Rolle, um Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenversagen, Erblindung und Neuropathien möglichst zu verhindern.

Datensatz von beanspruchten Leistungen analysiert

Die Studienergebnisse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch die Analyse des landesweiten Datensatzes von beanspruchten Leistungen gewonnen, der vom Dachverband der Sozialversicherungsträger in Österreich erhoben wird. „Um auch jene Diabetikerinnen identifizieren zu können, die die Behandlung beendet oder unterbrochen haben, entwickelten wir ein neues epidemiologisches Diabetes-Progressionsmodell“, sagt Studienleiter Peter Klimek vom Institut für Wissenschaft komplexer Systeme der MedUni Wien.

Mit Hilfe dieses Verfahrens wurden neben Trends der Häufigkeit von Diabetes außerdem erhebliche regionale Unterschiede in Österreich gezeigt und erstmals auf Bezirksebene aufgeschlüsselt. Die Inzidenzkarte bestätigt das schon in früheren Studien festgestellte Ost-West-Gefälle mit den höchsten Raten in nordöstlichen Bezirken (insbesondere Bruck/Leitha), offenbart aber auch neue Diabetes-Cluster im Westen (Bezirke Imst und Schwaz sowie Innsbruck Stadt).

„Diesen neuen Clustern muss genauso viel Beachtung geschenkt werden wie der großen Zahl jener, die die Diabetes-Behandlung abbrechen“, folgert Kautzky-Willer. Um zielgerichtet Gegenmaßnahmen setzen zu können, sollen unter anderem die Hintergründe für die Therapieabbrüche bzw. -unterbrechungen in weiteren Studien erforscht werden.