Training im Fitnessstudio vor Corona
dpa-Zentralbild/Britta Pedersen
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Sport

Jugendliche strömen ins Fitnessstudio

In den letzten Jahren hat sich das Bewegungsverhalten Jugendlicher erheblich verändert. Während sie sich früher im Freien körperlich betätigten und oft auch in Sportvereinen aktiv waren, schließen Jugendliche heute zunehmend Abonnements im Fitnessstudio ab.

„Nach der Pandemie wurde erneut ein Anstieg an Abonnementabschlüssen in Fitnesscentern durch Jugendliche verzeichnet“, sagt der Sportwissenschaftler Pascal Bauer von der Universität Wien. Bei der Anzahl an Aboabschlüssen von Jugendlichen nimmt er keine relevanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern wahr. „Das Verhältnis ist circa 50:50“, so Bauer. Daten aus Deutschland zeigen, dass sich die Anzahl im Fitnessstudio registrierter Jugendlicher von 2013 bis 2018 von 1,8 Millionen auf 3,6 Millionen verdoppelt hat. Der relative Anstieg der Mitgliedschaften sei auf Österreich übertragbar.

Körperkult in sozialen Netzwerken

Ein zentraler Grund für den Anstieg sind laut Bauer soziale Netzwerke. Seit jeher stelle der Körperkult auf Plattformen wie Instagram und TikTok ein Problem für die psychische Gesundheit, insbesondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dar. Fitness-Influencerinnen und -Influencer setzen junge Menschen mit Postings von ihren definierten, muskulösen Körpern nun zusätzlich unter Druck. Eine steigende Anzahl an Jugendlichen wolle dem vermeintlichen Körperideal entsprechen, das ihnen tagtäglich im Internet präsentiert wird.

Ein leeres Fitnessstudio
APA/Georg Hochmuth
Zu Beginn sollten Kinder und Jugendliche von Trainerinnen und Trainern angeleitet werden

Neben sozialen Netzwerken tragen auch die oft erschwinglichen Angebote der Fitnessstudios dazu bei, dass immer mehr Jugendliche von Vereinssportarten dorthin wechseln. Bei Ketten wie FitInn und McFit etwa kann ein Abo bereits ab 20 Euro pro Monat abgeschlossen werden. Mit solchen Angeboten werden vor allem Jugendliche und junge Erwachsene mit tendenziell eher niedrigem Budget angesprochen.

Bei den Fitnessübungen zeichnet sich ein klarer Trend ab. Die Burschen machen fast ausschließlich Krafttraining. Besonderes Augenmerk legen sie dabei auf Rücken, Brust und Oberarme. Während bei Frauen und Mädchen lange Cardioübungen dominiert haben, erfreut sich nun auch bei ihnen das Krafttraining steigender Beliebtheit. Allerdings legen sie den Fokus seltener auf den Oberkörper und trainieren vermehrt die Bauch-, Bein- und Gesäßmuskulatur.

Krafttraining im Jugendalter ungefährlich

Während sich Jugendliche hauptsächlich um die Ästhetik ihrer Körper sorgen, haben viele Eltern Bedenken, dass Krafttraining im jungen Alter der körperlichen Entwicklung schaden könnte. Bauer weist solche Annahmen als Mythen zurück. „Krafttraining in der Jugend ist ungefährlich, wenn es kontrolliert erfolgt. Hormonell ist es sogar förderlich“, sagt er. Der Fitnesstrainer empfiehlt Jugendlichen, anfangs besser weniger Gewicht zu stemmen, dafür aber mit mehr Wiederholungen.

Das unterstützt auch Physiotherapeutin Christina Kaufmann, sie ist Lehrende an der FH Campus Wien. Bei Kindern mit Skoliose oder Fehlhaltungen sei Krafttraining genauso ein Teil der Physiotherapie. Krafttraining kann die Knochendichte steigern und führt zu Kraftzuwachs, unter anderem auch durch eine verbesserte Koordinierung der Muskeln, und ist zudem gut für die Psyche und das Konzentrationsvermögen.

Rugbyspielende Burschen
APA/AFP/Nicolas Tucat
Größere Gefahr für Kinder und Jugendliche geht von Kontaktsportarten wie Rugby aus

Das Training selbst berge keine großen Gefahren, wenn es richtig durchgeführt wird. „Jugendliche, die intensiver in das Krafttraining einsteigen wollen, sollten ein paar Trainerstunden in Betracht ziehen, sowohl für die sichere Handhabung der Geräte als auch für die physiologisch korrekte Übungsausführung.“ Wenn es zu Überlastungen und Schmerzen kommt, solle man das Training pausieren, wenn nötig medizinische Hilfe suchen und mit Expertinnen und Experten das Training adaptieren.

Höheres Risiko bei Kontaktsportarten

Das Risiko, sich bei Krafttraining zu verletzen, sei geringer als in Vollkontaktsportarten oder generell im Mannschaftssport. „Es gibt beim Rugby viel mehr zu beachten als im Fitnessstudio.“ Jedoch gebe es dort einen Trainer, der auf Verletzungen oder Überlastungen reagieren kann. Das müssen beim Fitnessstudio mitunter auch Eltern übernehmen.

„Sie sollen darauf achten, wie sich der oder die Jugendliche ernährt, ob es in einem kurzen Zeitraum starke Gewichtsschwankungen gab und wie häufig das Fitnesscenter besucht wird“, rät Sportwissenschaftler Bauer. Vermuten Eltern, dass ihr Kind das Training in einem ungesunden Maß ausübt oder sich zu stark auf die Ernährung fokussiert, sollte gemeinsam mit der oder dem Jugendlichen eine Beratungsstelle aufgesucht werden.

Positive Aspekte des Trainings überwiegen

Im Großen und Ganzen würden die positiven Aspekte, die das Fitnessstudio mit sich bringt, überwiegen, ist Bauer überzeugt. So gehe Krafttraining etwa mit einer Verdichtung der Knochen und einer besseren Haltung einher. Zudem würde durch Sport auch das Immunsystem gestärkt. Um langfristige Erfolge zu erzielen, bedarf es auch Disziplin. „Bei Jugendlichen, die regelmäßig trainieren, wird sich diese auch auf andere Lebensbereiche auswirken“, so der Sportwissenschaftler.

Als wichtigen Faktor für Muskelwachstum nennt Bauer Suchtmittelfreiheit. Jugendliche, die ein sportliches oder ästhetisches Ziel vor Augen haben, würden seltener zu Substanzen wie Alkohol und Nikotin greifen, sagt er. Da bei Kraft- und Cardiotraining Glückshormone freigesetzt werden, würden die Jugendlichen auch psychisch von der körperlichen Betätigung im Fitnessstudio profitieren. Krafttraining ist also nicht nur für die körperliche Fitness, sondern auch für die mentale Gesundheit förderlich.