Beine von Kleinkindern
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chronik

„Echte Inklusion“ für Kinder gefordert

Ein Appell zu „echter Inklusion“ begleitet den Tätigkeitsberichts 2022 der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien. Das Wohlergehen von Kindern müsse Fixpunkt und gleichermaßen Maßstab einer zukunftsorientierten Politik und Gesellschaft sein.

„Auch wenn in Österreich die Durchsetzung der Kinderrechte und damit die Lage der Kinder grundsätzlich verbessert wurde, verschärfen sich in vielen Bereiche stetig die Lebenssituationen von Kindern“, betonte Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal. Vor allem Kinderschutz in der Familie, Kinderarmut und die Inklusion von behinderten Kindern blieben Dauerbrenner aus jenem „Mängelkatalog“, der eine sichere und sorgenfreie Kindheit für viele unmöglich mache.

Mehrere Schwerpunkte begleiten die Arbeit der Anwaltschaft stetig. Dazu gehören etwa der Mangel an Personal, die fehlende Umsetzung der EU-Kindergarantie und die Beseitigung von Kinderarmut. „Gelebte Partizipation ist nicht nur eine Grundhaltung, sondern kann ohne Zweifel die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen maßgeblich verbessern“, so Gharwal.

Keine optimalen Bedingungen für Kinderschutz

Kinder könnten aus den unterschiedlichsten Gründen nicht bei ihren Familien leben, hieß es weiter. Bereits Kleinkinder müssten in Krisenzentren oder Wohngemeinschaften untergebracht werden. Der massive und anhaltende Personalmangel im sozialpädagogischen Bereich erschwere dabei die Einhaltung der behördlichen Standards, ganz abgesehen vom permanenten Platzmangel.

Beziehungsabbrüche sind für viele junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe eine sich wiederholende schmerzliche Erfahrung. Hier brauche es vor allem mehr Engagement, um junge Menschen für dieses Berufsfeld zu gewinnen, so die Anwaltschaft, die hier die entsprechende Aufmerksamkeit der Verantwortungsträger gefordert sieht.

Kein nationaler Aktionsplan gegen Kinderarmut

Jedes dritte Kind in Wien ist laut Kinder- und Jugendanwaltschaft armutsgefährdet. Bedenklich sei in diesem Zusammenhang die Säumigkeit der Bundesregierung hinsichtlich des Nationalen Aktionsplans zur EU-Kindergarantie. Per Ministerratsbeschluss habe sich die Bundesregierung 2021 zur Bekämpfung von Kinderarmut bekannt, bis heute gebe es keinen entsprechenden Nationalen Aktionsplan.

Besonders häufig von Armut betroffen sind demnach Kinder mit besonderen Bedürfnissen, denn Armut und Behinderung gingen oft Hand in Hand. Ihnen fehle der Zugang zu adäquaten integrativen Bildungs- und Betreuungsangeboten sowie ausreichenden Sozialleistungen. Schon Kleinkinder würden oft jahrelang auf einen Kindergartenplatz warten. „Damit haben diese Kinder folglich weniger Chancen eine Ausbildung abzuschließen, einen Job zu finden und aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben“, so Gharwal.

Armut als soziale und strukturelle Barriere

Armut definiere sich nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch aus sozialen und strukturellen Barrieren, die Entwicklungsmöglichkeiten und Lebensperspektiven einschränken: „Echte Inklusion kann diesen Kreislauf durchbrechen“, betonte Gharwal. Alle seien aufgefordert, Kinder in rechtliche und planerische Prozesse mitzudenken und miteinzubeziehen.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien wurde im Jahr 1992 eingerichtet und konnte damit im Jahr 2022 auf 30 Jahre Tätigkeit zurückblicken. Ein weiteres rundes Jubiläum begeht das Monitoring von Wohngemeinschaften und Krisenzentren: Es wird seit zehn Jahren durchgeführt. Allein im Jahr 2022 fanden 95 Monitoring-Besuche statt.