Chronik

Mehrjährige Haftstrafen für Fensterbohrerbande

In Wien ist am Dienstag ein Prozess gegen eine hochprofessionelle Einbrecherbande zu Ende gegangen. Fünf Personen wurden zu großteils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, nicht rechtskräftig. Sie sollen sich auf die Fensterbohrmethode spezialisiert haben.

Die aus Ungarn stammende Gruppe soll sich zu einer kriminellen Vereinigung zusammengeschlossen und arbeitsteilig organisiert haben, um in Nobelvillen am Wiener Stadtrand einzudringen. Die beiden unmittelbaren Täter, Profis im Alter von 43 und 54 Jahren, fassten nicht rechtskräftig fünf bzw. viereinhalb Jahre Haft aus.

Die Männer weisen europaweit bereits acht bzw. sechs einschlägige Vorstrafen auf. Sie verstehen es laut der Staatsanwältin, Fenster- und Türrahmen so anzubohren, dass sich mittels einer durch die Löcher zu ziehenden Drahtschlinge die Verriegelung lösen lässt und man so ins Innere gelangt.

Haushälterin als Kronzeugin

Der Prozess am Wiener Landesgericht lief seit Mitte April. Am letzten Verhandlungstag hatte die Haushälterin eines Opfers als Kronzeugin der Anklage gegen die mutmaßlichen Chefs der Bande ausgesagt. Dabei handelt es sich um ein Ehepaar im Alter von 50 und 53 Jahren.

„Die zwei sind der Kopf der kriminellen Vereinigung. Lassen Sie sich nicht von ihrem Aussehen täuschen! Die beiden haben das Sagen und das Geld“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag in Richtung des Schöffensenats. Das Gericht folgte der Anklage, die beiden wurden jeweils zu dreieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt.

Ehepaar nahm Strafe an

Nach der Urteilsverkündung wurden die Rechtsvertreter des Paares, die Verteidiger Philipp Wolm und Peter Philipp, vom 53-Jährigen beschimpft, worauf sie ihre Vollmacht zurücklegten. Darauf entschuldigte sich der 53-Jährige und nahm – ebenso wie seine Frau – die Strafe an. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, auch diese Urteile sind daher nicht rechtskräftig.

Die 50-Jährige hatte in einem Gefängnis eine Landsfrau kennengelernt. Als diese nach ihrer Entlassung in Wien einen Job als Haushälterin bei einer vermögenden älteren Dame annahm und auf Facebook Fotos der Villa postete, nahm die 50-Jährige wieder Kontakt zu ihr auf. Offenbar von Anfang mit dem Hintergedanken, dass in der Villa viel Geld zu holen sei, wie die ehemalige Haushälterin nun in ihrer Einvernahme als Zeugin vermutete.

Haushälterin ließ sich zum Mitmachen überreden

Demzufolge dürfte seit 2017 geplant gewesen sein, die Nobelvilla auszuräumen, nachdem die Haushälterin das Ehepaar mehrfach zu Besuchen in ihrer Dienstwohnung in der Villa empfangen hatte. „Ich war so naiv“, schilderte die ehemalige Haushälterin dem Gericht. Schon bei einem der ersten Besuche sei der Mann plötzlich aufgestanden und habe für eine Stunde die Räumlichkeiten inspiziert: „Ich habe nicht gedacht, dass sie die Gelegenheit zur Lageerfassung nützen.“ Dann habe sie aber gehört, wie der Mann Laden öffnete und durchwühlte.

In weiterer Folge ließ sich die Haushälterin zum Mitmachen bei kriminellen Vorgängen überreden, wie sie einbekannte: „Das ist eine riesige Schande für mich.“ Bei einem späteren Besuch habe sie dem Ehepaar den Schlüsselbund der Villenbesitzerin zum Nachmachen diverser Schlüssel übergeben. Den Schlüssel zu einem Safe in der Waschküche habe sie ihnen sogar „zu meiner großen Schande“ überlassen, worauf der Mann diesen sogleich ausgeräumt und dabei Goldmünzen und Bargeld erbeutet habe. Das Geld habe man durch drei geteilt: „Ich habe weniger als 1.000 Euro bekommen.“

Villenbesitzerin gefesselt

Mit den nachgemachten Schüsseln drangen dann später die beiden einschlägig vorbestraften Profieinbrecher nächtens in die Villa ein. Dieser Coup ereignete sich am 28. Mai 2019. Die 79 Jahre alte Besitzerin hörte die Eindringlinge aus dem Zimmer, in dem sich ihr großer Tresor befand. „Sie ist total mutig. Sie geht in den Raum, wo die beiden Männer sind“, schilderte die Staatsanwältin.

Die 79-Jährige wurde von den beiden vermummten Männern gefesselt und nach dem Code gefragt. Nachdem sie den Tresor leergeräumt hatten, ließen die beiden die mit einem Kabel und einem Tuch gefesselte ältere Dame einfach liegen. Dieses Anklagefaktum hatte die Staatsanwaltschaft als schweren Raub und Freiheitsentziehung qualifiziert, erbeutet wurde laut Anklage Schmuck im Wert von mehreren 100.000 Euro.

Teilbedingte Haftstrafe für Chauffeur

Während sich das Ehepaar vor Gericht „nicht schuldig“ bekannte, waren die unmittelbaren Täter geständig. Das galt auch für den Fünftangeklagten, einen 28-jährigen Mann, der als Chauffeur fungiert hatte. Als Fluchtwagen diente ihm dabei ein gestohlener Porsche Cayenne. Der bisher Unbescholtene erhielt drei Jahre Haft, davon ein Jahr unbedingt, was er akzeptierte. Die Staatsanwältin behielt sich demgegenüber eine Rechtsmittelerklärung vor.

Die ehemalige Haushälterin hatte sich von sich aus an die Strafverfolgungsbehörden gewandt und um Kronzeugenstatus angesucht, den sie auch zugestanden bekam, nachdem sie umfassend gegen das Ehepaar ausgepackt hatte. „Ansonsten würde sie heute mit ihnen auf der Anklagebank sitzen“, betonte die Staatsanwältin.

Porsche bei anderem Einbruch gestohlen

Den Porsche hatten die Täter der Staatsanwaltschaft zufolge an sich gebracht, als sie in eine andere Villa in der Peter-Jordan-Straße eindrangen und sich Schmuck und Wertsachen aneigneten, während die Hausbesitzer schliefen. Reich beladen verließen die Einbrecher über die Garage den Tatort und stießen dort auf den Porsche. Der Zündschlüssel steckte, worauf sie sich kurzerhand ins Fahrzeug setzen, die Garage öffneten und das Weite suchten. Von der Anklage umfasst waren darüber hinaus noch zwei weitere, Ende April 2019 begangene Einbrüche.