Landesgericht für Strafsachen von außen
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Chronik

Anwalt von Verhandlung ausgeschlossen

Wegen Nötigung und Körperverletzung ist ein pensionierter Anwalt in Wien vor Gericht gestanden – allerdings nicht lange, denn der Richter hat ihn wegen wiederholten ungebührlichen Verhaltens von der Verhandlung ausgeschlossen.

Die Verhandlung begann schon mit Verspätung, weil der Angeklagte nicht zeitgerecht vorgeführt werden konnte. Als sich der Richter telefonisch erkundigte, hieß es aus der Justizanstalt, der Angeklagte benötige „noch 20 Minuten, um sich fesch zu machen“. Im Gerichtssaal polterte der Angeklagte dann sogleich in Richtung einer jungen Medienvertreterin, die ihn fotografieren wollte: „Wer sind Sie? Ich verbiete Ihnen zu berichten!“.

Er bezeichnete seinen Rechtsvertreter als „unfähigen Anwalt“ und erklärte sich selbst für nicht verhandlungsfähig: „Ich habe eine massive Anpassungsstörung infolge der Haft. Ich wurde zu Unrecht festgenommen.“ Die einführenden rechtlichen Erläuterungen des Richters unterbrach der Angeklagte mehrfach: „Ich verstehe Sie nicht, Herr Rat! Mir ist mein Hörgerät gestohlen worden.“

Drei Strafanträge verhandelt

Zwei der drei Strafanträge bezogen sich auf Vorfälle in Kanzleien seiner eigenen Erwachsenenvertreter. Diese waren ihm beigestellt, weil er laut Behörden aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung nicht mehr in der Lage ist, seine rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten alleine zu besorgen. Seither taucht der 68-Jährige regelmäßig bei seinen beiden Erwachsenenvertretern auf und verlangt Akteneinsicht in Akten, die es nicht gibt, oder die Auszahlung von Geld, das er bereits erhalten hat.

Einmal drang er mit Gewalt und gegen den Widerstand einer Sekretärin in die Kanzlei eines der Vertreter ein. Das zweite Mal kam es zu einer Rangelei mit einer Angestellten, die ihm ebenfalls den Weg in die Kanzlei versperren wollte. Die Frau wurde dabei verletzt. Diese beiden Anklagepunkte wurden im Urteil als Nötigung bzw. Nötigung und Körperverletzung qualifiziert.

Im dritten Fall kam es in St. Pölten zu einem Polizeieinsatz. Der Anwalt hatte zum wiederholten Male im Rathaus Akteneinsicht verlangt und wollte zum Bürgermeister vorgelassen werden. Beamte holten die Polizei, die ihn auf eine Polizeiinspektion bringen wollte. Der Ex-Anwalt leistete aber Widerstand und soll einen Polizisten angerempelt, mit seinem rechten Arm ausgeschlagen und den Polizisten an der Brust getroffen haben. Daraufhin wurde er festgenommen.

Zweifel an Zurechnungsfähigkeit

In der Verhandlung stritt der 68-jährige Angeklagte alles ab, sprach von „glatt erfundenen“ Vorwürfen, die es so nicht gegeben habe. Vielmehr seien ihn die Beamten „von hinten angesprungen“ und hätten ihn „niedergemacht. Man hat Angst gehabt, dass ich politisch aktiv bin. Es war ja Wahlkampf in Niederösterreich.“ Der Verlauf der Verhandlung und das Verhalten des 68-Jährigen während und nach der Urteilsverkündung, zu der er wieder in den Saal durfte, legten Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit nahe.

Die Justiz hatte schon im Vorfeld die Schuldfähigkeit des Angeklagten mit der Einholung eines psychiatrischen Gutachtens klären lassen. Der Sachverständige, der bei der Verhandlung nicht zugegen war, kam zum Schluss, dass beim 68-Jährigen zu sämtlichen Tatzeitpunkten Zurechnungsfähigkeit gegeben war. Lediglich die Dispositionsfähigkeit sei „ein wenig herabgesetzt“.

Ein Jahr bedingte Haft, nicht rechtskräftig

Das Verfahren endete mit einem Schuldspruch. Der pensionierte Anwalt wurde wegen Nötigung, Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einem Jahr Haft verurteilt, wobei die Strafe bedingt nachgesehen wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Jurist wurde unmittelbar nach der Verhandlung aus der U-Haft entlassen.

Wenig später versuchte er mehrfach ins Gerichtsgebäude vorzudringen, wobei er sowohl über den Haupt- als auch den Hintereingang Zutritt zu erlangen suchte. Er wurde jeweils von Security-Mitarbeitern abgewiesen, was er ungehalten zur Kenntnis nahm. Das Landesgericht verhängte gegen den Mann schon vor einiger Zeit ein Hausverbot, nachdem es zu Zwischenfällen mit dem Mann – unter anderem im Servicecenter – gekommen war.