Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal geführt
ORF
ORF
Chronik

Frau leblos abgelegt: Missbrauch bestritten

Ein junger Mann musste sich am Dienstag vor Gericht verantworten, weil er im Dezember 2022 eine junge Frau, die unter dem Einfluss von Drogen wehrlos war, missbraucht haben soll. Als die Frau am nächsten Tag kein Lebenszeichen mehr von sich gab, soll er sie vor seiner Wohnung abgelegt haben. Der Mann bestritt den Vorwurf des Missbrauchs.

„Es ist ein sehr tragischer Tod im Drogenmilieu, der den Angeklagten nicht kaltlässt. Er macht sich Tag und Nacht darüber Gedanken, was passiert ist bzw. passiert sein könnte“, erklärte der Verfahrenshelfer des Angeklagten eingangs der Verhandlung. Die „Schlussfolgerungen“ der Staatsanwaltschaft seien nicht richtig. Was die inkriminierte sexuelle Handlung betrifft, „haben wir niemanden, der uns sagt, dass es nicht einvernehmlich gewesen sein könnte“.

Angeklagter durch Drogenkonsum beeinträchtigt

Die Anklage lautet auf sexuellen Missbrauch einer wehrlosen Person (§ 205 Absatz eins StGB) und Imstichlassen einer Verletzten mit Todesfolge (§ 94 Absatz zwei StGB). Einen Tag nach seinem 18. Geburtstag bestritt der bisher unbescholtene junge Mann beide Anklagepunkte. Sein Mandant könne sich aufgrund der damaligen Berauschung an nichts erinnern, außer ihm und der 19-Jährigen hätte sich zuletzt niemand mehr in der Wohnung befunden. Zum Vorwurf, der 18-Jährige habe nicht die Rettung gerufen, als er bemerkte, dass die 19-Jährige kein Lebenszeichen mehr gab, hielt der Verfahrenshelfer fest: „Womöglich hat er es erst bemerkt, als sie schon tot war.“

Missbrauchsverdacht bei Drogentodesfall

Eine Drogenparty in Döbling ist im Dezember eskaliert: Eine 19-jährige Frau ist dabei an einer Überdosis verstorben. Ein damals erst 17-jähriger Bursch soll sich vor ihrem Tod an der wehrlosen Frau vergangen haben. Am Dienstag ist der Jugendliche vor Gericht gestanden, an Details dieser Drogennacht kann er sich nicht erinnern.

Den genauen Todeszeitpunkt kenne man ja nicht, man wisse nur, dass es „schon Stunden zu spät“ gewesen sei, als die Rettung gerufen wurde. „Hätte er überhaupt bemerken können, dass sie Hilfe braucht? Hätte es überhaupt etwas gebracht?“, fragte sich der Verfahrenshelfer unter Verweis auf den von erheblichem Suchtmittelkonsum beeinträchtigten Zustand des Angeklagten.

Staatsanwalt: Erinnerungslücken „nicht nachvollziehbar“

Dieser behauptet Erinnerungslücken, die laut dem Staatsanwalt aber „medizinisch nicht nachvollziehbar“ seien. „Das sind Schutzbehauptungen“, führte der Staatsanwalt ins Treffen, wobei er sich diesbezüglich auf das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen stützte. „Er hat Erinnerungsfetzen“, hielt dem darauf der Rechtsvertreter des 18-Jährigen entgegen, „das ist so, wenn man ständig konsumiert“.

Der Bursch hatte sich am ersten Dezember-Wochenende des Vorjahrs mit mehreren Freundinnen und Freunden bzw. Bekannten in der Wohnung seiner kurz zuvor verstorbenen Mutter zu einer ausgiebigen Drogenparty getroffen. „Es war ein Kommen und Gehen“, berichtete der Staatsanwalt. Am 4. Dezember – einem Sonntag – schaute ein DJ nach einem Set in Begleitung der 19-Jährigen vorbei, die der Angeklagte bis dahin nicht kannte.

Frau verlor Bewusstsein vor mutmaßlichem Missbrauch

Sie dürfte sich auch von den Substanzen – vor allem Benzodiazepin-Tabletten – bedient haben, die er bereitstellte. Laut dem Obduktionsgutachten dürfte die junge Frau schon im Vorfeld Drogen konsumiert gehabt haben. Fest steht, dass sie in der Wohnung irgendwann das Bewusstsein verlor bzw. einschlief, worauf der damals 17-Jährige sie laut Anklage missbraucht haben soll. Die Anklagebehörde stützt sich dabei auf ein DNA-Gutachten. Danach legte sich der Angeklagte schlafen.

Anstatt Hilfe zu holen und die Rettungskette in Gang zu setzen, soll der damals 17-Jährige am folgenden Tag, dem 5. Dezember, die Leblose aus der Wohnung geschafft und im Stiegenhaus abgelegt haben – „in Panik“, wie ihm der Staatsanwalt zubilligte. Dort wurde sie gegen Mitternacht gefunden. Hausbewohner bemerkten die auf dem Boden liegende junge Frau und alarmierten die Rettung. Obwohl die Rettungskräfte noch an Ort und Stelle mit einem Defibrillatoreinsatz um ihr Leben kämpften, kam für die 19-Jährige jede Hilfe zu spät.

Zeugen berichten von Feier

Im Anschluss an die nicht öffentliche Befragung des Angeklagten wurden die Bekannten und Freunde des 18-Jährigen als Zeuginnen und Zeugen befragt. Der Angeklagte sei „angsoff’n und beeinträchtigt“ gewesen, „aber ich hab’ ihn schon in schlimmerem Zustand gesehen“, sagte ein 19-Jähriger. Er betonte, der Angeklagte habe „hundertprozentig nicht“ die ums Leben gekommene Frau in die Wohnung geholt.

Unmittelbar bevor die 19-Jährige in die Wohnung kam, hatte der Zeuge diese bereits wieder verlassen. Länger blieb ein 18-Jähriger. Der Angeklagte habe alkoholische Getränke gemixt und diese herumgereicht und zum Trinken aufgefordert. Die 19-Jährige, die laut Zeugenaussage auch intoxikiert war, habe sich schließlich mit ihrem damaligen Begleiter auf eine Decke gelegt und eine halbe Stunde oder Stunde geschlafen.

Bevor er die Wohnung verließ, habe man bei der 19-Jährigen noch den Puls gemessen, gab der 18 Jahre alte Zeuge zu Protokoll. Das sei insofern nicht ungewöhnlich gewesen, als man ja wissen müsse, „was mit jemandem ist, wenn er so zu ist. Sicher ist sicher.“ Zu diesem Zeitpunkt sei dann auch der Angeklagte „extrem zu“ gewesen – eine Folge der hochprozentigen Alkoholmischung. Da bei der 19-Jährigen noch der Puls zu spüren gewesen sei, „habe ich mir überhaupt keine Sorgen gemacht, als wir gegangen sind“.

Aussage der Polizisten

Wie ein Polizeibeamter als Zeuge schilderte, wurde die leblose junge Frau in der Nacht auf den 6. Dezember 2022 gegen Mitternacht in einer Wohnhaus-Anlage im Eingangsbereich unweit eines Stiegenaufgangs gefunden: „Sie ist halb im Stiegenhaus gelegen.“ Die junge Frau war spärlich bekleidet, wobei die Kleidung teilweise verrutscht war, und hatte keine Schuhe an. Schon allein deshalb sei man von einem gewaltsamen Tod ausgegangen, erinnerte sich der Beamte.

Schleifspuren hätten zu einer Wohnung geführt, auf das Klopfen der Polizei hin habe der Angeklagte geöffnet: „Er hat gesagt, er hat damit nichts zu tun. Vom Gefühl her hat er aber etwas zu verbergen gehabt. Aber er war relativ cool. Er war zeitlich und örtlich orientiert.“

Fast zeitgleich habe man erfahren, dass sich der Bruder des Angeklagten zwischenzeitlich an den Polizeinotruf gewandt und gemeldet hatte, in dessen Wohnung sei „etwas komisch“. Daraufhin habe man die Wohnung näher untersucht und einen Ausweis der Toten gefunden. Der damals 17-Jährige wurde wegen Mordverdachts festgenommen.

Nächster Termin im August

Zwei für das Verfahren wesentliche Zeugen – ein Brüderpaar, einer davon der damalige Begleiter der 19-Jährigen – kamen ihrer Ladung nicht nach. Sie sollen bis September auf Urlaub sein, hieß es. Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt, der nächste Termin ist für den 8. August angesetzt.