Protest gegen das Rammstein-Konzert
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

Rammstein: Jubel im und Protest vor dem Stadion

Die umstrittene Band Rammstein ist beim ersten von zwei Konzerten im Wiener Happel-Stadion bejubelt worden. Auf der anderen Seite waren laut Veranstaltern rund 1.800 Demonstrierende bei einer Protestkundgebung gegen das Konzert.

Für mehr als 55.000 Fans war es ein Abend ganz nach ihrem Geschmack: Die deutsche Rockband Rammstein bot beim ersten von zwei Konzerten am Mittwoch eine durchgestylte Show, die mit opulenten Effekten aufwartete. Ganz anders sahen die Situation hingegen jene rund 1.800 Personen, die am Nachmittag gegen den Auftritt protestierten. Hintergrund waren die Vorwürfe gegen Sänger Till Lindemann rund um sexuelle Übergriffe.

Ende Mai waren erste Frauen an die Öffentlichkeit gegangen und berichteten von Übergriffen im Umfeld der Shows der Kultband. Im Wiener Stadion-Oval war von diesem Thema kaum etwas zu bemerken. Mehr als zwei Stunden lang lieferten Lindemann und seine Bandkollegen eine Darbietung, die vor allem mit üppigen Dimensionen überzeugte. Wie schon bei der Stadiontournee vor vier Jahren beherrschte eine im Industrial-Touch gehaltene Bühne das Geschehen, auf der immer wieder das Feuer und die Funken loderten.

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Protest gegen das Rammstein-Konzert
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Plakate gegen das Rammstein-Konzert
ORF
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Hits und Proteste

Hits wie „Mein Herz brennt“, „Sonne“ und „Du riechst so gut“ wurden von den Fans frenetisch gefeiert. Viele bekundeten zudem explizit ihre Unterstützung für die Band, in dem sie Schilder wie „Wir stehen zu euch“ hochhielten. Bei der Show wurden Kessel mit Feuerwerfern angezündet („Mein Teil“) und eine Kraftwerk-Hommage beim „Deutschland“-Remix eingestreut. Am Ende des Abends bedankte sich Lindemann für den Zuspruch: „Vielen Dank, Wien, ihr wart fantastisch!“ Zur Diskussion der vergangenen Wochen äußerte sich der 60-Jährige indes mit keinem Wort.

Anders war hingegen die Lage vor der Show und vor dem Stadion. Deutliche Ablehnung brachte das Bündnis „#KeineBühne“ zum Ausdruck: Die Plattform „#aufstehn“, die bereits Anfang Juni eine Onlinepetition gegen die beiden Auftritte gestartet hatte, stand gemeinsam mit weiteren Organisationen wie dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), dem Österreichischen Frauenring und „Claim the Space“ hinter der Kundgebung, die viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer anzog. Die Protestaktion stand unter dem Motto „Keine Bühne für mutmaßliche Täter“.

Proteste gegen Rammstein-Konzerte in Wien

Mittwoch und Donnerstag soll Rammstein-Sänger Till Lindemann im Wiener Ernst-Happel-Stadion mit Hits wie „Sonne“ für Stimmung sorgen. Vor dem Stadion wird es aber Proteste geben. Der Vorwurf: Der Sänger soll Frauen missbraucht haben.

Regisseurin Mückstein: „Selten Konsequenzen“

Mit dabei war auch Regisseurin Katharina Mückstein, die sich in der „#MeToo“-Debatte in der heimischen Filmszene stark engagiert. „Das, was wir in der Geschichte von Rammstein erleben, ist sehr nah dran, was wir in allen Teilen der Kulturbranche immer wieder sehen: dass Anschuldigungen sehr selten eine Konsequenz haben. Deshalb stehe ich heute hier in Solidarität mit jenen Personen, die sich getraut haben, über das zu sprechen, was sie erlebt haben“, sagte sie. „Und um ihnen zu zeigen, dass ich ihnen glaube.“

Ihrer Meinung sei ein Kulturwandel in der Gesellschaft notwendig. „Betroffene sind nicht mehr bereit, sich mundtot machen zu lassen, weshalb ein ganzes System von Gewalt, das Teil unserer Gesellschaft ist, sichtbar wird.“ Es brauche einen moralischen Kompass für diese Fälle. Wichtig war ihr außerdem zu betonen, dass das öffentliche Sprechen „einen sehr, sehr hohen Preis“ habe. „Das macht niemand gerne. Und ich kenne keine betroffene Person, die davon einen Vorteil gehabt hätte.“ Für Veranstaltungen wie das Rammstein-Konzert bräuchte es Verträge, in denen Übergriffe als Vertragsbruch festgehalten sind.

Florian Kobler vom Rammstein-Konzert

Absage im Vorfeld gefordert

Vor den Konzerten haben sich u. a. Vertreterinnen der Grünen vehement für eine Absage ausgesprochen. Am Mittwoch zeigten sich zudem die SPÖ-Frauen mit den Betroffenen von Übergriffen sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kundgebung solidarisch, gleichzeitig wurde aber auch betont, dass ein Auftrittsverbot nicht die Lösung sein könne.

Es sei eine Diskussion über patriarchale Strukturen und Systeme in der Musik- und Eventbranche notwendig. Der heimische Veranstalter der Rammstein-Konzerte, Arcadia Live, hatte zuletzt versichert, man erwarte „spektakuläre, aber vor allem auch friedliche und sichere Shows“ und verwies auf „Safe Spaces“ sowie die Zusammenarbeit mit geschultem Sicherheitspersonal, den Behörden und Sicherheitskräften.

Ein T-Shirt mit der Aufschrift „Pussy“ in einem Rammstein-Pop-up-Store
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In einem Pop-up-Store wurde Rammstein-Merchandise verkauft

Lindemann weist Vorwürfe zurück

Die Vorwürfe gegen Lindemann waren Ende Mai aufgekommen. Mehrere Frauen haben seitdem davon berichtet, dass rund um Konzerte der Band Übergriffe stattgefunden haben sollen. Sie schilderten Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. Junge Frauen seien während der Auftritte ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur After-Show-Party kommen wollten. Dabei soll es nach Schilderungen einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein.

Lindemann und seine Anwälte haben sämtliche Vorwürfe stets entschieden zurückgewiesen und sind teils auch gerichtlich gegen die Behauptungen respektive die Berichterstattung darüber vorgegangen. Ein weiteres Mal werden Rammstein am Donnerstag auf der Bühne stehen und sich danach von Wien verabschieden.