Proteinprodukte
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Gesundheit

High-Protein-Produkte teils „überflüssig“

Der Hype um High-Protein-Produkte ist größer denn je. Vor allem bei Jugendlichen werde der Trend rund um Proteinpulver allerdings „überhandnehmen“, warnt ein Experte. Unwissend dosiert könne eine erhöhte Proteinzufuhr eine ausgewogene Ernährung gefährden. Auch beim VKI läuten die Alarmglocken.

Protein-, also Eiweißshakes, gehören mittlerweile zum Inventar von Fitnesscentern. Laut Personaltrainer Flo Winter ist die Extraportion Eiweiß prinzipiell nichts Schlechtes, genauso wie der Fitnesshype an sich. Allerdings beobachtet er, dass der Trend rund um das „Muckipulver“ vor allem bei Jugendlichen teilweise überhandnehmen würde.

Großteils würde sich bei vielen die Ernährung nur noch um die Proteinzufuhr drehen, so der Fitnesstrainer im Interview mit „Wien heute“. „Viele Jugendlichen denken, dass sie hauptsächlich Proteine essen müssen, und dazu gehören dann mehrere Shakes, und das Joghurt muss dann auch noch ein Proteinjoghurt sein. Das ist halt schade, weil alles andere vernachlässigt wird. Aber andere Makronährstoffe, wie zum Beispiel Fett und Kohlenhydrate, sind genauso wichtig, genauso wie Ballaststoffe“, erklärte der Personaltrainer, der auch als Pharmazeut tätig ist.

Fitnesshype führt teilweise zu Essstörungen

Die Tatsache, dass immer mehr Jugendliche den Drang zum Sport und einer gesunden Ernährung haben, sieht der Fitnesstrainer durchaus positiv. „Vor allem bei den Jungen sieht man, dass sie alle superdiszipliniert sind. Sie gehen brav ins Training, haben viel Spaß daran. Das ist natürlich eine gute Entwicklung“, sagte Winter. Aber er warnt genauso vor gesundheitlichen Nachteilen rund um den Fitness- und Proteinhype.

Denn dieser würde auch den Hormonhaushalt durcheinanderbringen können. „Vor allem in der Pubertät ist das schwierig, auch bei Mädels, die dann eventuell gesundheitliche Themen haben, etwa ihre Periode nicht mehr bekommen, weil sie zu wenige Kalorien und Fett essen“, so Winter.

Der Körper brauche genügend Fett und Kohlenhydrate, um Hormone zu produzieren. „Und letztendlich sind auch die Hormone dafür verantwortlich, wie gut ich Muskulatur aufbauen kann. Wenn ich jetzt zu wenig Testosteron oder Östrogen – je nach Geschlecht – habe, kann das negative Folgen haben“, warnte er.

VKI sieht High-Protein-Produkte als „Marketingstrategie“

Die Alarmglocken läuten auch beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) – hier wurden High-Protein-Produkte stichprobenartig mit herkömmlichen verglichen. Die Supermärkte sind voll damit, nötig seien sie aber nicht, dafür umso teurer. „Diese Produkte sind durch die Bank wirklich deutlich teurer: mindestens um 50 Prozent. Und man sieht, dass diese Produkte natürlich Sportler ansprechen sollen. Die Marketingstrategie ist, dass sie damit bewerben wollen, noch fitter zu werden, dass man gesund bleibt und Kraft aufbauen kann“, sagte Teresa Bauer, Ernährungswissenschafterin beim VKI.

High-Proteinprodukte
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Beim Gang durch den Supermarkt fällt das äußerst breite Angebot an High-Protein-Produkten auf

Ausgewogene Ernährung ausreichend

Für den Großteil der Bevölkerung, mit etwa ein bis zwei Besuchen im Fitnesscenter pro Woche, sei eine ausgewogene Ernährung ausreichend und ein übermäßiger Proteinkonsum „überflüssig“. Die Proteinzufuhr über Fisch, Gemüse, Eier und Milchprodukte – auch Soja- oder Hafermilch – sei ausreichend. Bei übermäßig viel Sport, über fünf Stunden pro Woche, mache mehr Eiweiß durchaus Sinn. „Wenn man jetzt wirklich sportliche Ziele verfolgen will und Kraft aufbauen will, braucht man natürlich einen höheren Eiweißanteil“, bestätigte Bauer.

Auf Lebensmittel mit extra Protein zurückzugreifen, würde allerdings nicht bedeuten, dass diese Produkte gesünder sind, betonte Bauer. „Die High-Protein-Schokolade ist ein gutes Beispiel dafür. Produkte, die von Haus aus schon nicht gesund sind, werden auch nicht durch eine Proteinzufuhr gesünder.“ Außerdem wurde beim Vergleich der Produkte festgestellt, dass nur weil „High Protein“ draufsteht, nicht automatisch mehr davon drin ist.

Hype um Proteinprodukte

Der Hype um Proteinprodukte wird immer größer, Proteinpulver sind in vielen Supermarktregalen zu finden. Allerdings befassen sich viele nicht ausreichend mit dem Thema, was zu einer unausgewogenen Ernährung führen kann, wie Experten und Expertinnen jetzt warnen.

Oft mehr Kalorien bei High-Protein-Produkten

Viele Menschen würden laut VKI denken, dass High-Protein-Produkte weniger Kilokalorien (kcal) haben als normale Lebensmittel. „Zum Beispiel bei einem Eiweißbrot. Ja, das hat zwar etwas mehr Eiweiß als ein reguläres Vollkornbrot, aber auch mehr Kalorien, weil eben die Samen eingesetzt werden, zum Beispiel Leinsamen. Die haben natürlich mehr Fett, und dadurch wird das Brot schlussendlich kalorienreicher, als es bei Vollkorn ganz normal wäre“, erklärte die Ernährungswissenschaftlerin.

Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, dass die Produkte viele Zusatzstoffe enthalten würden. „Gerade Süßungsmittel werden oft angewandt, damit man den Zuckeranteil reduzieren kann. Aber auch Zucker ist in einigen Produkten drinnen. Gerade, wenn man bei den Proteinriegeln hineinschaut.“

Fitnesscenter Sportlerin beim Gewichteheben
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Sportlerinnen und Sportler, die viel Sport machen, haben auch einen höheren Proteinbedarf

Diskussionen um Proteinbedarf pro Tag

Eine Proteinüberversorgung würde vor allem bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion auch Schaden anrichten können. „Ab einer Proteinzufuhr von zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht kann man auch bei gesunden Menschen negative Auswirkungen auf die Nierenfunktion nicht ausschließen“, so Bauer.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl lange eine Menge von 0,8 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht für Erwachsene. Heute betrachten viele Fachleute eine etwas höhere Menge als sinnvoll. So auch der Personaltrainer: „Das ist ein bisschen veraltet. Man geht mittlerweile in die Richtung um 1,52 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, also doch fast das Doppelte.“

Appell an Vergleiche

Festgehalten wird von allen Seiten, dass die tägliche Portion Protein ein Muss ist. Vor allem sehr sportliche Personen und Menschen ab 60 sollten auf eine proteinreiche Ernährung achten, um Muskeln zu erhalten. Laut dem Experten und der Expertin lohnt es sich durchaus, Produkte und deren Proteingehalt beim Besuch im Supermarkt zu vergleichen, um sich weder von Design noch von Marketingstrategien in die Irre führen zu lassen.