Fahrtrainerin und Seniorin in Auto
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Verkehr

Nachfrage nach Seniorenfahrtraining steigt

Die EU überlegt derzeit eine Art Führerschein auf Zeit für Senioren. In etlichen Ländern sind regelmäßige Fahrtauglichkeitstests bereits üblich. In Österreich überwiegt indes die Skepsis. Die Nachfrage nach Fahrtraining für Ältere steigt aber.

Die geprüfte Fahrlehrerin Claudia Weiner bietet bereits seit drei Jahren als Privatcoach spezielle Fahrtrainings an – für Menschen, die schon sehr lange den Führerschein haben – meist, um mit ihnen gewohnte Routen gemeinsam abzufahren, erzählt Weiner im „Wien heute“-Interview: „Dass man die Leute darauf aufmerksam macht, da sind jetzt Radfahrer, die waren früher nicht da, oder E-Scooter-Fahrer. Es gibt auch neue Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen.“

Fahrtrainings für Seniorinnen und Senioren

Seitens der EU gibt es gerade die Überlegungen, einen Führerschein auf Zeit für Seniorinnen und Senioren einzuführen. In etlichen EU-Ländern sind regelmäßige Fahrtauglichkeitstests für ältere Menschen schon Usus, in Österreich überwiegt bis dato noch die Skepsis, doch die Nachfrage nach Fahrtrainings für ältere Lenkerinnen und Lenker steigt.

Die größten Knackpunkte

In Summe sind es auch ganz individuelle Herausforderungen, die speziell trainiert werden. Für die meisten reiche eine Doppelstunde, so Weiner. Sie verzeichnet eine steigende Nachfrage ihres auf Senioren zugeschnittenes Angebot. Oft fragen auch Angehörige an, erzählt die Fahrlehrerin. Ihre älteste Schülerin bisher sei 81 Jahre alt gewesen.

Die größten Knackpunkte: Der Schulterblick werde oft nicht korrekt gemacht, auch weil Ältere sich im Auto nicht mehr so leicht drehen können. „Aber wenn man mit ein paar Tricks sich ein Stückchen vorbeugt, dann kann man wieder links schön um die Ecke schauen.“ In der Routine werde manchmal auch ein bisschen zu flott gefahren, schildert Weiner aus ihren Erfahrungen mit Seniorinnen und Senioren. Insbesondere bei Kreisverkehren und im Kreuzungsbereich ohne Ampeln sei erhöhte Vorsicht geboten.

EU-Pläne

Geht es nach den Vorstellungen der Brüsseler Behörden, könnten Führerscheinbesitzerinnen und -besitzer ab einem Alter von etwa 70 Jahren künftig alle fünf Jahre zum Test gebeten werden, um den Schein behalten zu können.

Später Umstieg auf Automatik?

Skeptisch ist Weiner, im Alter noch auf die an sich einfachere Automatikfahrweise umzusteigen, wie das gerade Angehörige immer wieder raten: „Wenn jetzt jemand 50 Jahre lang gewohnt ist, mit dem Schalter zu fahren, dann würde ich den nicht unbedingt mit einem Automatikfahrzeug zwangsbeglücken wollen. Automatik zu fahren ist angenehm, wenn man im Stau steht, in der Früh oder am Abend auf dem Weg auf oder von der Arbeit nach Hause. Da würde sich Automatik anbieten.“

Weiner verweist auf Unfälle, die gerade älteren Menschen mit Automatikautos öfter passieren, die „beim Ausparken mit einem Affenzahn in die Auslagenscheibe eines Geschäfts hineingefahren. Das könnte ein Problem sein, wenn man das nicht jahrelang trainiert hat oder zumindest eine ordentliche Schulung hatte“.

„Im Laufe der Jahre wird man schlampig“

Es sind vor allem Alltagswege, die Friderike Schandl gemeinsam mit Weiner absolviert. Vor 52 Jahren machte die 71-Jährige den Führerschein und sie ist bis heute unfallfrei geblieben. Von einer Freundin erhielt sie den Tipp für ein spezielles Fahrtraining für Seniorinnen und Senioren: „Ich habe mir gedacht, das wäre vielleicht einmal ganz gut, zu schauen, wie mein Fahrverhalten ist und ob da irgendwelche Defizite auftauchen. Denn im Laufe der Jahre wird man schon ein bisschen schlampig“, so Schandl im „Wien heute“-Interview.

Sie sei sehr viel mit dem Auto unterwegs und es sei ihr wichtig, niemanden und auch sich selbst nicht zu gefährden, so Schandl. Auch bei ihr habe es vor allem beim Schulterblick gehapert, seit dem Auffrischungstraining fühle sie sich viel sicherer.

Spezielle Workshops beim KFV

Spezielle Kurse und Workshops für ältere Lenkerinnen und Lenker bietet auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) an. Verpflichtende, regelmäßige Fahrtests, wie sie die EU plant, sieht man hier aber kritisch. Eine Überprüfung der Fahrtauglichkeit solle man laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit erst ab 80 Jahren andenken, allerdings auf freiwilliger Basis.

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Ihre Schülerinnen und Schüler nehmen sich meist eine Doppelstunde, das reiche, so Fahrcoach Claudia Weiner

„Das liegt daran, dass das Unfallgeschehen von älteren Menschen nicht höher ist als von jungen Lenkern und Lenkerinnen. Und es gibt ja unterschiedlichste Systeme in Europa. Die Länder, die solche Systeme haben, etwa regelmäßige Kontrollen für ältere Menschen beim Arzt oder ähnliches, weisen keine besseren Werte auf als jene Länder, die diese Maßnahme nicht haben“, sagt Klaus Robatsch vom KFV.

Amtsärzte entscheiden über Entzug oder Einschränkung

Ab dem 80. Lebensjahr sei es aber „notwendig, dass man rechtzeitig regelmäßig zum Arzt geht, den einen oder anderen Test durchführt, vielleicht sich auch eine Fahrstunde nimmt“, so der Verkehrsexperte. Die prinzipielle Fahrtüchtigkeit muss natürlich immer gegeben sein.

Hierzulande können bei fraglicher Fahrtüchtigkeit derzeit nur Amtsärzte und -ärztinnen die Fahrerlaubnis aus gesundheitlichen Gründen aufheben. Österreichweit gibt es im Jahr rund 3.000 Fälle – allerdings in allen Altersgruppen. Auch Einschränkungen sind möglich. Dazu gehört etwa eine Befristung oder die Erlaubnis des Fahrens nur am Tag – verbunden mit wiederkehrenden Untersuchungen.

Studie: Doppelt so viele Junge an Unfällen beteiligt

Das Unfallrisiko ist bei älteren Fahrern allerdings viel geringer als bei jungen, besagt eine neue, noch nicht veröffentlichte Studie des KFV: „Die junge Gruppe von 17 bis 19 hat etwa eine ähnliche Fahrleistung wie alle, die älter sind als 80, und trotzdem sind dort doppelt so viele junge Lenker an Unfällen beteiligt." Eine vorsichtigere Fahrweise gleiche die altersbedingten Beeinträchtigungen wieder aus, nennt Robatsch die Gründe.

„Oft liegt es an Kleinigkeiten, dass man dann zum Beispiel nicht mehr in der Nacht fährt oder nur mehr gewisse Strecken oder nicht mehr bei Regen oder schlechten Straßenverhältnissen, weil, wenn man älter wird, natürlich auch abbaut. Die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab, man braucht einen längeren Anhalteweg, die Reaktionszeit ist länger, aber das wird von älteren Menschen durch eine defensivere Fahrweise meist kompensiert.“

Ministerium will Maßnahmen für Ältere ausbauen

Auch wenn die Unfallverursacher nur zu einem kleinen Prozentsatz ältere Lenkerinnen und Lenker sind, will das Verkehrsministerium die Maßnahmen für die Sicherheit von älteren Verkehrsteilnehmern ausbauen: „Dazu gehören etwa freiwillige, niederschwellige Tests zur Überprüfung der eigenen ‚Fitness to drive‘. Zudem sind ein Ausbau von bewusstseinsbildenden Maßnahmen zu Auswirkungen von Medikamenten auf das Fahren und verstärkte Unterstützungsangebote für Angehörige geplant“, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums wörtlich.

Gemeint sind etwa bereits bestehende medizinische Checks bei Hausärzten sowie Kursangebote beim KFV oder bei anderen Stellen. Konkrete neue Maßnahmen werden aber keine genannt.