Gericht

Haft für Verleumdung eines Polizisten

Wegen Verleumdung eines Polizisten ist am Montag ein 41-jähriger Mann zu 15 Monaten bedingt verurteilt worden. Er behauptet, er sei am 13. April 2022 auf einer Polizeiinspektion von dem Beamten misshandelt worden. Das Verfahren gegen den Polizisten war allerdings eingestellt worden.

„Sie haben diese Geschichte erfunden“, stellte der Richter in der Urteilsbegründung fest. Verteidiger Helmut Graupner zeigte sich von dieser Entscheidung entsetzt: „Das ist der ultimative Freibrief für Polizeifolter.“ „Ich empfinde das als ungerecht. Ich werde gegen den Beschluss vorgehen“, legte der 41-jährige Angeklagte gegen seine erstinstanzliche Verurteilung noch im Gerichtssaal Rechtsmittel ein. Damit muss sich jedenfalls noch das Oberlandesgericht (OLG) mit dem Fall auseinandersetzen. Nach der Verhandlung sagte er zu den beiden anwesenden Medienvertretern: „So sind die Gerichte. Unfair.“ Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

„Ich habe nicht gelogen“

„Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe nicht gelogen“, versicherte der bisher Unbescholtene am ersten Verhandlungstag. Seine ursprüngliche Darstellung, er habe neben dem Schlag ins Auge vier Schläge in den Nacken erhalten, hielt er nicht mehr aufrecht. Nun war in dieser Hinsicht nur mehr von einem Schlag mit der flachen Hand die Rede. Das Würgen grenzte er auf ein höchstens zwei Sekunden dauerndes „Packen am Hals“ ein: „Es war schwer zu atmen.“

Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Amtsmissbrauchverfahren gegen den Beamten eingestellt, einem Fortführungsantrag wurde seitens des Landesgerichts nicht der Folge gegeben. Die Staatsanwaltschaft habe ihre Einstellungsentscheidung „nachvollziehbar begründet“, heißt es in dem Beschluss. Dem „schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten“ des Gerichtsmediziners sei „eindeutig“ zu entnehmen, dass beim vom 41-Jährigen beschriebenen Geschehensablauf „andere Verletzungen zu erwarten gewesen wären, als tatsächlich eingetreten sind“. Im Umkehrschluss bedeute das, dass die Version des 41-Jährigen „nicht mit den objektivierten Verletzungen in Einklang zu bringen ist“.

Der Gerichtsmediziner kam zum Schluss, die festgestellten Verletzungen im Gesichtsbereich seien eher mit den Angaben des Beamten und nicht mit der Darstellung des Verletzten in Einklang zu bringen. Das verspätete Auftreten von Rötungen sei durchaus mit einer flächenhaften Kontaktierung nach einem Aufprall auf einer Tischplatte zu erklären.

Hohes Aggressionslevel bei Einvernahme

Der 24-jährige Polizist hatte beim Verhandlungsauftakt im Juli als Zeuge unter Wahrheitspflicht angegeben, der Angeklagte sei während einer Beschuldigteneinvernahme auf seiner Polizeiinspektion – der 41-Jährige hatte einer Frau auf einer Internetplattform beleidigende Kommentare hinterlassen und sollte zum Vorwurf der fortdauernden Belästigung im Wege der Telekommunikation (§107c StGB) befragt werden – zunehmend aggressiv geworden.

Er habe befürchtet, der in Rage geratene Mann würde vom Sessel aufspringen und auf ihn losgehen, daher habe er ihn mit beiden Händen nach unten drücken und am Aufstehen hindern wollen. Durch eine Ausweichbewegung sei der Mann mit dem Kopf heftig gegen den Tisch geprallt, wobei zunächst von der Tischplatte die Rede war. Es habe „offensichtliche Verletzungen“ gegeben, räumte der Polizist ein, es sei „ein ziemlich heftiger Aufprall“ gewesen, wobei daraus aber plötzlich die Tischkante wurde.

Anwalt: „Polizeiübergriffe folgenlos“

Für Verteidiger Graupner steht fest, dass diese Aussage insofern an die gutachterlichen Feststellungen angepasst wurde, als der Gerichtsmediziner in der Verhandlung ausgeschlossen habe, dass die Gesichtsverletzungen von einer Tischplatte herrührten. Die Verurteilung seines Mandanten sei ein „Signal, dass Polizeiübergriffe folgenlos bleiben“, befürchtete Graupner.

Der Wiener Rechtsanwalt urgierte, in diesem Fall sei in mehrerlei Hinsicht „allen menschenrechtlichen Standards“ widersprochen worden. Der 41-Jährige hatte den von ihm behaupteten Polizeiübergriff eine halbe Stunde danach auf einer anderen Polizeiinspektion zur Anzeige gebracht. Darauf hin sei seine Festnahme angeordnet worden – und zwar just vom tatverdächtigen Beamten, in dessen Dienststelle der 41-Jährige dann überstellt wurde. Damit sei zweifellos gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen worden, hielt Graupner fest: „Die MRK gebietet prozessuale Rechte von Opfern.“