Operationssaal in einem Krankenhaus
ORF.at/Birgit Hajek
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Gesundheit

Ärztinnen prangern Sexismus im Spital an

Anzügliche Kommentare, eindeutige Aufforderungen und Benachteiligung beim beruflichen Weiterkommen sind für viele Ärztinnen Alltag im Spital, schlägt die Wiener Ärztekammer Alarm. Sie will den herrschenden Sexismus bekämpfen, Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) will das ebenso.

Sieben Medizinerinnen schilderten zuletzt, teils anonymisiert, gegenüber der Tageszeitung „Presse“, wie sie als junge Ärztinnen in Nachtdiensten von Oberärzten mit anzüglichen Kommentaren verunsichert und teilweise sexuell belästigt wurden. Namen von Ärzten und Krankenhäusern wurden nicht genannt, weil es nicht um Einzelfälle, sondern um ein Strukturproblem gehe, wie es hieß.

Zehn Fälle sexueller Belästigung wurden im vergangenen Jahr der Gender- und Diversitätsbeauftragten des Wiener Gesundheitsverbundes Zeynep Arslan gemeldet. Die Dunkelziffer ist laut Arslan „sicher höher“. Dem entgegnen könne man mit Ermahnungen. „Je nach Gewichtung des Vorfalls kann das auch mit einer Entlassung und dann in weiterer Folge vielleicht auch in Form von Gerichtsprozessen fortgesetzt werden“, führt Arslan fort.

Hacker: „Schwarze Schafe finden“

„Es hat solche Fälle gegeben und da wird auch rigoros durchgegriffen“, bestätigte Hacker am Dienstag gegenüber Radio Wien. Ein Problem dabei ist, dass Vorfälle oft nicht gemeldet werden, aus Angst vor beruflichen Nachteilen. Hacker ermutigt betroffene Ärztinnen: „Es geht darum, schwarze Schafe zu finden.“

Für diese Männer sei die Karriere im Gesundheitsverbund dann zu Ende: „Mir ist es dann völlig wurscht, in welcher Funktion und Position Männer sind. Wenn sie ihre Funktion ausnützen, dann wird es für sie keinen Platz mehr geben (…) im Unternehmen oder nicht in sonstigen Bereichen der Stadt.“

„Grenzüberschreitungen oft im Graubereich“

Diejenigen, die solche Vorfälle oft hören und am Dienstag in einer Aussendung darauf aufmerksam machten, sind Antonia Greb, Anna-Christina Kichler und Julia Harl von der Ärztekammer (AK) Wien. Greb und Harl leiten das Frauenreferat der Kammer, Kichler ist Allgemeinmedizinerin und stellvertretende Obfrau in der Sektion Turnusärzte. Es sei ein „erschütterndes System aus strukturellem Sexismus und stark hierarchisch geprägten Krankenhausorganisationen in Österreich mit männlich dominierten Machtverhältnissen“, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung am Dienstag.

Dazu gehörten etwa unzulässige Vorgehensweisen wie Fragen nach der Familienplanung von Bewerberinnen sowie häufig „Grenzüberschreitungen im Graubereich, die zwar nicht strafbar sind, von den Betroffenen aber nur selten zur Sprache gebracht werden“.

Vorfälle melden

Per Mail an ombudsstelle@aekwien.at können Vorfälle in den Bereichen Sexismus, Mobbing, Gewalt, Rassismus und Diskriminierung gemeldet werden.

Jung und in Ausbildung

Betroffen seien vor allem jüngere Ärztinnen, die noch in Ausbildung seien, was oft mit wechselnden Abteilungen und Kettenverträgen einhergeht. Vorfälle passierten eher dann, wenn die Opfer keinen festen Vertrag haben, heißt es. Täter seien meist ältere Vorgesetzte. Die Abhängigkeit von ihnen ist meist groß: „Man braucht jemanden, der einem etwas beibringt – und dann will man es halt besonders gut machen“, wird Greb in der „Presse“ zitiert. „Nur führt das dazu, dass man Dinge zu oft hinnimmt.“

„Es ist nicht mehr so, dass Krankenpflegerinnen auf den Hintern gehauen wird. Aber es ist genau die Art von unangenehmen Angeboten, bei denen man denkt: Wie kommst du darauf, dass ich als Anfang 20-Jährige auch nur irgendwie Interesse an dir habe? Du bist verheiratet, du hast Kinder, und ich weiß das“, schildert eine Ärztin ihre Erfahrungen.

Je männerdominierter das Fach, desto häufiger

Chirurgische Fächer seien besonders stark betroffen, „weil sie sehr männerdominert sind. Je männlicher ein Fach ist, desto stärker ist das Problem ausgeprägt“, sagt Greb. In Fächern wie der Pädiatrie, Psychosomatik und Palliativmedizin sei es hingegen besser. „Vielleicht, weil dort mehr Frauen arbeiten und die Hierarchien flacher sind.“ Jede und jeder im Gesundheitssystem kenne derartige Vorfälle, doch aufgrund fehlender Sanktionsmechanismen passiere oft nichts, beklagen die Ärztinnen der Kammer.

„Deshalb wollen wir endlich Awareness schaffen und den Weg für eine Verbesserung innerhalb dieses Systems bereiten“, sagt Kichler. So sei ein Ausfall durch Schwangerschaft für viele Vorgesetzte immer noch Anlass, engagierte Ärztinnen niederzumachen, nennt Harl ein Beispiel.

Meldestelle soll ausgebaut werden

Sie und ihre beiden AK-Kolleginnen wollen die bestehende Meldestelle des frauenpolitischen Referats in der Ärztekammer für Wien nun ausbauen. „Es geht auch darum, Kolleginnen zu zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, Übertritte zu melden – unter der Garantie, dass der eigene Name anonym bleibt. Viele wissen das gar nicht“, so Greb.

Hingewiesen wird auch auf Netzwerktreffen der Reihe „Ärztinnen:connect“ des Referats für Frauenpolitik der Ärztekammer Wien. Für den Termin am 24. August zum Thema „Sexismus in der Medizin“ gibt es bereits eine Warteliste, beim nächsten Termin wird es um das Thema „Gewalt gegen Frauen und Jugendliche“ gehen.