Chronik

Prozess: Sozialbetrug mit Millionenschaden

Am Landesgericht hat ein Prozess um Sozialbetrug mit einer Schadenssumme von knapp 2,4 Millionen Euro begonnen. Eine auf Wärmedämmung und Wohnbausanierung spezialisierte Firma soll für knapp 900 Dienstnehmer keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt haben.

Das Unternehmen soll im großen Stil Schwarzarbeiter beschäftigt und sich so im Lauf der Jahre die Sozialversicherungsbeiträge für 897 Dienstnehmer sozusagen „erspart“ haben. „Sozialversicherungsbetrug ist ein sperriges und kompliziertes Feld“, bemerkte der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu Beginn der Verhandlung. Im vorliegenden Fall sei die Beweislage aber „relativ stark und verdichtet“.

Das Unternehmen habe bei diversen Baustellen in Oberösterreich und Wien regelmäßig auf Subunternehmen zurückgegriffen, die für die beschäftigten Dienstnehmer keine Steuern und Abgaben entrichteten und nach kurzer Zeit in Konkurs gingen, ehe bei der Finanz aufgrund der ausbleibenden Beiträge die Alarmglocken schrillen konnten. Als die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge auffielen, waren die entsprechenden Arbeiter längst bei der nächsten Subfirma beschäftigt – in der Regel wieder schwarz.

Verteidiger betont Unschuld seiner Mandanten

„20 derartige Anmeldevehikel konnten identifiziert werden“, führte der Anklagevertreter aus. Pro beschäftigtem Schwarzarbeiter hätten diese „Scheinfirmen“ einen Pauschalbetrag von 250 Euro erhalten, die Verantwortlichen von zwei derartigen Betrieben seien bereits gerichtlich abgeurteilt worden. „Sie sind unschuldig“, betonte Verteidiger Franz Berndorfer, der die zwei angeklagten Geschäftsführer vertritt, wobei einer der beiden beim Verhandlungsauftakt aus gesundheitlichen Gründen fehlte.

Seine Mandanten seien grundsätzlich „fleißige Leute“ und in der oberösterreichischen Provinz „gut eingelebt. Die brauchen keinen Luxus.“ Die Firma mache einen Umsatz von zehn Millionen Euro im Jahr, „warum sollten die Gaunereien im Ausmaß von zwei Millionen begehen?“, fragte der Anwalt.

Subunternehmen laut Verteidiger am Bau üblich

Die Beschäftigung von Subunternehmen sei „branchenüblich“, die Angeklagten seien „gutgläubig“ davon ausgegangen, dass bei diesen Firmen alles mit rechten Dingen zugeht, sagte Berndorfer. Die Baustellen seien auch wöchentlich kontrolliert worden, Schwarzarbeiter – in absoluten Einzelfällen sei man auf solche gestoßen – habe man sofort „von der Baustelle verwiesen“.

Die Beweislage sei mager. Es gebe „vier, fünf dürftige Zeugenbelastungen“ sowie „gelbe Listen mit Belastungsmaterial, wo wir nicht wissen, ob die ein Lehrling geschrieben hat, der nicht gut drauf war“. Er wundere sich, „wieso hier so ein Monsterverfahren aufgeblasen wird“. Zugleich verlangte Berndorfer die Auswertung des gesamten Akteninhalts – bei einer bereits im März 2018 vorgenommenen Hausdurchsuchung in den Firmenräumlichkeiten habe man immerhin exakt 499 Aktenordner sichergestellt.

Angeklagter: Keiner wollte 40 Stunden arbeiten

Im Anschluss erläuterte der Firmengründer, weshalb er auf Subfirmen zurückgegriffen habe. „Keiner wollte arbeiten“, behauptete der 60-Jährige. In seinem Betrieb gelte eine 40-Stunden-Woche, doch die Arbeiter „sind um neun gekommen und um drei am Nachmittag gegangen“. In Wien habe man sogar „Plakate aufgehängt“ und damit nach Personal gesucht – mit mäßigem Erfolg, wie der Geschäftsführer bedauerte. Also sei man „in den Sub gegangen“ und habe notgedrungen „weitere Subsubaufträge“ vergeben.

Details dazu wisse die Chefsekretärin: „Das war ihr Aufgabengebiet.“ „Die Chefsekretärin ist immer besser informiert als der Chef“, witzelte darauf der Richter, der die Verhandlung auf mehrere Tage anberaumt hatte.