Käfer und Blatt
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Umwelt

„Bio-Diversi-Was?“: Käfer & Co. im Interview

Die Natur ist bunt und vielfältig – Biodiversität genannt. Wenn der Nachwuchs fragt „Bio-Diversi-Was?“, dann liegt nun die Antwort in Kinderbuchform auf – inklusive Interviews mit Tieren und Pflanzen.

Die Autorin Andrea Grill will mit ihrem neuen Buch Kindern die Natur näher bringen und den Blick für die Vielfalt schärfen. Sie legt mit „Bio-Diversi-Was?“ aber kein gewöhnliches Sachbuch vor. Als Biologin ist sie zwar selbst vom Fach, hat über Artbildung und Evolutionsbiologie dissertiert. Ihr Kindersachbuch soll laut Untertitel eine „Reise in die fantastische Welt der Artenvielfalt“ sein.

Charakteristische Arten aus sieben Lebensräumen

Um das zu erreichen, ging Grill in dem von Sandra Neuditschko illustrierten neuen Buch sehr weit: Sie verpackte ihr Wissen in Interviews mit Vertretern einzelner Tier- und Pflanzenarten aus sieben unterschiedlichen Lebensräumen. „Es sollte so eine Art Fibel sein, ein Lexikon, um einzutauchen in sieben verschiedene Lebensräume. Und in jedem Lebensraum habe ich dann einige Tier- und Pflanzenarten ausgewählt, die besonders charakteristisch dafür sind“, schildert Grill im „Wien heute“-Interview ihren Zugang.

Buch über Biodiversität

Die Vielfalt der Natur ist zunehmend bedroht durch Klimawandel und Globalisierung, sagen Experten. Noch gibt es aber Lebensräume für Tiere und Pflanzen in Wien. Um die Kindern näher zu bringen und den Blick für die Vielfalt zu schärfen, hat die Wiener Biologin und Schriftstellerin Andrea Grill ein Buch geschrieben.

Grill verbrachte als Kind selbst viel Zeit in der freien Natur in ihrer Heimat Bad Ischl. „Für mich waren die anderen Lebewesen immer Freunde, die mich gestärkt haben. Am Ufer der Traun konnte ich Stunden verbringen und dabei die Zeit vergessen“, erzählt sie im Gespräch mit APA-Redakteur Wolfgang Huber-Lang. Umweltschutz und Klimawandel brachten sie zum Studium, das sie 2003 in Amsterdam abschloss.

„Es gibt ja auch positive Entwicklungen“

Heutige Kinder wachsen laut der Autorin meist mit einem geringeren Bezug zur Natur aufwachsen – nicht zuletzt deswegen versuche sie mit dem Buch vor allem Begeisterung für die Vielfalt der Natur zu wecken und weniger mit den Schreckensszenarien ihrer Bedrohung zu arbeiten.

„Ich muss optimistisch sein, wenn ich mich an Kinder wende. Ich traue den Jungen viel zu. Es gibt ja auch positive Entwicklungen: Unsere Flüsse und Seen sind heute viel sauberer als früher. In den Städten nimmt die Artenvielfalt zu. Und bei Corona haben wir bewiesen, was alles möglich wäre.“

Autorin Andrea Grill blättert in Buch, Bub und Mann
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In Kinderbüchern könne man als Autorin „viel poetischer sein“, so Andrea Grill

„Auch Ökologen erzählen Geschichten“

Von ihrer Forscherinnenkarriere verabschiedete sich Grill, die auch Italienisch, Spanisch und Linguistik studierte, vor einigen Jahren. „Spitzenforschung ist ein hartes Feld geworden.“ In der Folge machte sie sich rasch als Literatin einen Namen. Ihr Roman „Cherubino“ schaffte es 2019 auf die Longlist des Deutschen Buchpreises, 2021 gab es für ihr Werk den Anton-Wildgans-Preis. Bei Grill finde man eine „vielsagende Sprache, in der gründliche Sachkenntnis zum Ausdruck kommt“, befand die Jury.

„Ökologie und Literatur ist nicht etwas ganz anderes. Auch Ökologen erzählen Geschichten, die sie finden. Man versucht dabei immer, sich in den anderen hineinzuversetzen. Es ist erforscht, dass man dann Empathie verspürt, wenn man sich in den anderen hineinversetzen kann.“ Als Übersetzer erfand Grill einen kleinen Roboter. „Ich verstehe ja die Technikfaszination von Kindern. Und ich kann mir wirklich vorstellen, dass man in 20 Jahren ohne sein Device nicht mehr leben kann – vor allem, wenn das mit der Künstlichen Intelligenz so schnell weitergeht wie bisher.“

Das Buch

Andrea Grill, Sandra Neuditschko: „Bio-Diversi-Was? Reise in die fantastische Welt der Artenvielfalt“, Leykam, 216 Seiten, 28,50 Euro

Mehr Raum für Poesie

Kinderbücher lägen ihr mehr als Sachbücher für Erwachsene, sagt die Autorin, die dennoch in der Reihe „Naturkunden“ des Verlags Matthes & Seitz ihrem 2016 erschienenen Schmetterlingeporträt in Kürze einen Band über Seepferdchen folgen lässt, „man kann in ihnen viel poetischer sein“. Auf der Suche nach Möglichkeiten eines „ökologischeren“ Sprechens betreibt Grill zusammen mit Anja Utler auch ein lyrisches Onlineprojekt.

Gar nicht poetisch, sondern ganz und gar prosaisch und erstaunlich detailgenau lesen sich in „Bio-Diversi-Was?“ die Interviewpassagen über die Fortpflanzung der einzelnen Tier- und Pflanzenarten. „In der Schule ist uns ja die menschliche Fortpflanzung noch über die Bienen vermittelt worden, die von Blüte zu Blüte fliegen“, lacht Grill. „Bei meinem Buch gab es nun durchaus Diskussionen, ob man die ganzen Sexszenen so schildern darf.“

„Wir sind nicht die Chefs“

Wesentliche Erkenntnis für die junge Leserschaft: Männchen und Weibchen ist keineswegs das einzige und auch nicht das dominierende Konzept in der Natur. Was auch als Botschaft des ganzen Buches verstanden werden darf. „Wir sind nicht die Chefs“.